Eine ständerätliche Kommission hält aufgrund der Währungsentwicklung eine Anpassung der Verkäsungszulage für notwendig.
Adrian Haldimann
Die Milchproduktion ist der bedeutendste und standortgerechteste Betriebszweig der Schweizer Landwirtschaft, heisst es einleitend in der Begründung der Motion «Stärkung der Milchproduktion im Grasland Schweiz». Sie wurde von der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben eingereicht. Die Motion fordert den Bundesrat auf, mit der Agrarpolitik 2030+ die Rahmenbedingungen für die Milchproduktion zu verbessern, um sie wieder attraktiver zu machen.
Der Bundesrat erkenne die zentrale Rolle der Milchwirtschaft für die Schweizer Landwirtschaft sowie deren Herausforderungen durch Marktliberalisierung und internen Wettbewerbsdruck an, schreibt er in seiner Stellungnahme. Er wollte jedoch keine branchenspezifischen Sonderlösungen schaffen und empfahl, die Motion abzulehnen. Die Abstimmung fiel dann doch deutlich aus.
Wertschöpfungsanteil von 28 Prozent
Die Milchbranche ist mit einem Wertschöpfungsanteil von 28 Prozent der wichtigste Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft, sagte Nationalrat Martin Hübscher (SVP/ZH) im Namen der Kommission, die die Motion mit 13 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen hat. Über 100’000 Arbeitsplätze hängen direkt von der Milchbranche ab, die jährlich 3,4 Milliarden Kilo Milch zu verschiedensten Produkten verarbeitet.
Trotz eines Selbstversorgungsgrads von 104 Prozent ist die Branche stark exportabhängig, heisst es in der Motionsbegründung. Der steigende Importdruck macht die Milchpreise anfällig für globale Markt- und Währungsschwankungen. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen für Milchbauern durch agrarpolitische Veränderungen verschlechtert, was zu sinkenden Einkommen und Betriebsaufgaben führt.
Verkäsungszulage hat Wirkung verloren
Durch den immer stärker werdenden Franken hat die 1999 eingeführte Verkäsungszulage ihre Wirkung verloren, führt Hübscher weiter aus. Eine Anpassung dieser Zulage hält die Kommission daher für notwendig. Im Vergleich zu anderen, stärker geschützten Sektoren erzielt die Milchwirtschaft tiefere Einkommen und ist vom stärksten Strukturwandel betroffen. «17’000 Milchbetriebe haben seit der neuen Milchmarktordnung (2009) die Tore geschlossen», sagte Hübscher. Dennoch sei die Schweiz mit 80 Prozent Grasland hervorragend für die Milchproduktion geeignet. Gemäss der Motion sollen insbesondere folgende Regelungen verbessert werden:
- Die Verkäsungszulage soll an die heutigen Rahmenbedingungen angepasst werden.
- Die Regelungen zur Absatzförderungen sollen gestärkt werden.
- Die staatlichen Unterstützungsmassnahmen sollen wieder vermehrt auf die arbeitsintensive Produktion von Lebensmitteln ausgerichtet werden.
Minderheit befürchtet verzerrten Wettbewerb
Im Namen der Minderheit führte Jürg Grossen die Argumente der Motionsgegner an. Die Minderheit anerkennt zwar die Bedeutung der Milchwirtschaft, lehnt die Motion aber ab, da sie weder zielführend noch ausgewogen sei. Die Motion nenne keine konkreten Schritte zur Verbesserung der Wertschöpfung oder Wettbewerbsfähigkeit, was zu ineffizienten Massnahmen führen könnte, so ein Argument der Minderheit.
Eine einseitige Förderung der Milchbranche könnte andere landwirtschaftliche Sektoren benachteiligen und den Wettbewerb verzerren. «Statt spezifische Sektoren zu fördern, sollten wir eine ganzheitliche Agrarpolitik verfolgen, die auf Nachhaltigkeit, Innovation und Marktorientierung setzt», sagte Grossen.
Bundesrat wollte keine Sonderbehandlung
Der Bundesrat verwiess in seiner Stellungnahme auf die Motion 23.4515, die im Rahmen der Agrarpolitik 2030+, die ein ähnliches Anliegen verfolgt. Diese Motion fordert eine generelle Stärkung der Wertschöpfung und der Einkommen in der gesamten Agrar- und Ernährungskette, ohne dass dabei ein einzelner Sektor bevorzugt wird.
Der Bundesrat lehnte es ab, im Rahmen der AP30+ einen einzelnen Sektor gesondert zu behandeln. Er betonte jedoch, dass die Milchbranche aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bei der Ausarbeitung der AP30+ besonders berücksichtigt werde.
Die Argumente des Bundesrates und der Kommissionsminderheit konnten die grosse Kammer nicht überzeugen. Der Nationalrat hat die Motion am Dienstag mit 108 zu 64 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen. Da der Ständerat die Motion bereits mit grosser Mehrheit (39 zu 1 Stimmen) angenommen hat , wird sie für den Bundesrat verbindlich.
Der 1. Satz ist falsch. Die Landwirtschaft soll nicht unterstützt werden. Die Frage müsste lauten: Welche Landwirtschaft wollen wir? Oder noch besser: Welche Landwirtschaft brauchen wir?
Grosse spezialisierte Betriebe mit 100 oder mehr Kühen – oder viele kleinere Betriebe mit 15–30 Kühen, die arbeitsintensiv, aber tief in Landschaft und Gesellschaft verankert sind?
Aus meiner Sicht braucht es eine Landwirtschaftspolitik, die kleinere und mittlere Strukturen gezielt stärkt. Denn genau dort ist die Landwirtschaft oft sozial besonders engagiert, landschaftlich wertvoll – und doch wirtschaftlich am meisten unter Druck. Diese Betriebe leisten viel, tragen hohe Verantwortung – und sollen trotzdem nicht nur knapp überleben, sondern eine Perspektive haben: existenzsichernd und entwicklungsfähig. Wer alles selber macht, muss sich Ferien und Stellvertretung leisten können – das gehört zur Realität eines modernen Berufsbilds.
Der Strukturwandel schreitet unaufhaltsam voran – grosse wachsen, kleine verschwinden. Doch eines muss uns bewusst sein: Einmal vollzogener Strukturwandel ist nicht rückgängig zu machen. Wenn traditionelle, kleinteilige Strukturen wegfallen, verlieren wir mehr als Produktionsstätten – wir verlieren Lebensräume, Generationenwissen und regionale Vielfalt.
Es geht nicht nur um den Milchpreis/Wertschöpfung. Es geht um faire Rahmenbedingungen für Menschen, die mit Herzblut und Verantwortung Landwirtschaft betreiben – und davon leben können.