In Barberêche erblickten diesen Frühling vier Fohlen das Licht der Welt. Die Leidenschaft für das Freibergerpferd begleitet Züchter Christian Aeschlimann seit Kindestagen. Ein bisschen stolz darf man da schon sein.
An saftigen Wiesen und blühenden Bäumen vorbei macht der Wagen halt vor einem grossen Stall. Es ist kurz nach Ostern und keine Spur von Corona zu spüren in Barberêche. dem kleinen Dörfchen im freiburgischen Seebezirk. In einer Ecke auf dem Vorplatz steht der Viehtransporter säuberlich platziert. Und bei den Iglus weiter vorne tränkt eine Frau Kälber. In französischer Sprache weist sie vor die Scheune. Dort steht mit weissem Schnauzer und freundlichem Gesicht Viehhändler und Pferdezüchter Christian Aeschlimann.
Mit seiner Frau und den drei Grosskindern streift er durch die Herde seiner Freibergerpferde. Zwei- und dreijährige Junge, Stuten und Fohlen bunt durchmischt. Und irgendwo dazwischen ein kleiner runder Shetty. Jeder der Zweibeiner hat seinen vierbeinigen Liebling, krault und tätschelt, und gar Katzen fühlen sich in der ruhigen, neugierigen Truppe wohl.
Mehr als Top-Resultate
Charakterstärke – das macht Aeschlimanns Freibergerpferde aus. An den Fohlenschauen erreichen die Tiere zwar keine Podestplätze, doch was nützt Schönheit, wenn der Charakter nicht passt? «Ein gutes Pferd muss man fahren und reiten können. Es muss ruhig und verlässlich sein», davon ist Aeschlimann überzeugt.
Seine Pferde bildet er selbst aus. Natürlich nicht ohne helfende Hände. Fredy Kramer unterstützt beim Fahren, Anette Glauser beim Reiten, und auch die Grosskinder sind immer mit dabei. Sie putzen, reiten, machen Gymkhana und tragen so zum ausgeglichenen Charakter der Tiere bei. Für die Ausbildung seiner Pferde lässt sich Aeschlimann ein halbes Jahr Zeit. «Langsam und stetig. Die Pferde sollen Freude und Spass haben und trotzdem gefordert sein.»
Erst müssen die Jungtiere ruhig hinten beim Brügiwagen laufen. Erst dann legt Aeschlimann ihnen das Geschirr um den Hals. Auf einem Waldweg, der beidseits von hohen Mauern umgeben ist, werden die Jünglinge erstmals vorne neben einen erfahrenen Kollegen eingespannt. Alle zwei Tage wird trainiert. Im Wald, auf der Strasse, im Verkehr.
Erst wenn die Fahrt am Zweispänner reibungslos funktioniert, beginnt das Training am Einspänner. Dafür wird das Jungpferd hinten am Wagen seiner beiden Pferdekollegen angebunden. Eine Situation, die es bereits kennt. Von hinten her wird dann vorsichtig sein Einzelwagen montiert. Dann geht es wieder Schritt für Schritt. Straff angebunden hinterher laufen, bis alles klappt, dann mit gelockertem Seil, und schliesslich ganz ohne Anbinden.
Vor dem Feldtest, an dem auch das Reiten geprüft wird, kommt jedes Pferd noch für eine Woche zu Bruno Mäder für den reiterlichen Feinschliff. Bestanden haben immer alle mit Bravour. Aktuell hält Aeschlimann 28 Pferde. Davon sind elf in Ausbildung. In den kommenden Jahren will er altershalber etwas kürzer treten. Er hat deshalb heuer lediglich drei seiner Stuten beim Hengst decken lassen.
Aus Zürich nach Barbarêche
Die Pferde haben ihren Platz vom Holzschnitzel-Auslauf auf die Koppel oberhalb der Scheune verlegt. Vier Fohlen toben übermütig um ihre Mütter rum, während sich zwei Vertraute gegenseitig kraulen. Es ist ein herrlicher Anblick an diesem Ostermontag, wie die Rosse zwischen Wald und See weiter unten friedlich vor sich hin grasen.
