/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

Das kostet eine CO2-neutrale Schweiz

 

Auf dem Weg zur CO2-neutralen Energieversorgung der Schweiz können verschiedene Pfade eingeschlagen werden. Aber welche davon sind realistisch umsetzbar? Welche Energiespeicher sind nötig – und was kostet uns das alles? Professor Andreas Züttel hat eine fundierte Vergleichsrechnung aufgestellt.

 

Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral werden, so lautet ein Beschluss des Bundesrates vom August 2019, der als langfristige Klimastrategie im Januar 2021 verabschiedet wurde. Doch was bedeutet das in der Praxis? Auf welchem Wege sind diese Ziele erreichbar, was braucht es dazu und was kostet das?

 

Andras Züttel, Leiter des «Laboratory of Materials for Renewable Energy» (LMER) in Sion, eines gemeinsamen Forschungslabors der Empa und der EPFL, hat nun zusammen mit dem ehemaligen Empa-Direktor Louis Schlapbach und weiteren Kollegen eine detaillierte Rechnung angestellt und im Fachblatt «Frontiers in Energy Research» veröffentlicht.

 

Elektrisch, Wasserstoff oder Synfuels?

 

Die Forscher rechneten drei verschiedene Szenarien durch und verglichen das mit den heutigen Energiekosten von jährlich rund 3000 Franken pro Einwohner. Die erste Herausforderung ist es, die Schweizer Atomkraftwerke zu ersetzen, die bis 2050 abgeschaltet werden sollen – in allen Szenarien. Allein dies erfordert eine solare Dachfläche von 16 Quadratmetern pro Kopf der Schweizer Bevölkerung.

 

Für jeden Einwohner braucht es zudem eine Speicherbatterie von 9 Kilowattstunden (kWh), um den tagsüber geernteten Solarstrom für die Nacht zu speichern. Zusätzlich sind vier Pumpspeicherkraftwerke von der Grösse des Kraftwerkes «Grande Dixence» im Wallis nötig, um den Sommerstrom in den Winter zu speichern. Diese Grundannahmen gelten für jedes Szenario.

 

Jedes Jahr einen neuen Staudamm

 

Wenn alle Autos und Lastwagen elektrisch fahren und alle Gebäude mit (elektrischen) Wärmepumpen beheizt werden, steigt der Strombedarf um knapp 1000 Watt pro Kopf.
Empa

 

Aus rein energetischer Sicht sei es am effizientesten, die gesamte Energieversorgung zu elektrifizieren, sagt Andreas Züttel. Wenn alle Autos und Lastwagen elektrisch fahren und alle Gebäude mit (elektrischen) Wärmepumpen beheizt werden, steigt der dafür notwendige Strombedarf nur um knapp 1000 Watt pro Kopf – gegenüber dem heutigen elektrischen Energieverbrauch. Um diese Energiemenge zu erzeugen, bräuchte die Schweiz 48 Quadratmeter Solarfläche pro Kopf, das entspricht dreimal der verfügbaren Dachfläche der Schweiz.

 

Zusätzlich ist eine 26 kWh-Speicherbatterie pro Kopf und zur Sommer-Winter-Speicherung zusätzlich 13 Pumpspeicherkraftwerke der Dimension «Grande Dixence» vonnöten. Energieforscher Züttel rechnet vor: «Wenn wir sofort anfangen, müssten wir bis ins Jahr 2035 jedes Jahr eine neue Staumauer bauen. Aber wir haben schlicht nicht genug geeignete Täler im Land für solch eine Grössenordnung.»

 

25 Gotthard-Röhren voller Wasserstoff

 

Für Szenario Nummer 2 bräuchte man daher 116 Quadratmeter Solarflächen pro Kopf der Bevölkerung – und eine Tag-Nacht-Speicherbatterie von 57 kWh pro Kopf.
Empa

 

Die zweite Möglichkeit wäre eine Wasserstoffwirtschaft. Doch klimaneutraler Wasserstoff wird aus Solarstrom erzeugt, und bei der Umwandlung geht ein Teil der Energie verloren. Für Szenario Nummer 2 bräuchte man daher 116 Quadratmeter Solarflächen pro Kopf der Bevölkerung – und eine Tag-Nacht-Speicherbatterie von 57 kWh pro Kopf. Dann könnte man mit Wasserstoff Autos, Lastwagen und Busse antreiben und mit katalytischen Brennern alle Gebäude beheizen.

 

Zusätzliche Stauseen bräuchte es für diese Variante nicht, doch der im Sommer erzeugte Wasserstoff muss bei 200 bar Druck in unterirdischen Kavernen gespeichert werden. Züttel rechnet: «Wir bräuchten ein Speichervolumen von 57 Millionen Kubikmetern – das ist etwa 25 Mal der Gotthard Basistunnel.» Die Energiekosten für diese Variante würden um rund 50 Prozent steigen, also von heute 3000 Franken pro Kopf auf rund 4400 Franken pro Kopf und Jahr.

 

Synfuels: 12-mal die Dachfläche der Schweiz

 

Variante drei ist eine Versorgung des ganzen Landes mit synthetischen Treibstoffen («Synfuels») aus Ökostrom.
Empa

 

Variante drei ist eine Versorgung des ganzen Landes mit synthetischen Treibstoffen («Synfuels») aus Ökostrom. Hausbesitzer dürften ihre Öl- und Gasheizungen weiterbetreiben; Autobesitzer würden auch in Zukunft Diesel, Benzin oder Gas tanken. Selbst Kerosin für Ferienflieger ist in dieser Rechnung enthalten. In Szenario 1 und 2 wären für Flugtreibstoffe jeweils 33 Quadratmeter Solarfläche pro Kopf zusätzlich notwendig.

 

Neue Stauseen oder unterirdische Wasserstoffkavernen wären hierfür nicht nötig. Doch für dieses Szenario müssten 4,5 Prozent der Schweizer Landesfläche mit Solarzellen bedeckt werden – das ist 12-mal mehr als die heute verfügbare Dachfläche. Eine Speicherbatterie von 109 kWh pro Kopf wäre zudem nötig, um die gewaltige Menge an Solarstrom mittags einzuspeichern und für die chemische Industrie verfügbar zu machen, die daraus zunächst Wasserstoff und dann Synfuels herstellt. Die Energiekosten würden sich mehr als verdreifachen – von heute 3000 Franken pro Kopf auf 9600 Franken pro Kopf und Jahr.

 

Kein nationaler Alleingang möglich

 

Züttel weist darauf hin, dass nicht jeder beliebige Energiepreis auch ökonomisch tragbar ist. «Seit Beginn des Industriezeitalters vor gut 200 Jahren ist die Wirtschaftsleistung jedes Landes an die Verfügbarkeit von Energie gekoppelt. Doch fürs Wachstum darf Primärenergie nicht mehr als 40 Rappen pro kWh kosten, sonst arbeitet die Industrie mit Verlust», sagt der Forscher.

 

«Wir müssen uns also von der Vorstellung verabschieden, dass wir unseren gesamten Energiebedarf mit im Inland erzeugter, erneuerbarer Energie decken können.» Daher empfiehlt Züttel den globalen Blick: In Gegenden wie die Sahara oder in Australien sei die Sonneneinstrahlung so hoch, dass Synfuels um ein Drittel billiger erzeugt werden können. Züttels Fazit: «Wir können auf eine globale Energie-Logistik auch in Zukunft nicht verzichten.»

