In die Debatte um das aktuelle EU-Einfuhrverbot für „Chlorhähnchen“ aus den USA kommt Bewegung. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisiert die Pläne scharf.
Die Europäische Kommission wird am Dienstag mit Experten aus den zuständigen Ministerien der Mitgliedstaaten über die mögliche Zulassung einer alternativen Methode zur Beseitigung von Salmonellen und anderen Krankheitserregern diskutieren.
Es geht um die Behandlung des Schlachtkörpers beziehungsweise von Teilstücken, an denen noch die Haut haftet, und zwar nicht mit Chlorlösungen, sondern mit organischen Säuren wie beispielsweise Essigsäure. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gab bereits im vergangenen Jahr zu erkennen, dass sie den Einsatz solcher Säuren für unbedenklich hält. Bislang ist nur Trinkwasser zugelassen.
USA: Antimikrobielle Behandlung Standard
Für die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher ist die Anwendung organischer Säuren als antimikrobieller Substanz grundsätzlich anders zu bewerten als der Einsatz von anorganischen Chlorverbindungen. Die Mitgliedstaaten wiesen in einer spektakulären Entscheidung vom Dezember 2008 die Zulassung von Chlor für die Fleischbehandlung einstimmig zurück. In den Vereinigten Staaten ist die antimikrobielle Behandlung von Fleisch jedoch Standard. Ohne die Zulassung zumindest ausgewählter Verfahren auch in der EU dürften grössere transatlantische Lieferungen nicht möglich werden.
Die Öffnung des europäischen Marktes für Geflügelfleisch ist ein zentrales Anliegen der US-Regierung, auch in den laufenden Gesprächen über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Einen Präzedenzfall für eine einvernehmliche Lösung gibt es bereits: Seit 2013 erlaubt die EU zur Keimverringerung die Behandlung von Rinderschlachtkörpern mit Milchsäure.
Wasser völlig ausreichend
Auf scharfe Kritik stiessen die Pläne der Kommission bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Mit diesem
Vorhaben werden vor allem die Möglichkeiten der US-Schlachtindustrie verbessert, mehr Fleisch in die EU exportieren zu können“, erklärte die AbL-Bundesvorsitzende Gertraud Gafus. Dadurch sollten schlicht unterschiedliche Standards in der Lebensmittelerzeugung
angeglichen werden. In der EU sei es vollkommen ausreichend, Geflügel- und Rindfleisch bei Bedarf mit Trinkwasser zu reinigen, wenn vorab in der Kette ordnungsgemäss und auf qualitativ hohem Niveau gearbeitet worden sei.
„Das Vorhaben der EU-Kommission zeigt erneut, dass durch TTIP zwei völlig unterschiedliche Kulturen und Systeme gegeneinander ausgespielt werden“, so Gafus. Die Prozessqualität in Europa vom Hühnchen im Stall bis zur Ladentheke solle ausgetauscht werden durch eine chemisch herbeigeführte Produktqualität. Wenn sich die EU-Kommission durchsetze, dann bedeute dies eine weitere Industrialisierung der Schlachtprozesse und einen Sieg der Agrarindustrie gegen das öffentliche Interesse für eine bäuerlich und handwerklich hochwertige Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung.