Das Schweizerkreuz prangt auf vielen Flaschen und Dosen. Oft ist aber nur das Wasser von hier. Die IG Mittellandmalz und die Schweizer Mälzerei AG tragen aber dazu bei, dass es vermehrt ganz hiesiges Bier gibt.
«Good times, good drinks», «Gute Zeiten, gute Getränke». Das steht auf einer Tafel im Aufenthaltsraum von Hannes Brunner in Detligen BE. Und das ist nicht nur eine Floskel. Der Bauer interessiert sich tatsächlich für gute Getränke. Zum Beispiel für Bier. Und er trägt dazu bei, dass es solches ganz aus Schweizer Zutaten gibt. Gerade hat er seine Gerstenernte abgeliefert, die gemälzt und letztlich zum Brauen, also zum Biermachen, gebraucht wird.
Es war aber nicht seine Idee, Braugerste anzubauen. Vor rund zehn Jahren wurde er von Hans Ramseier, Dozent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl), angefragt, ob er versuchshalber Braugerste auf seinem Land anbauen könnte. Denn Ramseier, sein Sohn Christian und andere junge Männer aus dem Umfeld der Hochschule sagten sich, es müsste doch möglich sein, Bier aus hiesigen Rohstoffen herzustellen. Nebst Wasser und wenig Hopfen (siehe Artikel unten) braucht es für Bier Malz.
2020 sind rund 75000 Tonnen davon in die Schweiz importiert worden. Vor allem aus Deutschland und Frankreich. Dabei gedeiht Braugerste auch hier, bis in die 1980er-Jahre baute man sie an, und wie sich in den Versuchen zeigte, geht es noch immer. Ramseier und seine Mitstreiter gründeten 2012 die «Interessengemeinschaft (IG) Mittellandmalz». Sie macht es sich zum Ziel, «die Produktion wie auch die Verarbeitung von Braugerste in der Region Mittelland nachhaltig aufzubauen, zu unterstützen und zu sichern», wie Stefan Gfeller von der Geschäftsstelle sagt.
Sie arbeiten mittlerweile mit Brauereien, Bierbegeisterten und über 170 Bauern aus dem Mittelland zusammen. Die IG unterstützt die Landwirte bei produktionstechnischen Fragen, gibt ihr Wissen rund um den Anbau weiter und stellt die Qualität sicher, damit die Gerste den Anforderungen der Brauereien entspricht. Mit Gerste allein können Brauer aber nichts anfangen. Sie muss zuerst gemälzt werden. Damit sie keimt und so den Zucker, den es für die Alkoholproduktion braucht, freisetzt.
«Nicht befriedigend»
Die Mälzung war lange ein Punkt, der dem zweiten Teil des Ziels der IG, «die Verarbeitung von Braugerste soll in der Schweiz passieren», widersprach. Hierzulande gab es zwar ein paar Mälzereien, aber nur ganz kleine. Die IG musste deshalb die Braugerste jeweils nach Deutschland bringen, sie dort mälzen lassen, das Malz wieder rückführen und den Brauereien verkaufen, die es zu Schweizer Bier verarbeiteten. «Das war nicht befriedigend», sagt Gfeller. Lange überlegten und planten sie von der IG deshalb, eine eigene Mälzerei aufzubauen. Sie verwarfen das Vorhaben schliesslich aus wirtschaftlichen Gründen.
«Ein Meilenstein»
Als sie sich schon fast damit abgefunden hatten, dass sie weiterhin auf ausländische Verarbeiter angewiesen sein würde, meldete sich der Unternehmer Christoph Nyfeler. Er wolle eine Mälzerei bauen. Und er tat es. Anfang dieses Jahres wurde in Lenzburg zum ersten Mal bei der «Schweizer Mälzerei AG» aus Braugerste Malz. Zur Freude der IG. «Es war ein Meilenstein», sagt Gfeller. Nun nimmt Nyfelers AG der IG das aufbereitete Getreide direkt ab, mälzt es und verkauft es an Brauereien. Zu Nyfelers Kundschaft gehören Brauereien, die in ihrer Produktpalette meist ein Bier haben, das ganz aus Schweizer Rohstoffen besteht. Zum Beispiel die Öufi-Brauerei aus Solothurn hat mit dem «Südfuss» ein 100-Prozent-Schweizer-Bier im Sortiment, und auch Aarebier stellt mit dem «Swiss Pale Ale» ein solches her.
