Seit zehn Jahren öffnen Irene und Hansueli Klopfenstein ihre Alphütte für Gäste, die bei der Alpkäseherstellung dabeisein möchten. Neben Gästen aus aller Welt freuen sie sich auch über Besuch von Berufskollegen und Familien.
Normalerweise ist Hansueli Klopfenstein gerade mit dem Melken fertig, wenn die Gäste bei seiner Hütte auf der Alp Seewlen eintreffen. «Manchmal sind wir aber auch schon lange am Käsen, wenn die letzten ankommen», erzählt der Bauer.
Alp mit Aussicht
Die meisten Gäste nehmen von der Lenk aufs Laubbärgli den Kleinbus von Taxihalter Roland Oehrli, der unterwegs unterhaltsam über Geografie, Ortsnamen und Geschichte zu berichten weiss. Vom heimeligen Restaurant Laubbärgli bis zur Hütte auf Unter Seewlen ist es dann zwar nicht mehr weit.
Aber die Blumenpracht am Wegrand und die Aussicht, die vom Wildstrubel weit über die Lenk bis zu den Gastlosen reicht, sind einem schnellen Fortkommen im Weg. Hansueli Klopfenstein, der sich selbst nach vielen Alpsommern immer wieder über das Panorama freut, machen verspätete Gäste nichts aus. «Ich erkläre den Leuten dann einfach, was bisher geschah.»
Jeder Griff sitzt
Dass Irene und Hansueli Klopfenstein etwas aus der Ruhe bringen könnte, ist sowieso schwer vorstellbar. Ruhig erklären sie die Arbeitsgänge, während sie Hand in Hand arbeiten. Sobald das 660-Liter-Käsekessi vom Feuer gezogen worden ist, wird das Rührwerk gewaschen und versorgt, etwas Schotte als Kultur für den nächsten Tag beiseite gestellt, die geronnene und gebrochene Milch, die hier «Britsche» heisst, in sauberen Tüchern aus der Schotte gehoben, in Järbe gefüllt und vor dem Pressen mit warmer Schotte eingeschwemmt – so kühlt die Käsemasse langsamer ab und bleibt schön geschmeidig.
Und dann heisst es Arbeitsgeräte, Küche und Kessel putzen, «denn Ordnung und Sauberkeit sind beim Käsen oberstes Gebot». Jeder Griff sitzt, alle Bewegungen sind aufeinander abgestimmt, elegant wie bei einem Tanz – oder eben bei sehr gutem Handwerk.
4,5 bis 5 Tonnen Berner Oberländer Alpkäse
Eindrücklich ist auch das Resultat dieser Arbeit: «4,5 bis 5 Tonnen Berner Oberländer Alpkäse AOP stellen wir jeden Alpsommer in zwölf Wochen allein in unserem Senntum her», erklärt Hansueli Klopfenstein; «dafür verarbeiten wir 45'000 bis 50'000 Kilo Milch.» Dazu kommen etliche kleine Geisskäse für den Eigenbedarf und für Liebhaber.
Nebenan im Stall käuen ruhig die 47 Kühe, der Stier, vier Ziegen mit zwei Gitzi und ein paar Kälber wieder. Nur die wenigen Rinder, die gemeinsam mit den beiden anderen Sennten der Seewlenalp versorgt werden, sind noch auf der Weide. «Tagsüber bleiben die Kühe wegen der Fliegen gern im Stall», erklärt der Bauer der nicht-bäuerlichen Besucherin und Rahel Rösti vom Tourismusbüro, die an diesem Tag auch als Besuch gekommen ist. «Und ich habe die Tiere gern im Stall, damit ich den Mist gezielt einsetzen und so den Ertrag auf der Alp gleichmässig hoch halten kann.»
Werte vermitteln
Im Käsekeller bürstet und schmiert Zusennin Margit Geiger den Käse. Sie ist in Süddeutschland auf einem Betrieb mit Milchkühen aufgewachsen und erfüllt sich mit dem Alpsommer den lang gehegten Wunsch, bei der Herstellung ihrer Lieblingskäsesorte mitzuarbeiten. Auch hier steht dem Besuch die Türe offen. «Uns ist wichtig, dass die Leute sehen, wie der Käse entsteht, und so den Wert des Lebensmittels erkennen», sagt Irene Klopfenstein.
Für manche Besucher ist die Alpkäserei Neuland. So habe kürzlich ein kleiner Junge besorgt nach dem Ablaufdatum gefragt, als Irene Klopfenstein den letzten sorgsam gehegten Hobelkäse von 2012 aus dem Keller holte. Oft bringen aber Familien und Schulklassen aus der Stadt schon viel Vorwissen mit. Und bisweilen stehen auch Bauern im Publikum. Gleich ist bei allen Besuchern das lebhafte Interesse, und sie stellen immer neue Fragen. Zum Abschluss gibt es einen Apéro mit Käse und Brot. Wer mag, kann Käse kaufen oder die Tiere im Stall besuchen – und einzelne lassen sich vom Charme der reinen Simmentaler so einnehmen, dass sie eine Kuh für den Sommer mieten.
Kultur teilen
Hansueli Klopfenstein ist stolz auf die 142 Hektaren gut gepflegte Weiden der Genossenschaftsalp Seewlen, die immer so gut besetzt werden können, dass sogar Land zugekauft oder mit Wald abgetauscht wurde. Und er kennt die Alp wie seinen Hosensack, hat er doch hier schon 1970 als kleiner «Statterbub» den beiden alten Sennen geholfen.
Nur 1988 bis 2004 hat die Familie eine Pause eingelegt, als der Hof im Tal grösser wurde und die Kinder zur Schule und in die Lehre gingen. Seit 2005 trägt nun der älteste Sohn die Hauptverantwortung fürs Heuen im Tal, sodass Irene und Hansueli Klopfenstein wieder z’Bärg können. Gäste durften erstmals 2006 beim Käsen zuschauen – zunächst auf Anfrage vom Hotel Lenkerhof. Und seit einigen Jahren steht das Angebot im Rahmen des Programms «AlpKultur» jeden Dienstag und Donnerstag allen offen, die sich bis am Vortag beim Tourismusbüro Lenk angemeldet haben.
«Abgesehen vom Apéro machen wir alles gleich, ob nun Besucher da sind oder nicht», sagt Irene Klopfenstein. «Das entspricht der Idee von AlpKultur», erklärt Rahel Rösti, die bei Lenk-Simmental Tourismus für das Angebot verantwortlich ist. «Leute von hier lassen Gäste an ihrem Alltag teilhaben. So kommt es zu Begegnungen und Erlebnissen, die zu einmaligen Erinnerungen werden.»