Ein Zürcher in Freiburg. Wie kommt das? Angefangen hat alles vor mehr als dreissig Jahren. Damals entschied Aeschlimann im Zuge einer Güterregulierung, sein Heimetli in Zürich zu verkaufen. Während Kollegen nach Kanada auswanderten, zog es ihn ins Freiburger Mittelland. In Jaun hatte er vor einigen Jahren seinen Wehrdienst bestritten.
Er schaute viele Betriebe an, bis er auf den Hof an der la Chasse stiess. Ein Betrieb mit 160000 Kilo Milchkontingent, geführt von zwei Brüdern, deren Nachkommen nicht übernehmen wollten – denn einer Familie mit Kindern den Pachtbetrieb wegnehmen, das kam für Aeschlimann nicht in Frage. Doch als Reformierter in einem katholischen Kanton einen Betrieb von Katholiken kaufen zu können – das braucht Überredenskunst und Glück.
Nur Hengste aus der Genossenschaft
Aeschlimann hatte wohl beides. Und weil der Viehhändler seine Schwingerkarriere eines Unfalls wegen beendet hatte und ihn Pferde immer schon begeisterten, mussten auch am neuen Ort Rösser her. Bereits als Kind hatte er mit Freibergern gefuhrwerkt, und später als Erwachsener Holz aus dem Züriwald geschleppt. So kam es, dass Aeschlimann an einer Pferdeausstellung in der Region die zwei Freibergerzuchtstuten Sissi und Miranda entdeckte. Die eine gab es nicht ohne die andere. Schliesslich nahm er beide. Und als Deal für den günstigen Preis, trat er fast gleichtags der Zuchtgenossenschaft Sensebezirk bei.
Miranda hat Aeschlimann wieder verkauft. Aber von Sissi, der braunen feingliedrigen Cyprien-Tochter mit dem ausgeglichenen Charakter, stammt seine ganze Zuchtlinie ab. Aeschlimann setzt auf Hengste aus der Genossenschaft. Estragon, Lascar, Néco, Helvetica, Don Ovan. Und die vier Fohlen von heuer stammen allesamt von Hoby-Wan ab. Zwei Hengste aus Aeschlimanns Zucht wurden beim Stationstest am Nationalgestüt in Avenches gekürt. Seine Freibergerpferde verkauft er an Familien in der Region und nach Belgien, Deutschland, Österreich sowie nach Frankreich.
Mit dem Sechsspänner am Marché Concours
Aeschlimann sitzt ins Auto, fährt einige Minuten übers Land und hält an einem eingezäunten Weidestück vor dem Hof seiner Tochter wieder an. Nicht alle seine Pferde befinden sich nämlich zu Hause in Barberêche. In Monterschu bei Susanne begrüssen ihn die Wallache und Junghengste mit neugierigen Gesichtern. Besonders Neo sticht ins Auge. Der Hengst aus gezielter Anpaarung zwischen Aeschlimanns Zuchtstute Shakira und dem Zuchthengst Néco. Was aus ihm wird, wird sich zeigen. Klar ist: Er hat Potenzial. Doch für Aeschlimann sind weder Resultate an Schauen noch Wettkampferfolge, das, was wirklich zählt – sondern ein treuer, zuverlässiger Begleiter, der einem Freude bereitet.
Wenn Ernst Vögeli, der bekannte Kutscher aus Interlaken, ein Pferd bei einem kauft, ist man schon ein bisschen stolz, oder? «Ich glaube, ich darf zufrieden sein», meint Aeschlimann. Zu einem seiner schönsten Erlebnisse gehört der Auftritt am Marché Concours in Saignelégier, wobei er vor zwei Jahren den Kanton Freiburg als Ehrengast repräsentierte. Von Familie und Freunden begleitet trat er mit dem Sechsspänner mit sechs eigenen Pferden samt nebenhergehenden Fohlen auf. Auch die Kaltblutrennen in Brück, nahe Berlin DE, die er mit seinen Züchterkollegen Jahr für Jahr besuchte und bei denen er mit seinen Freibergern die Herzen der Zuschauer eroberte, gehören dazu.
Die Freibergerpferde begleiteten Aeschlimann sein ganzes Leben lang. Beim Arbeiten auf dem Acker und im Wald, beim Fahren in der Freizeit und bei seinem Hobby als leidenschaftlicher Züchter. Umso schöner ist es, dass auch seine drei Grosskinder das Pferdefieber gepackt hat.