Doch auch weil es schwierig sei junge Männer und Frauen für diese Tradition zu begeistern, sei diese bedroht. Die jüngere Generation sei in anderen Berufen stark engagiert, die älteren Jahrgänge seien besorgt um den Fortbestand dieses Volkstums. Und wenn die Grossraubtiere nicht auf ein erträgliches Mass reguliert würden, sei es mit der Schafzucht schwierig, so eine scheinbar einhellige Meinung Walliser Schafzüchter.
Nachfolger zu finden ist schwierig
Die unbehornten Saaser Mutten mit ihren stark nach vorn gekrümmten Nasen und den auffällig langen Ohren sind das Sinnbild der lokalen Alpwirtschaft in Saastal im Kanton Wallis. Der 32-jährige Pascal Burgener aus Saas-Balen ist einer jener Züchter, die sich dieser Schafrasse angenommen haben. Er ist jedoch der weitaus jüngste Züchter im Dorf.
Nicht alle jungen Menschen, die aus einer Schafbauernfamilie stammen, wollen die Tradition weiterführen. Dies auch, weil sie beruflich anderweitig engagiert sind und für sie die Nachteile und Herausforderungen der Schafzucht zu überwiegen scheinen. Nicht so jedoch für Burgener, der erkennt, dass man des Geldes wegen, keine Schafe halten würde. «Die Tiere geben einem viel zurück», verrät er dagegen der «Aargauer Zeitung» und gibt zu erkennen, wie viel Leidenschaft in dieser Tätigkeit stecken kann.
Sein Kollege, der 70-jährige Freddy Anthamatten aus Saas-Almagell, teilt diese Leidenschaft. Er muss sich jedoch auch eingestehen, dass er aufgrund seines hohen Alters bald zurücktreten müsse. Einen Nachfolger habe er noch nicht gefunden. Die lieb gewonnene Tradition der Schafzucht würde wohl dahinschmelzen wie die Gletscher, gibt Anthamatten der «Aargauer Zeitung» zu verstehen.
Saaser Mutten wegen Diebstahl besonders gefragt
2014 wurden oberhalb des Mattmark-Stausees 103 Saaser Mutten gestohlen. Der Bestand an Saaser Mutten betrug damals aus nur noch 400 Tieren. Mehr als ein Viertel sind damals auf einen Schlag verschwunden. Die mutmasslichen Täter konnten nie zur Rechenschaft gezogen werden ( der «Schweizer Bauer» hat darüber berichtet ).
Was sich auf den ersten Blick als tragisches Ereignis herausgestellt hat, verwandelte sich dann überraschenderweise in einen Segen. Denn aufgrund der umfangreichen Berichterstattung über diesen Diebstahl in den Medien wurde diese vom Aussterben bedrohte Schafrasse landesweit bekannt.
Der Bestand der Saaser Mutten hat sich dadurch seither mehr als verdoppelt, von damals 400 auf heute rund 950 Tiere. Dieselbe Entwicklung gab es auch bei den Züchterinnen und Züchter. Diese stieg von damals 30 auf heute 65 an. «Eine grosse Nachfrage nach Zuchttieren entstand. Noch immer ist sie grösser als das Angebot», sagt Philippe Ammann, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Specie Rara.
Keine Nachfolger und hohe Kosten
Ronald Anthamatten, Alpverantwortlicher der IG Schafalpen Saastal, hält mit 120 Saaser Mutten die grösste Herde im Saastal, wo rund 440 dieser Schafe gezählt werden. Für den 70-jährigen, wie auch für rund 13 der 20 Schafhalter im Pensionsalter, sei es schwierig einen Nachfolger zu finden. Wir Züchter sind zusammengerückt, um die Schafe besser vor dem Wolf zu schützen», gibt Anthamatten der «Aargauer Zeitung» zu verstehen. Doch der Aufwand für den Herdenschutz sei enorm.
Eine mobile Hirtenhütte werde von der Air Zermatt von Alp zu Alp geflogen . Dann sei ein Hierte angestellt worden. Weiter mussten Zaunmaterial, Tiertracker, Wärmebildgerät und Drohne für das Weidegebiet angeschafft werden. Viel versprechend sei der Einsatz der beiden Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde.

Für Rolf Kalbermatten, Präsident des Walliser Schwarznasenverbands, bräuchte es eine weitere Regulierung des Wolfbestandes.
Christian Zufferey
Herdenschutz bleibt unzureichend
Im Schutzgebiet Grundberg oberhalb von Saas-Almagell seien letzte Woche tagsüber zwei Saaser Mutten von Wölfen gerissen worden. Letztes Jahr seien ingesamt 415 Nutztiere gerissen worden. Da die Saaser Mutten keine kompakte Herde bilden würden, sei es schwierig, den Überblick zu behalten. Es bräuchte dazu einen zweiten Hirten, zeige sich Anthamatten überzeugt. Nur sieht er sich diesbezüglich mit zwei existenziellen Problemen konfrontiert: Wo findet sich ein solcher Hirte? Wer übernimmt die zusätzlichen Kosten?
Das Wallis habe zusammen mit dem Bund zwar für den Herdenschutz schon eine beachtliche Summe von 2,78 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Diese finanziellen Mittel seien jedoch bereits jetzt praktisch ausgeschöpft.
Die Schafzüchter anderer Rassen sehen sich mit derselben Problematik konfrontiert. «Die Alpsömmerung treibt viele Schäfer mit den aufgezwungenen zeitintensiven Herdenschutzmassnahmen an ihre Grenzen», erkennt Rolf Kalbermatten, Präsident des Oberwalliser Schwarznasenzuchtverbandes . Das wichtigste Ziel sei es, die Grossraubtiere auf ein verträgliches Mass zu regulieren. «Ansonsten wird es mit der Schafzucht sehr schwierig», gibt Kalbermatten zu verstehen.


