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Der «achte Bundesrat» geht Ende Jahr

«Meine Macht ist beschränkt, aber ich habe etwas Einfluss»: Diese Worte stellt Bundeskanzler Walter Thurnherr über seinen Auftritt auf der offiziellen Webseite der Landesregierung. Am Mittwoch hat der inoffiziell achte Bundesrat seinen Rücktritt angekündigt.

Als achten Bundesrat sieht sich Thurnherr indes nicht, wie er auf seiner offiziellen Webseite schreibt. Der Achte im Bild ist er allemal auf dem offiziellen Foto der sieben Regierungsmitglieder. Er könne vermitteln oder steuern, er koordiniere und mache Vorschläge, umschreibt er seine «beschränkte Macht». Und mit kritischen Gedanken, etwa zur Aussenpolitik, hält er nicht hinter dem Berg.

«Zu viele ‹Kompetenzstürmereien›»

An der Medienkonferenz kritisierte Thurnherr das «Silo-Denken» in den Departementen. Die Angestellten müssten lernen, dass sie für die Bundesverwaltung als Gesamtes arbeiteten – und nicht alleine für den Departementschef.

Er habe eigentlich mehr Ambitionen gehabt, dieses Silo-Denken zu überwinden, sagte Thurnherr auf die Frage, was ihm ihn seiner Amtszeit nicht gelungen sei. «Doch das Silo-Denken ist immer noch da, es hat eventuell sogar zugenommen.» Lustigerweise funktioniere es in Krisenzeiten manchmal sehr viel besser. Dann merkten die Leute, dass keine Zeit für solche Federführungsprobleme vorhanden sei. «Wir haben zu viele ‹Kompetenzstürmereien›, die nicht nötig sind.»

Noch keine Pläne für Zukunft

Was er nach seiner Karriere als Bundeskanzler machen wird, weiss er noch nicht.  Für ihn gebe es auch Dinge neben der Politik, die ihn interessierten. «Es gibt sehr intelligente Leute ausserhalb Berns», sagte Thurnherr vor den Medien. Dieser Kontakt nach aussen habe ihm auch in seiner Funktion als Bundeskanzler geholfen. Er habe beispielsweise den Kontakt zur Wissenschaft immer geliebt.

Bevor er sich um seine persönliche Zukunft kümmere, wolle er zuerst sauber die Dinge beenden, die er mitverantworte. Thurnherr nannte etwa die Planung der Wahlen, der nächsten Legislatur, verschiedene Strategien und Projekte. Er wünscht sich einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin mit guten Kenntnissen über die Verwaltung und die politischen Prozesse. Zudem müsse die Person führen können, mehrsprachig sein und genug Zeit zum Arbeiten haben.

Fatalismus statt Aufbruch

Anders als vor 34 Jahren bei seinem Eintritt in die Bundesverwaltung sei der Spirit im Land, so Thurnherr. Die Aufbruchstimmung sei von einer fatalistischen Stimmung abgelöst worden. Viele hätten sich damit abgefunden, dass die Situation nicht besser werde, sondern schlechter.

Thurnherr appellierte an die Gesellschaft, zu gewissen Dingen Sorge zu tragen. Die Voraussetzungen für den sozialen Ausgleich müssten gesichert bleiben. Die Aussicht auf die kommenden Jahrzehnte könne einen aber etwas skeptisch machen.

Lange Karriere beim Bund

Thurnherr ist seit Anfang 2016 Bundeskanzler und damit Stabschef des Bundesrates. Er nimmt zusammen mit den Vizekanzlern André Simonazzi – der Bundesratssprecher – und Viktor Rossi an der wöchentlichen Bundesratssitzung teil, hat beratende Stimme und kann Anträge stellen. Ende Jahr, am Ende der laufenden und von Krisen geprägten Legislatur, will er nun gehen, nach einer langen Karriere beim Bund.

Nach dem Studium der theoretischen Physik an der ETH Zürich trat der heute 60-Jährige zweifache Vater 1989 in den diplomatischen Dienst ein. Er arbeitete in Bern, Moskau und New York. 1997 wurde Thurnherr persönlicher Mitarbeiter des damaligen Aussenministers Flavio Cotti (Mitte/TI). Ab 2002 war er Generalsekretär in drei Departementen.

Zunächst übte er diese Funktion unter Joseph Deiss (Mitte) und dann unter Mitte-Bundesrätin Doris Leuthard aus – zuerst im Aussendepartement und ab 2003 im Volkswirtschaftsdepartement. 2011 folgte er Leuthard ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek).

Baustelle E-Voting

2015 wählte die Vereinigte Bundesversammlung Thurnherr zum Nachfolger von Corina Casanova – schon sie gehörte der Mitte-Partei an. Er war einziger nominierter Kandidat. Ihren Anspruch auf den Sitz des Bundeskanzlers hatte die damalige CVP mit ihrer Funktion als «Ausgleichspartei» begründet.

Eine Baustelle hat die Bundeskanzlei namentlich beim Digitalisierungsprojekt E-Voting, das Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer nachfragen, um in der Heimat mit abstimmen und wählen zu können. Auch Blinde und Sehbehinderte sind an der Möglichkeit interessiert, elektronisch abzustimmen.

Im Wahljahr 2019 kam nach über 300 Versuchen in 15 Kantonen ein Rückschlag: Der Bundesrat stoppte wegen Sicherheitsbedenken das E-Voting, und die Post zog ihr System zurück. Auch der Kanton Genf wollte sein System nicht mehr weiterentwickeln.

Neustart für E-Voting-Versuche

Knapp vier Jahre später haben neue Versuche mit E-Voting begonnen, nachdem die Post ihr System weiterentwickelt hat, auch mithilfe ethischer Hacker. In den Kantonen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau durften insgesamt 65’000 Stimmberechtigte, darunter Auslandschweizer, im Juni die virtuelle Urne erstmals wieder benutzen.

Dieselben drei Kantone dürfen auch bei den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober elektronische Urnen anbieten. Diese Bewilligung erteilte der Bundesrat just am Mittwoch, unter anderem für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Wie im Juni sind rund 65’000 Stimmberechtigte zu dem Versuch zugelassen.

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