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«Das drückt brutal auf die Liquidität»

Hans Ulrich Sturzenegger, Geschäftsführer der Agro Treuhand Region Zürich AG, diplomierter Treuhandexperte sowie Agrokaufmann, gibt Auskunft über seine Erfahrungen mit der Liquidität auf Landwirtschaftsbetrieben

«Schweizer Bauer»: Kürzlich machte die Meldung des jurassischen Bauernverbands die Runde, worin er von einer gravierenden finanziellen Situation der Bauernbetriebe sprach und deshalb Massnahmen vorschlug. Sie als Treuhänder: Wie sehen Sie die aktuelle Liquiditätssituation auf den Betrieben in der Region Zürich?

Hans Ulrich Sturzenegger: Die Situation auf den Betrieben ist sehr unterschiedlich. Der Erfolg des Betriebsleiters ist sehr individuell. Für das Jahr 2024 lässt sich sagen, dass Ackerbaubetriebe aufgrund der inkonstanten und im Verhältnis sehr nassen Wetterlage mehr mit der Liquidität zu kämpfen hatten als Tierhaltungsbetriebe mit relativ kon­stanter Einkommensverteilung über das gesamte Jahr. Jedoch sind auch im Kanton Zürich durchaus Indizien vorhanden, dass die Liquidität teilweise Betriebe vor Probleme stellt.

Welche Betriebe haben besonders zu kämpfen?

Wie vorher erwähnt waren Ackerbaubetriebe stärker belastet als andere. Dies, da zum Teil Erntearbeiten abgebrochen werden mussten und somit Lohnarbeiterrechnungen doppelt so hoch wie üblich ausfielen. Ebenfalls wird bei Betriebsumstellungen von Milch- auf Mutterkühe oft unterschätzt, dass im ersten Jahr der Mutterkuhhaltung praktisch kein Geld erwirtschaftet wird, bis die ersten Kälber bereit für den Verkauf sind. Dies ist eine massive Umstellung im Vergleich zur Milchviehhaltung mit der monatlichen Milchgeldzahlung. Die Umstellung erfordert von den Betriebsleitenden eine ausführliche Liquiditätsplanung.

Die Zahlen muss man stets in Griff haben.

Hans Ulrich Sturzenegger

Erkennen Sie Ursachen, die Betriebe in Liquiditätsengpässe treibt?

Grundsätzlich lässt sich sagen: Betriebsleiter mit guter Ausbildung sind sich gewöhnt, mit Zahlen zu jonglieren. Die Analysefähigkeit der gut ausgebildeten Betriebsleiter ist gegeben. Wenn jemand nur über eine EFZ-Ausbildung verfügt, reicht dies unter Umständen nicht, um einen Betrieb wirtschaftlich erfolgreich führen zu können. Die Zahlen muss man stets in Griff haben. Wenn man meint, man brauche immer den neusten Traktor, drückt dies brutal auf die Liquidität. Sich überbetrieblich zu organisieren, zum Beispiel in Form eines Maschinenrings, ist essenziell, wenn man erfolgreich Kosten minimieren will. Grosse Investitionen in Maschinen können so überbetrieblich gesplittet werden, dies erfordert jedoch auch eine gewisse Flexibilität.

Was für Beobachtungen machen Sie in der Unterscheidung zwischen Nebenerwerbs- und Haupterwerbsbetrieben?

Nebenerwerbsbetriebe sind in der Regel bessergestellt und haben weniger mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Jedoch ist zu betonen, dass hier sehr häufig eine Quersubventionierung stattfindet und dass die Nebenerwerbslandwirte die Landwirtschaft teilweise als ihr Hobby anschauen.

In einer neuen Agroscope-Studie, in der die Wirtschaftlichkeit hiesiger Betriebe mit derjenigen von EU-Betrieben verglichen wurde, heisst es: «Um in Zukunft zu bestehen, müssen Schweizer Betriebe bereit sein, ihre eigene Arbeit tiefer zu bewerten.» Was sagen Sie dazu? Müssen Bauernfamilien mit einem tieferen Privatverbrauch den Gürtel enger schnallen?

Tatsache ist: Etwa ein Drittel unserer landwirtschaftlichen Kunden ist finanziell sehr erfolgreich unterwegs. Diese Betriebsleitenden sind meist gut ausgebildet, haben einen unternehmerischen Instinkt, sind Kostenfüchse und haben ein Näschen für Trends. Diese Betriebe sind sehr effizient. Anders sieht es bei den restlichen zwei Dritteln aus, was somit dem Gros entspricht. Da werden tiefe Löhne in Kauf genommen. Dies dürfte nicht sein, entspricht aber leider der Realität. Als Bauer wird man in der Regel nicht reich. Viele Betriebsleiter würden in anderen Jobs mehr verdienen, jedoch darf man nicht vergessen, dass die Selbstständigkeit auch viele Möglichkeiten bietet.

