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Dank Industrialisierung entstand Schweizer «Güezikultur»

Die reiche Güezikultur der Schweiz geht zurück auf die industrielle Revolution. Und auch auf die Liebe einzelner Bäcker.

Peter Rohrer |

 

Die reiche Güezikultur der Schweiz geht zurück auf die industrielle Revolution. Und auch auf die Liebe einzelner Bäcker.

Wer kennt sie nicht, die bekanntesten Güezi der Schweiz? Willisauer Ringli, Bretzeli, Basler Läckerli und Zürcher Tirggeli sind – wortwörtlich – in aller Leute Munde! Daneben gibt es natürlich auch die nicht weniger beliebten, wenn auch nicht unbedingt Schweiz-stämmigen Leckereien wie Lebkuchen, Mailänderli, Spitzbuben, Nussstängeli, Spekulatius, Zimtsterne, Brunsli, Vanillegipfeli, Kokosmakrönli usw.

Industrielle Revolution

Dass wir heute in der Schweiz eine derart vielfältige Güezi-«Kultur» besitzen, verdanken wir grösstenteils der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts, als erstmals Maschinen, rationelle Arbeitsmethoden, zentralisierte Fertigung mit überregionaler Vermarktung, hochwertige und hoch verfügbare Rohstoffe zu erschwinglichen Preisen sowie Menschen, die Arbeit in Fabriken annehmen konnten und wollten, zur Verfügung standen. 

In den Jahrhunderten davor gab es natürlich auch bereits süsse Leckereien, zunächst privat für den Eigenbedarf sowie den Tauschhandel und schliesslich innerhalb von Handwerksbetrieben zum lokalen Verkauf. Weder erlaubten es aber die – teils religiösen – Sitten und gesellschaftlichen sowie standesrechtlichen Gebräuche der vorindustriellen Zeit, dass jedermann  Luxusgüter wie Honig, Gewürze und Früchte beliebig  beziehen und verarbeiten konnte, noch wären diese Rohstoffe überhaupt in ausreichender Menge und standardisierter Qualität für eine Massenproduktion zur Verfügung gestanden. Ein Hauptbestandteil heutiger Güezi, der raffinierte Zucker, war damals sogar noch gar nicht erfunden.

Nicht erstaunlich also, dass mehrere der noch heute tätigen grossen Güezifabrikationen annähernd zeitgleich um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden sind. Exemplarisch hiernach die Geschichten von zwei Schweizer Güezi-Klassikern, dem Willisauer Ringli und dem Bretzeli.

Das Willisauer Ringli

Das steinharte Willisauer Ringli stammt ursprünglich gar nicht aus Willisau. Anna Peyer lernte das Urrezept der Ringli – bestehend nur aus Zucker, Mehl, Honig, Wasser, Zitronen- und Pomeranzenschale – um 1850, während ihrer Dienstzeit auf Schloss Heidegg im Luzerner Seetal kennen. Elisab

eth Dula, die Gattin des Schlossherren Alphons Pfyffer, hatte die Willisauerin als Freundin und Hofdame aufs Schloss geholt. Zurück in Willisau, heiratete Anna den Bäckerburschen Heinrich Maurer, der sich auf seiner Wanderschaft gerade in ihrem Heimatdorf befunden hatte. Als «Maurer-Ringli», versuchte Heinrich ab 1860 das neue Gebäck der einheimischen Bevölkerung schmackhaft zu machen, was allerdings nicht recht gelingen wollte: Man war, auf dem Dorfe, nicht wirklich offen für das unbekannte Produkt dieses Zugewanderten. Erst als Heinrich die Kreation auf «Willisauer Ringli» umgetauft hatte, wurde das Güezi rasch zu einem Riesenerfolg.

Echte nur aus Willisau

Kunigunde Maurer-Brun, die Ehefrau von Heinrich Maurers Sohn Robert, hatte das Urrezept der Willisauer Ringli in den 1920er-Jahren für zweitausend Franken an den Willisauer Bäcker Moritz Amrein verkauft, und noch heute kann man diese süsse Köstlichkeit im Café Amrein, dem Ursprungshaus der Willisauer Ringli, sozusagen aus erster Hand geniessen.

Nach mehreren Gerichtsprozessen um die Verwertung des Ringli-Rezepts auch durch andere Bäcker gilt seither folgende Regelung: 1. Das Willisauer Ringli muss in Willisau hergestellt werden. 2. Es gibt fünf verschiedene Ringli, die aber alle auf Anna Peyers Urrezept beruhen. – So entstand 1948 die Willisauer Ringli AG (Wirag), welche die erste industrielle Ringli-Produktion etablierte. Diese wurde 1995 von der Hug AG übernommen, die den aktuellen Produktionsstandort und den Fabrikladen in Willisau betreibt. Aber eben: Auch die anderen Willisauer Bäckerein dürfen das original Willisauer Ringli herstellen.

Das Bretzeli

Der zweite Schweizer Güezi-Klassiker, das allseits beliebte Brätzeli, wurde vom Kandertaler Oskar Kambly I. aus dem Originalrezept seiner Grossmutter kreiert (siehe Bild). Oskar I. hatte im Welschland ein Mädchen aus Trubschachen kennen und lieben gelernt und nahm bald darauf seine Bäckerkonditorlehre im Emmentaler Dorf in Angriff. Nach kurzen Lehr- und Wanderjahren weg von Trubschachen, übernahm er seinen ehemaligen Lehrbetrieb, mit der Ambition, mehr als nur eine Dorfbäckerei aufzubauen. Ab 1910 tingelte Oskar I. also fleissig mit seinem Musterkoffer voller leckerer Bretzeli durch die Emmentaler Dörfer, um die Ladenbesitzer als Vertriebspartner seines Gebäcks zu gewinnen. Man munkelt, dass über die Jahre so mehr als 40000 Kilometer zu Fuss zusammengekommen seien.

Ursprünglich Blechdosen

Die Bretzeli wurden damals natürlich noch nicht in gasdicht verschweissten Blisterpackungen vertrieben, sondern Oskar I. belieferte die Läden mit grossen, bunt bemalten Blechdosen, woraus der Kundschaft dann die gewünschte Menge des Gebäcks abgewogen und in Papier eingeschlagen überreicht wurde. Nach der ersten Kambly-Manufaktur befindet sich am selben Standort in Trubschachen heute eine hochmoderne Fabrik, wo, nebst vielen anderen Backwaren, das inzwischen meistverkaufte Markengüezi der Schweiz immer noch nach Grossmutter Kamblys Originalrezept von 1906, unter der Führung von Oskar A. Kambly III., hergestellt wird.

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