2010 gewann Castel James Jolie von Michel Castella, Sommentier FR, in Cremona (I) den Holstein-EM-Titel und machte ihrem Namen alle Ehre. Er berichtet von 30-jähriger Zuchtarbeit, Leidenschaft und dem gewissen Etwas.
In den ohrenbetäubenden Applaus mischt sich die unverwechselbare Melodie der Schweizer Nationalhymne, und man muss nicht unbedingt Patriot sein, damit einem das Herz bei diesem Ton schneller schlägt und sich ein aufgeregtes Kribbeln im ganzen Körper breit macht. Wenn es nicht der Patriotismus ist, dann die ansteckende Freude und die puren Emotionen im Ring, welche die Zuschauer zahlreicher Nationen zu ein Standing Ovations bewegen. Standing Ovations für die frisch gekürte Europameisterin Castel James Jolie und deren Züchterfamilie Castella. Gut zwei Jahre ist es her, seit die schöne Schwarze an der Holstein-EM in Cremona (I) die Siegesschleife umgehängt bekam.
30 Jahre Zuchtarbeit
Der Sieg in Cremona sei das Resultat langjähriger Zuchtarbeit, erklärt Michel Castella. Natürlich müsse man auch ein kleines bisschen Glück haben, damit sich die Kuh am Stichtag von ihrer besten Seite zeige. Er und sein Vater hätten nie eine Kuh dazugekauft, sondern mit den eigenen Tieren gezüchtet. So erstaunt es nicht, dass 95% der Tiere auf dem Betrieb Castella aus der gleichen Ur-Linie stammen. Seit über 30 Jahre würde er die Stiere für seine Kühe aussuchen und die Anpaarungen planen. Aktuell setzte er unter anderen die Stiere Sterling, Palermo, Millard, Fever und Dempsey ein. Er habe sich eine ausgesprochen gute Zuchtbasis erarbeitet und sehr viel Leidenschaft und Zeit in die Zucht gesteckt. Sein Ziel sei es, eine ökonomische Kuh zu züchten und nicht in eine Ausstellungskuh zu investieren. Mit seinen 40 Holsteinkühen produziert er Gruyère-Milch, wobei der Stalldurchschnitt bei 9300 kg und Gehalten von 4% Fett und 3,3% Eiweiss liegt.
Das «gewisse Etwas»
Er habe viele gute Kühe im Stall, die ihm jeden Tag Freude machen, aber nicht jede davon würde eine Schau gewinnen. Aber dann gibt es noch die Ausnahmekühe wie Europameisterin Jolie, die 2012 auch noch Weltsiegerin wurde, oder die erfolgreiche Stierenmutter Castel James Fleur. Damit man solche Kühe züchten und auch erkennen kann, brauche es das gewisse Etwas, die Intuition, um zu spüren, welcher Stier auf welche Kuh passt und zu sehen, welches Potenzial in den jeweiligen Tieren stecke. Entweder man habe es oder man habe es eben nicht, das gewisse Etwas, sagt Castella überzeugt. Erfolgskuh Jolie habe als Kalb nicht umsonst den Namen Jolie, «Hübsche», erhalten, meint er schmunzelnd. Mittlerweile befinden sich drei Nachkommen von Jolie auf dem Betrieb, weltweit sind es noch mehr, denn die Familie Jolie breitet sich via Embryotransfer auf der ganzen Welt aus. In der Schweizer Landwirtschaft laufe momentan nicht sehr viel, was mit der schwierigen Wirtschaftslage zu tun habe, die Nachfrage aus dem Ausland sei jedoch gut.
EM 2013?
Der sonst so gesprächige Castella wird bei der Frage, ob er auch Kandidatinnen für die EM 2013 habe, plötzlich ganz wortkarg. Einzig, dass er ein, zwei Tiere im Kopf habe, ist aus ihm herauszukitzeln. Natürlich wäre es schön an der EM, die quasi vor der eigenen Haustür stattfindet, teilzunehmen, aber er wolle sich langsam, aber sicher aus dem Schauwesen zurückziehen: «Ich habe mehr erreicht, als ich mir je erhofft habe!» Zwei seiner vier Kinder zeigen mindestens genauso viel Interesse an der Viehzucht wie er, und es sieht so aus, als ob sie in seine Fussstapfen treten wollen, die Chancen, das gewisse Etwas mit auf den Weg bekommen zu haben, stehen jedenfalls nicht schlecht.
Falls Castellas Anfang März im Forum Freiburg mit einer Kuh anzutreffen sind, bedeutet das eine Portion extra Organisation, denn gleichzeitig zur EM 2013 finden vom 1. bis 3 März die Tage der offenen Tür auf dem Hof von Castella statt. Gemeinsam mit Samuel Girard, Philippe Bise und Alain Cornamusaz wird dieser Anlass organisiert. Man wolle den ausländischen Besuchern, die anlässlich der EM in die Schweiz reisen, etwas bieten. Ausserdem sei die Anfrage für Betriebsbesuche während der Zeit der EM sehr hoch gewesen, deshalb bietet sich die Durchführung dieses Anlasses sehr gut an.
Holstein-EM 2013
Im Vorfeld auf die Holstein-Europameisterschaft vom 1. bis 3. März 2013 in Freiburg porträtieren wir in loser Folge alle früheren Schweizer Europameister: Albert Bachmann, Estavayer FR (1996), Christian Menoud, Romanens FR (2004). François Morand, Vuadens FR (2006) sowie Everdes Holstein, Echallens FR, und Michel Castella, Sommentier FR (beide 2010).