Können Sie das ausführen?

Man kann viel Zeit mit der Familie verbringen. Man ist sein eigener Chef und kann viele Aufwände über das Geschäft laufen lassen, was ein Angestellter nicht kann. Es gilt aber: Bauern müssen Unternehmer sein. Betriebe, welche ihre Buchhaltung zeitnah und effektiv führen und die Buchhaltung als Analysetool einsetzen, um den Überblick über den Geldfluss zu behalten, sind erfolgreicher unterwegs.  Ehrlichkeit mit sich selbst ist entscheidend – Probleme nicht beschönigen, sondern frühzeitig Beratung suchen, bevor es zu spät ist. Zum Beispiel bei der Finanzierung eines Traktors über Leasing muss die Auswirkung auf die zukünftige Liquidität bedacht werden, da solche Entscheidungen die finanzielle Flexibilität einschränken können.

Finanzierungen über die Familie kann zu heiklen Situationen führen.

Hans Ulrich Sturzenegger

Was für eine Rolle spielt die Liquiditätsplanung, um kurzfristige Engpässe zu verhindern? Was für Strategien empfehlen Sie hier?

Man sollte sich stets fragen, ob man einen Prozess im Betrieb nicht noch einfacher oder kostengünstiger gestalten könnte.

Inwiefern können familieninterne Kredite oder finanzielle Unterstützungen helfen, und was ist hier zu beachten?

Finanzierungen über die Familie sind weit verbreitet, übrigens auch in kleineren KMU-Betrieben. Dies kann jedoch zu heiklen Situationen führen und birgt stets Konfliktpotenzial. Wenn diese nicht rechtzeitig amortisiert werden und die abtretende Generation beispielsweise in ein Altersheim gehen muss, muss das Darlehen teilweise umgehend zurückfliessen. Dies kann Betriebe und deren Liquidität massiv belasten. Früher, als die ältere Generation noch zuhause gepflegt wurde, war dies weniger problematisch.

Was für langfristige Massnahmen würden Sie Betrieben empfehlen, um wiederkehrende Liquiditätsengpässe zu vermeiden?

Wenn man merkt, dass man in eine problematische Situation gerät, sollte möglichst rasch eine externe Betriebsberatung ins Haus geholt werden.

Kommentare (11)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Hans | 31.12.2024
    Etwa ein Drittel der Schweizer Bauern sind Bauland Bauern. Egal wie der Markt läuft, dise haben alles bezahlt und müssen keine Kredite aufnehmen.
  • Muchel | 29.12.2024
    Könnte es auch sein, das sich das obere Drittel der untersuchten Betriebe ihr Verdienst nicht im primären Sektor erwirtschaftet, sondern im Tertiären? Dann wäre es in erste Linie aber nicht am schlechten wirtschaften des Betriebsleiters, sondern an der mangelnden Wertschöpfung des primären Sektor, das der Betrieb mühe mit dem Einkommen hat.
    Im Dienstleistung Sektor zu arbeiten können aber nicht alle Betriebe, einfach von deren Voraussetzungen her, auch wenn der Betriebsleiter es wollte.

    Bei dem klassischen Ackerbauern ist der Ertrag doch nicht durch abgebrochenen Erntearbeiten eingebrochen. Spielt doch keine Rolle, ob z.B. der Lohnunternehmer mit dem Drescher 1, 2 oder 3 mal an die Parzelle fährt. Es gab nur die Hälfte an Ertrag pro Hektar mit schlechterer Qualität. Das ergibt dann noch weniger als die Hälfte vom Geldertrag, wenn nicht gar Null.
    Der Lohnunternehmer nimmt es aber, auch zu recht, von der Hektar nicht von der geernteten Tonne. Auch sind die ganzen Vorleistungen schon gezahlt. Das Geld ist draussen, nur kommt halt nicht mal die Hälfte rein.

    Das kann ja bei Gemüsebetrieben stimmen mit den Ernteunterbrüchen.

