Jährlich sterben Hunderte Arten aus - meist wegen uns Menschen. Das wollen Forscher nun mit moderner Technik verhindern. Manche wollen sogar das Mammut wiederbeleben. Doch dies wirft Fragen auf.
Der Tod des Nashorns Sudan im vergangenen Jahr in Kenia ging
um die Welt. Unter den Tieren war der Bulle ein Promi: Sudan war das letzte
männliche Nördliche Breitmaulnashorn auf der Erde. Mit seinem Tod starb die
Unterart fast aus.
Doch die Wissenschaft könnte sie möglicherweise retten -
denn noch gibt es zwei Weibchen und eingefrorenes Sperma. Mit moderner Technik
arbeiten Wissenschaftler in Berlin daran, ein kleines Nördliches
Breitmaulnashorn zu schaffen. Dafür erhielten die Forschenden nun eine
Finanzierung von rund vier Millionen Euro.
Um die Artenvielfalt auf der Welt zu steigern, gehen einige
Forscher noch einen Schritt weiter: Tiere, die teils seit Tausenden Jahren,
ausgestorben sind, sollen wiederbelebt werden. In Harvard und Santa Cruz
versuchen Forscher, mit Gentechnik etwa das Wollhaarmammut oder die Wandertaube
auferstehen zu lassen.
Doch die Wissenschaft ist zutiefst zerstritten: Ist das noch
Artenschutz? Oder greifen wir zu stark in die Natur ein?
Rückkehr des Breitmaulnashorns?
Einst zogen Nördliche Breitmaulnashörner in grosser Zahl
durch Ost- und Zentralafrika, Wilderer rotteten sie aus. Nun liegt das
Schicksal der Unterart in einer Petrischale: Forscher am Berliner
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) wollen Eizellen der
letzten Weibchen in Kenia im Labor mit Sperma von bereits gestorbenen Männchen
befruchten. Ein Weibchen des eng verwandten Südlichen Breitmaulnashorns könnte
das Baby austragen.
Zunächst würden die Methoden getestet, erklärt Steven Seet
vom IZW. Eizellen seien von Südlichen Breitmaulnashörnern in Zoos entnommen und
mit Sperma vom Nördlichen Breitmaulnashorn befruchtet worden. Das Hybrid-Embryo
wurde dann einem weiblichen Südlichen Breitmaulnashorn eingepflanzt. Der
Transfer sei erfolgreich gewesen, noch stehe aber nicht fest, ob sich das
Embryo in der Gebärmutter eingenistet habe.
6000 Kilometer entfernt, in einem Labor der Harvard
University in Boston, soll ein Tier wiederbelebt werden, das seit 10 000 Jahren
ausgestorben ist: das Wollhaarmammut. Dahinter steckt George Church, Superstar
unter den Genforschern.
Das Tier wird nicht geklont, dafür reicht das gefundene
Genmaterial von Mammuts nicht aus. Stattdessen entnehmen Church und sein Team
bestimmte DNA-Teile des Mammut-Genoms und fügen die in Zellen von Elefanten
ein. Dabei nutzen sie neue Technologien wie die Genschere CRISPR-Cas9, mit der
DNA gezielt zerschnitten werden kann.
Neuer Elefant
Genau genommen wird kein Mammut kreiert, sondern ein
komplett neues Tier. «Wir versuchen einen Elefanten zu schaffen, der gegen
Kälte und Wilderei resistent ist», erklärt Church. Man könne bei dem Tier etwa
die Grösse der Stosszähne reduzieren, um das Risiko des Wilderns zu reduzieren.
Allerdings könne es frühestens in vier Jahren erste Ergebnisse geben, die
Elefanten ähneln.
An der US-Westküste will derweil Ben Novak mit ähnlichen
Methoden die Wandertaube wiederbeleben. Sie zog einst in riesigen Schwärmen
über Amerika, wurde aber Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Bis zu den
ersten Küken werde es wohl noch fünf bis zehn Jahre dauern, sagt der Forscher der
University of California in Santa Cruz. «Nach 2025 ist möglich, aber
wahrscheinlich eher näher an 2030.»
Die einzige Tierunterart, die bislang tatsächlich
wiederbelebt wurde, ist der Pyrenäensteinbock. Das letzte Tier starb 2000,
vorher wurde ihm eine Zellprobe zum Klonen entnommen und eingefroren. Das
daraus geklonte Kitz - ausgetragen von einer anderen Steinbock-Variante - lebte
nach der Kaiserschnitt-Geburt nur wenige Minuten.
Befürworter von De-Extinction - also dem Wiederbeleben
ausgestorbener Tierarten - versichern, dass es nicht um Schlagzeilen geht. «Wir
wollen Biotechnologien einsetzen, um zum Naturschutz beizutragen und mehr
Biodiversität zu schaffen», sagt Ryan Phelan, die Leiterin der Organisation
Revive and Restore, die Projekte wie die mit dem Mammut oder der Wandertaube
unterstützen.
Falscher Ansatz
Doch viele Wissenschaftler rümpfen die Nase. «Es ist
absolute Zeitverschwendung», sagt der Evolutionsbiologe Stuart Pimm von der
Duke University in Durham (US-Staat North Carolina). Um Arten vor der
Ausrottung zu schützen, müsse man das eigentliche Problem lösen: den Konflikt
zwischen Mensch und Tier.
Die Forschung von Church und Co schaffe eine
gefährliche Fahrlässigkeit. «Wenn du eine Spezies ausrotten und wiederbeleben
kannst, dann sorgst du dich nicht mehr so sehr darum, die Spezies in der freien
Wildbahn zu erhalten.» Ausserdem fragt er: «Was würden wir mit einem
Wollhaarmammut anstellen?»
Church hat schon eine Idee. Er will den Mammut-Elefanten in
Sibirien ansiedeln. Somit werde ein riesiges, kaum bewohntes Gebiet genutzt, um
ein Ökosystem für eine neue Spezies zu schaffen. Und: «Wir würden helfen, den
Klimawandel zu verlangsamen.» Denn: Die Mammuts würden den Schnee feststampfen
und so das Auftauen der Böden erschweren. Als Folge würden weniger
Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre entweichen.
Wieder Graslandschaft
Auf die Neuankömmlinge wartet Nikita Simow schon
sehnsüchtig. Der russische Wissenschaftler leitet ein riesiges Schutzgebiet im
Osten Sibiriens, wo eines Tages wieder eine Graslandschaft wachsen soll - wie
zur letzten Eiszeit, als Mammuts durch die Region streiften.
«Church hat
versprochen, dass das erste Mammut in den Pleistozän-Park kommt.» Für den Kampf
gegen den Klimawandel reiche ein einzelnes Tier aber nicht aus, sagt Simow: «Um
das Klima weltweit entscheidend zu beeinflussen, braucht es Tausende,
Hunderttausende.»