Bleibt Nischenprodukt
Die Brauereien produzieren aber hauptsächlich Bier, das nicht zu 100 Prozent aus Schweizer Rohstoffen besteht. Schweizer Malz ist nämlich teuer. Er kostet zwischen 1.60 und 2.10 Franken pro Kilo, Jenes aus dem Ausland hingegen zwischen 30 und 50 Rappen. Deshalb importieren die meisten Brauereien den grössten Teil weiterhin aus dem Ausland. Und die Nachfrage nach Bier ist da. Schweizerinnen und Schweizer trinken pro Kopf und Jahr im Durchschnitt 52 Liter Bier.
«Wollte man den gesamten Bedarf abdecken, bräuchte man eine Anbaufläche von 16000 Hektaren», erklärt Gfeller. «Davon sind wir weit entfernt. Dieses Jahr sind wir bei 250 Hektaren», sagt er. Es erstaunt also nicht, dass Gfeller sagt: «Hundertprozentiges Schweizer Bier wird ein Nischenprodukt bleiben.» Aber eins, das sich durch geschicktes Marketing und Storytelling der Brauereien gut vermarkten lasse. «Es gibt eine interessierte Kundschaft, die für dieses Bier gerne etwas mehr bezahlt», sagt er.
Neue Kultur
Auch die Schweizer Mälzerei AG, die hierzulande die grösste ihrer Art ist, hat nicht unendliche Kapazität. Pro Jahr können dort 1500 Tonnen gemälzt werden. Bis jetzt ist sie noch nicht ganz ausgelastet. In ein bis zwei Jahren könnte es aber bereits so weit sein. Sofern die Nachfrage nach Malz besteht. Produzenten, die Braugerste anbauen, gibt es genug. Wer das macht, erhält einen guten Preis. Für Braugerste wird den Bauern mit 90 Franken pro Dezitonne Vollgerste deutlich mehr bezahlt als für Futtergerste. Dafür erhalten sie rund 33.50 Franken. Bauer Hannes Brunner gibt aber zu bedenken, dass der Anbau der Braugerste aufwendiger sei. «Es gilt, genauer zu düngen, und der Feldertrag ist viel geringer als bei Futtergerste», sagt er. Und der Preis berechne sich für bereits kalibriertes Getreide. Und die Braugerste müsse hohen Qualitätskriterien entsprechen. Ist ihr Proteingehalt nicht zwischen 9 und 12 Prozent, kann sie nicht gemälzt werden.
Sollte es so weit kommen, muss der Landwirt die Gerste aber nicht wegwerfen, er kann sie als Futtergetreide verkaufen. In diesem Fall bekommt er also einen geringeren Preis und hat weniger Ertrag. «Dieses Risikos muss man sich bewusst sein, wenn man in die Produktion einsteigt», sagt Brunner. Er selbst sei nicht davor zurückgeschreckt, weil er Freude daran habe, Neues auszuprobieren.
Bis jetzt habe er damit keine schlechten Erfahrungen gemacht. Auf seinem Ackerbaubetrieb produziert er dieses Jahr auf 4,5 Hektaren Braugerste. Die Tatsache, dass er dazu beitrage, Bier herzustellen, das ganz aus Schweizer Zutaten bestehe, freue ihn. Mittlerweile probiert er für die IG Mittellandmalz, in deren Vorstand er ist, noch etwas Neues aus. Auf einer Parzelle wuchs bereits Brauweizen. Er wurde diese Woche gedroschen. Aus ihm soll letztlich ein Hundert-Prozent-Schweizer-Weizenbier entstehen. Vielleicht also ein weiteres Getränk für gute Zeiten, wie es in Brunners Aufenthaltsraum heisst.