    In diesem Artikel wird alles in einen Topf geschmissen, was wir uns ja gewohnt sind von solchen Spezialisten, umgerührt und dann als wage Antworten widergegeben.
  • chris | 29.12.2024
    Aussage: "Man kann viele Aufwände über den Betrieb laufen lassen". Können Sie, Herr Sturzenegger, mir dies bitte etwas näher ausführen?
    Ich habe bis jetzt jeweils nur die betrieblichen Aufwände über den Betrieb laufen lassen, in der Annahme, dass nur dies korrekt ist.
    Welche Aufwände wollen Sie zusätzlich über den Betrieb abrechnen?
  • Waelchli Urs | 28.12.2024
    Dann soll mir doch mal Herr Sturzenegger erklären, warum ich fpr einen 100% Jib 2800 Arbeitsstunden leisten muss und er in seinem Job zum höheren Jahreslohn wohl mit 1950 effektiven Arbeitsstunden nur einen Bruchteil. Wäre er auch bereit für seinen Lohn 2800 Jahresarbeitsstunden zu leisten? Dabei hätte er noch immer den höheren Stundenlohn als kürzlich vom LID für 2023 veröffentlichen Stundenlohn von 20 Franken der Bauern.
    • Lisser Herrmann | 29.12.2024
      Viele Selbstständige arbeiten mehr als 100 Stunden und verlieren auch noch Geld, dafür hat man andere Vorteile und kann seine Zeit selber einteilen.
  • Weidebauer | 28.12.2024
    Ich gebe Sturzenegger vollumfänglich recht. Nach 30 Jahren in der BZ 4 habe ich meine Million beisammen, aus der Landwirtschaft wohlverstanden!
    Für das beste Drittel muss man sich keine Sorgen machen. Die Mitte könnte mit etwas Anstrengung und Übernahme der Merkmale der Erfolgreichen (unternehmerischer Instinkt, Kostenfuchs etc. ....) auch noch viel besser und dadurch auch stabiler werden. Beim untersten Drittel habe ich kaum Hoffnung. Wie viele Lehrlinge in handwerklichen Berufen schaffen es zum Betriebsleiter?? Vielleicht ein Viertel? In der Landwirtschft hingegen fast alle, d.h. viele sind der Herausforderung als selbständiger Unternehmer ev. gar nicht gewachsen....
    • Muchel | 29.12.2024
      Super, 1 Million auf dem Konto und ein Betrieb, der für die Zukunft bereit ist, dass die nächste Generation an den Erfolg anknüpfen kann. So sollte es wirklich sein.

      Meist ist das aber genau nicht der Fall. Es wurde das Konto vollgemacht, und vergessen den Betrieb weiter zu entwickeln. 30 Jahre Investitionsstau, es reichen aber auch viel weniger und die nächste Generation wird es danken. Ein Gewerbe übernehmen, und dann zuerst einmal kräftig investieren. Dann heisst es, der Vater konnte es noch machen, Du aber nicht mehr.
      Nur ein Bauvorhaben genügt, und alles muss wieder auf den Stand der jetzt geltenden Anforderungen gebracht werden. Der Vater hatte noch von der Bestandes Schutz profitiert.
      Dann fehlt meist genau die Million, die dann auf Vaters Konto ist, oder es fehlen dann eigentlich mehr.

      Wenn die nächste Generation das nötige Geld vorher ausserlandwirtschaftlich verdient hat, alles gut. Das sollte dann aber wieder erwirtschaftet werden, sonst geht die Rechnung wieder nicht auf.
      Eine Generation baut auf, eine lebt, 1 darf dann Investitionen für die letzte und die eigene machen.
    • Lisser Herrmann | 29.12.2024
      Vorallem sind diese angesparten Millionen auf Vaters Konto heute um einiges weniger Wert als sie es vor 40 Jahren waren und mit den Steuern welche er dank seines Geizes mehr gezahlt hat wäre der Betrieb bereits auf einem modernen Stand und würde nicht auseinander fallen. Tja Geiz, Neid und Gier führen seit jeher ins verderben. Es gibt nichts neues unter der Sonne.
    • ueli | 30.12.2024
      Bergzone 4 gibt viel Handarbeit.das stimmt
      deine Million hast du auch von Direktzahlungen..die in BZ 4 da reichlich fliessen.
      da muss man kein guter Unternehmer sein.
  • Dani | 28.12.2024

    Ich frage mich schon lange wo dieses Geld herkommt für neue Ställen Traktoren Wohnmobile Gelendfahrzeuge etz.

    • Fritz | 28.12.2024
      Ich frage mich schon lange, wie man Ferien, schicke Autos, Markenklamotten etc. finanzieren kann, aber heult als würde man auf der Stelle sterben, wenn Brot und Milch 5 Rappen mehr kosten und damit immer noch nicht annähernd kostendeckend bezahlt werden.
      Warum ist für alles Geld da, warum ist man bei allem bereit anständige Preise zu bezahlen, nur bei Lebensmitteln nicht.
      DAS sollte die Frage sein, die man sich stellen sollte.
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