Ungewöhnlich harsche Kritik an der hiesigen Agrarpolitik hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, geübt. Er warf der Politik in Deutschland vor, den zukünftigen Strukturwandel in der heimischen Landwirtschaft kräftig zu beschleunigen.
In einer ohnehin für viele Betriebe schwierigen Marktsituation und bei einer weiterhin laut Konjunkturbarometer schlechten Stimmung in der Branche würden vom Bund und den Ländern Entscheidungen getroffen, die die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Landwirte in der Europäischen Union gefährdeten, beklagte Rukwied auf der digital durchgeführten Agrarfinanztagung des Bauernverbandes und der Landwirtschaftlichen Rentenbank.
Der Bauernpräsident befürchtet eine kräftige Verringerung der Betriebszahlen und eine zunehmende Bedeutung der Nebenerwerbslandwirtschaft. Die Verantwortung dafür trügen die Bundesregierung und die Agrarministerkonferenz (AMK) der Bundesländer.
Ökologische Hürden sind hoch angelegt
Als Beispiel nannte Rukwied deren Beschlüsse zur nationalen Ausgestaltung der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): Während von der EU-Politik eine „gute Basis für die nächsten Jahre“ geschaffen worden sei, würden die nationalen Beschlüsse dazu führen, dass die für die Betriebe wichtige Einkommenswirkung der Direktzahlungen deutlich nachlassen werde.
Als kritisch wertet es der DBV-Präsident auch, dass die Politik die „ökologischen Hürden“ für die Landwirte so hoch anlege, dass im internationalen Markt Nachteile für die heimischen Betriebe entstünden. Daneben seien die bewährten Agrarumweltprogramme der Zweiten Säule in Gefahr, weil geplant sei, die Inhalte in die Eco Schemes der Ersten Säule zu übernehmen.
Besonders besorgt äusserte sich Rukwied zur Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. Der DBV stehe zu einer Weiterentwicklung zu „noch mehr Tierwohl“. Die Finanzierung könne die Landwirtschaft aber nicht allein leisten.
Erlöse und Sicherheit fehlen
Auch für die Ziele der aktuellen Umweltschutzpolitik in Deutschland zeigte sich der Bauernpräsident offen. Sowohl zum Insektenschutzgesetz und zur Pflanzenschutzmittelanwendungsverordnung als auch zur Umsetzung der Bochert-Pläne für die Tierhaltung und auf EU-Ebene unter anderem der Farm-to-Fork-Strategie würden aber dringend Folgenabschätzungen gebraucht.
Ferner müsse die ständige Höhersetzung der Produktionsstandards in Deutschland und der EU bei internationalen Handelsabkommen unbedingt beachtet werden. Auch DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken richtete den Blick auf die notwendige Finanzierung von Tierwohl- und Umweltschutzleistungen in der Landwirtschaft.
Diese sei zentral für künftige Investitionen in der Branche. Für die Tierhaltung, für die der „Spagat“ zwischen den marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den gesellschaftlichen Ansprüchen am grössten sei, habe ausserdem unter anderem die Produktkennzeichnung eine grosse Bedeutung.
Vom Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Dr. Martin Berges, kam die Warnung, dass die Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft, insbesondere in der Tierhaltung, seit Jahren zu gering ausfalle. Gründe dafür seien die schwache Marktpreisentwicklung, die mangelnde Planungssicherheit und die Bürokratie.