Kommentare (10)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Ingeniör | 20.02.2022
    Ich finde es eine riesige Verschwendung, in der Schweiz Sonnenenergie zu nutzen. Ich lebe in einem Land, wo die Sonnenscheindauer doppelt so hoch liegt wie in der Schweiz. Hier macht es viel mehr Sinn, diesen ganzen Aufwand zu betreiben, um Sonnenkollektoren herzustellen. Der Abbau von Silizium und die Herstellung von Photovoltaik-Anlagen ist ja auch nicht gratis und zusammen mit den nötigen Batterien wird mehr Energie verbraucht als hergestellt wird, vor allem in der Schweiz.
    • Kollege, realistisch | 20.02.2022
      Alles richtig. Aber sobald nationale Interessen eines politisch fragilen Produktionslandes vorhanden sind, ist die Versorgung nicht mehr gewährleistet. Ein Regierungswechsel reicht. Deshalb ist eine genügend hohe Selbstversorgung anzustreben.
      Solar kann mithelfen, ev. um Wasserreserven vom Sommer in den Winter zu speichern, ist aber nicht grundlastfähig.
  • Hausverstand | 20.02.2022
    Es scheint niemand in Frage zu stellen, ob CO2-Neutralistät sinnvoll ist. 1. ist die Abhängigkeit von Erdtemperaturerhöhung und CO2-Anstieg nicht wissenschaftlich belegt und basiert auf einer Annahme, ähnlich dem C-Virus. Zweitens ist der Einfluss des von Mensch produzierten CO2 nicht wissenschaftlich belegt. Und darauf baut man nun eine noch wahnwitzigere Energiewende auf. Wie kann man nur so naiv und kindlich agieren? Und das sind unsere Eliten, dann Prost Mahlzeit!
    • Kollege, realistisch | 20.02.2022
      Dieser Umstand ist unter der gegebenen politischen Situation nicht diskutabel. Aufgrund einer manipulierten (der 97% Cook Studie) Meinung wurde entschieden, dass CO2 den Untergang der Menschheit bewirkt. Diesem Entscheid können auch Realisten nichts entgegensetzen, sie werden diffamiert.
      Man muss nun halt unter diesen (falschen) Rahmenbedingungen weitermachen, ist idiotisch aber derzeit die einzige Möglichkeit.
  • Gesunder Menschenverstand | 20.02.2022
    Der Kollege scheint noch gesunder Menschenverstand zu haben, anders als ein Grossteil unserer Politiker!
  • Kollege, elektrisch | 20.02.2022
    Wir haben ein E-Auto angeschafft. Nicht weil wir grün sind, sondern weil das zurzeit noch günstiger ist, als mit besteuertem Treibstoff zu fahren.
    Fazit: Als Pendler zur Arbeit (2x30km) und sonstige Fahrten braucht man p.M. ca. 400 kW/h.
    In unserem Fall fast eine Verdoppelung des Strombedarfs. Soll aller Verkehr elektrisch sein, müssen 2 AKW her.
    • Kollege, elektrisch | 20.02.2022
      Zudem wird der Strombedarf infolge Zuwanderung, Wärmepumpen statt Öl, usw. steigen. Eine Reduktion des Verbrauchs ist illusorisch. Die 2 AKW braucht es nicht als Ersatz, sondern zusätzlich, d.h. die bestehenden AKW müssen nicht abgebrochen, sondern modernisiert und erhalten bleiben.
    • Kollege, elektrisch | 20.02.2022
      Als Solaranlagenbetreiber kenne ich die Schwächen von PV Strom. Falls in der CH nur noch PV und Windstrom produziert werden soll, braucht es einen gigantischen Zubau von PV und Speicheranlagen. Die Energie für den Winter muss im Sommer produziert und gespeichert werden.
      Da reicht Sommarugas laues Lüftchen nicht aus.
    • Kollege, energetisch autark | 20.02.2022
      Aufgrund der fortschrittsfeindlichen linken Politik die leider über die Mitte reicht, verpassen wir (bzw. haben wir bereits verpasst) den Zeitpunkt für eine sichere Energieversorgung in der Zukunft.
      Ich überlasse unsere Energieversorgung nicht mehr politischen Traumtänzerinnen.
  • Gesunder Menschenverstand | 19.02.2022
    Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral werden, so lautet der unüberlegte Beschluss des Bundesrates.
    CO2 -neutrale Schweiz ist weder nötig, noch sinnvoll, und wird uns das Genick brechen!

Das Wetter heute in

Umfrage

Lässt Ihr Trockenfutter produzieren?

  • Ja, aus Gras:
    5.74%
  • Ja, aus Mais:
    9.74%
  • Ja, aus Gras und Mais:
    8.87%
  • Nein:
    75.65%

Teilnehmer insgesamt: 1150

Zur Aktuellen Umfrage

Bekanntschaften

Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?