Im Süden Afrikas leben noch etwa 100'000 Buschmänner, die meisten von ihnen in Botswana. Gegen den Druck der Regierung kämpfen sie für ihre jahrtausendealten Traditionen.
Erbarmungslos brennt die afrikanische Sonne auf ein Buschmännerdorf im Zentralen Kalahari Wildreservat in Botswana. Frauen sitzen mit Babys auf dem Arm im Schatten der traditionellen Grashütten. Ein Mann zerstampft Mais unter einem der wenigen Bäume, die aus dem weissen Sand ragen. Kleine Kinder jagen Ziegen hinterher, einige grössere Knaben wollen einen störrischen Esel reiten.
Von Regierung umgesiedelt
«Das ist das Land unserer Vorfahren», sagt Kesebonye Roy. Der Buschmann lebt in dem Fünfzig-Seelen-Dorf Molapo. «Wenn jemand krank wird, gehen wir zur Grabstätte seiner Vorfahren und bitten sie um Hilfe», sagt der 29-Jährige. Buschmänner zählen zu den ältesten Völkern im südlichen Afrika. Sie werden auch San oder Basarwa genannt. Heute gibt es in Botswana, Namibia, Südafrika und Angola noch etwa 100'000 von ihnen.
Molapo haben die Buschmänner wieder neu aufgebaut. Sie waren meist gegen ihren Willen von den Behörden in drei Lager am Rande des Wildreservats umgesiedelt worden. «Die Regierung sagte uns, dass wir nicht in der Umgebung von wilden Tieren und Diamantenminen leben könnten», sagt der 85-jährige Roy Sesana.
In den Augen vieler Botswaner gelten sie als primitiv
Aktivisten vermuten, die Regierung wolle so verhindern, dass die Buschmänner Diamantenfunde auf dem Land ihrer Vorfahren für sich beanspruchen. Die Behörden bestreiten dies. Die Umsiedlung diene dazu, die Buschmänner in die moderne Gesellschaft einzugliedern. In den Augen vieler Botswaner gelten sie als primitiv. Diamanten machen etwa 80 Prozent von Botswanas Exporteinkommen aus.
Mehr als 3000 Buschmänner mussten ihre Heimatdörfer verlassen. Sie kamen in Siedlungen wie New Xade. «Meine Frau wurde nach New Xade gebracht, während ich weg war», sagt Sesana. «Als ich sie in unser Dorf zurückholen wollte, wurde ich von der Polizei verprügelt und die Behörden nahmen uns unsere Ziegen weg.» New Xade hat etwa 1500 Einwohner, eine Schule, ein Ärztezentrum und mehrere Geschäfte.
Recht, auf Land zu bleiben
Trotz der Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation sehnen sich viele nach ihrer jahrtausendealten traditionellen Lebensweise. Im Jahr 2006 sprach der Oberste Gerichtshof des Landes den Buschmännern das Recht zu, auf dem Boden ihrer Vorfahren zu bleiben.
Die Regierung legte das Urteil in ihrem Interesse aus und erlaubte nur jenen die Rückkehr, die eine entsprechende Petition unterzeichnet hatten: Weniger als 200 Buschmänner durften in ihre Dörfer in den entlegenen Gebieten des 53'000 Quadratkilometer grossen Reservats zurückkehren.
Sesana ist einer von ihnen. Er wohnt wieder in Molapo, verbringt aber auch viel Zeit in New Xade.
Spirituelle Verbindung zu ihrem Land
Auch dort lebten die Buschmänner in traditionellen Grashütten statt in modernen Häusern, erzählt er. Viele kämen mit dem neuen Leben nicht zurecht und fingen an zu trinken. «Die meisten haben ihr Geld für Alkohol verschwendet», sagt Sesana. In New Xade gibt es kaum Arbeit, die meisten Bewohner leben von Sozialhilfe.
«Buschmänner sind mit ihrem Land spirituell verbunden. Es zu verlieren würde ihre Identität zerstören», sagt Fiona Watson von der Bewegung für indigene Völker «Survival International». Sie wollten dort leben, wo ihre Ahnen begraben liegen. Der Aktivist Jumanda Gaklebone stimmt zu: «Wenn wir nicht in die Heimat unserer Vorfahren zurückkehren dürfen, wird es bald in Botswana keine Buschmänner mehr geben.»
Touristenführer und Geschichtenerzähler
Die Regierung versuche weiter, die Buschmänner in die Lager zu drängen. So dürften Angehörige Buschmänner nicht ohne Erlaubnis im Wildreservat besuchen, sagen Aktivisten. Zudem sei das Volk auf Regenwasser angewiesen, weil die Behörden kein Wasser ins Reservat transportieren wollten.
Der Druck der modernen Welt hat auch in Molapo Spuren hinterlassen. Aus den einstigen Jägern und Sammlern sind Hirten geworden. Viele Buschmänner arbeiten ausserhalb des Reservats als Landarbeiter oder Touristenführer. Doch nicht alles hat sich verändert: Nachts, wenn Grillenzirpen die kühler werdende Luft erfüllt, sitzen die Buschmänner unter dem nächtlichen Sternenhimmel am Lagerfeuer und erzählen sich wie jeher Geschichten.