Die drei Geschwister der Familie Abbühl werden während sechs Schulwochen auf der Alp Seeberg durch die pensionierte Lehrerin Susanne von Gunten unterrichtet. Als Schulzimmer dient ein alter Wohnwagen ohne Strom.
«Warum isch das fautsch, Susanne?», fragt die neunjährige Loana ihre Lehrerin. Sie sitzt hinter dem Laptop und tippt einen Text über die Haselmaus ein. Neben ihr sitzen ihre jüngeren Geschwister Lorena und Jonas. Dass die Lehrerin geduzt wird, während des Unterrichts Berndeutsch gesprochen wird und gleich drei Geschwister im gleichen Schulzimmer sitzen, ist wohl ein Einzelfall. So wie auch das Schulhaus nur ein Zimmer, keine Kaffeemaschine und keinen Strom hat, es ist eben ein Wohnwagen.
Alpschule im Wohnwagen
Die Alp Seeberg liegt mit dem Auto rund eine Dreiviertelstunde vom Talbetrieb und somit auch vom Schulhaus in Weissenburg entfernt. Die Kinder täglich nach unten zu chauffieren oder sie während der Woche bei einer anderen Familie zu platzieren, ist für Michael und Andrea Abbühl keine Option. Als Loana im Sommer 2011 in die erste Klasse kam, wurde zum ersten Mal auf dem Seeberg unterrichtet, damals noch am Küchentisch des Alprestaurants, auch Wohnzimmertisch oder Stammtisch genannt.
Schnell wurde klar, dass eine andere Lösung gesucht werden musste. Andrea hat sie in Form eines alten Wohnwagens gefunden. Eine Eckbank und ein grosser Tisch sowie eine kleine Kommode sind das ganze Inventar, an der Wand hängen bereits viele Zeichnungen von den beiden Kleineren. Lorena kommt in die erste Klasse, Jonas in das zweite Kindergartenjahr.
Dispens bewilligt
15 Halbtage für Alpdispens kann der Schulleiter bewilligen. Sobald die Kinder eine längere Zeit nicht in der Schule sein können, müssen die Eltern ein Gesuch um Unterricht in einer Alpschule stellen. Dieses wird vom Inspektorat des Kantons Bern bewilligt. Abbühls Kinder werden nun vor und nach den Sommerferien je drei Wochen auf dem Seeberg unterrichtet. Die Eltern sind froh, dass sich Schulleiter Bernhard Wüthrich für sie einsetzt und sie unterstützt.
Pensionierte Lehrerin
Unterrichtet werden die drei von Susanne von Gunten aus Erlenbach. Sie hat 42-jährige Erfahrung und trat im Jahr 2013 in den Ruhestand. Doch als sie von Abbühls angefragt wurde, musste sie nicht zweimal überlegen. «Ich brauche Abwechslung, zudem hat mich die Alpschule schon immer fasziniert!», schwärmt sie. «Das Interesse und die Begeisterung der Kinder erfreuen mich täglich», führt sie aus, auch gefällt ihr der Familienanschluss. Der Unterricht beginnt um acht Uhr. Um halb elf Uhr ist Mittagspause, denn da sind noch wenige Gäste im Restaurant. Gemeinsam mit dem Rest der Familie stärken sich die Kinder und auch die Lehrerin. Um halb zwölf geht es weiter bis um ein Uhr. «Das Spiel als Abschluss macht immer besonderen Spass», freut sich Loana.
Doch es gibt auch schwierige Punkte aus dem Blickwinkel von Susanne von Gunten: «Es ist schade, dass die Eltern finanziell nicht unterstützt werden. Wir wollen doch alle, dass die Alpen bewirtschaftet werden, mit schulpflichtigen Kindern ist dies jedoch sehr schwierig!»
Die Wahl des Natur-Mensch-Mitwelt (NMM)-Themas geschah nicht ganz zufällig. Bei einem Brätliplatz entdeckte Loana ein ihr unbekanntes Tier. Eine Frau, wusste Rat: Es war eine Haselmaus. Die damals noch fremde Frau ist heute ihre Lehrerin. Computer sind heute ein wichtiger Bestandteil auch in der Alpschule. Und auch ohne Strom werden Rechtschreibfehler rot unterstrichen. «Übrigens, das NMM-Thema gefällt mir am besten», strahlt Loana.
Abbühls Betrieb
Familie: Michael und Andrea Abbühl mit Loana (9), Lorena (6) und Jonas (5). Generationengemeinschaft mit den Eltern Ernst und Marlise (u.a. zuständig für das Restaurant) und Bruder Niklaus mit Frau Ivana (bewirtschaften im Sommer den Talbetrieb, Ivana hilft während der Ferien und an den Wochenenden im Restaurant mit). Betrieb Hübeli: Bergzone 2 und 3, 40 ha, 60 GVE; Seeberg: total 450ha, 280ha werden bewirtschaftet, 50 Kühe, 80 Rinder, 40 Schweine, 9 Tonnen Käse werden produziert, zwei weitere Anstösser bewirtschaften die Alp Seeberg.