Die Schweiz liegt weltweit auf Platz 1 bei den Patentanmeldungen pro Kopf. Für Innovationen ist offenbar unser Land ein gutes Pflaster. Dies gilt auch für Entwicklungen in der Landtechnik, wie das folgende Beispiel zeigt.
Andi Reichenbach in Hausen am Albis ZH ist gelernter Baumschulist und Landwirt. Auf seinem Baumschulbetrieb mit 14 ha werden vor allem winterharte Gartenpflanzen produziert. Reichenbach bezeichnet sich selbst als «Visionär», immer schon suchte er für die täglichen Arbeiten neue technische Lösungen.
Problem Hanglage
Sonderkulturen sind arbeits- und personalintensiv. Dies gilt insbesondere für die Baumschule Reichenbach, werden doch über 800 Pflanzenarten auf kleinstrukturierten Parzellen teils in Hanglage bewirtschaftet. Radgetriebene Trägerfahrzeuge übernehmen zwar schon länger viele anfallende Arbeiten vom Düngen, Säen, Hacken, Spritzen, Mulchen und bis zum Ernten, dies vor allem aber in der Ebene. Für Hanglagen jedoch sind diese oft schweren Maschinen ungeeignet. Da es in der Schweiz relativ wenige Baumschulen gibt, ist das Interesse für teure Spezialmaschinen gering.
2010 reifte bei Andi Reichenbach der Entschluss, selber ein solches Fahrzeug zu entwickeln. Das Ziel war es, einen hangtauglichen Geräteträger zu konstruieren. Dieser sollte schmal und leicht sein, einen tiefen Schwerpunkt, geringen Bodendruck und eine grosse Hydraulikleistung aufweisen. Beim Hacken sollte es möglich sein, 8 ha in 1 Tag zu bearbeiten.
In Teamarbeit entstanden
So weit so gut. Andi Reichenbach war aber klar, dass er für das Vorhaben professionelle technische Hilfe brauchte. In Anton Zimmermann, Mechatroniker, und Matthias Linder, Maschinentechniker, fand er die richtigen Fachleute. 2014 entstanden die ersten konkreten Vorstellungen, wie die Maschine aussehen sollte. In anspruchsvoller Teamarbeit entstand im Spätherbst 2016 der erste Prototyp des multifunktionalen Geräteträgers «Flunick» (Name zusammengesetzt aus Flurin und Nick, den beiden Söhnen von Andi Reichenbach).
Die ersten «Freilandversuche» erfolgten im Mai 2017, und im Winter 2017/18 wurde der Prototyp fertiggestellt. Die Maschine wurde dann an der ÖGA 2018 ausgestellt, und man meldete das Projekt zum Agropreis an. Viele positive Rückmeldungen von kritischen Beobachtern bezeugen, dass die Erbauer auf dem richtigen Weg sind. Die zukünftige Weiterentwicklung und Kleinserienproduktion erfolgen bei der Firma Semesis AG in Uster, einer Gründung durch die drei Team-Mitglieder und weiteren zwei Fachpersonen aus dem Bereich Maschinenbau.
Ein Alleskönner
Der Geräteträger mit extrem tiefem Schwerpunkt besteht aus zwei baugleichen, synchron arbeitenden Einheiten auf Gummiraupen, welche den Bodendruck auf 246 g/cm2 beschränken. Je ein 30-PS-Motor treibt diese und die Hydraulikmotoren an. Der minimale Reihenabstand beträgt 50cm und die Spurweite lässt sich von 150 bis 250cm stufenlos einstellen. Kulturen bis zu 230 cm Höhe können überfahren werden, dies auch in Hanglagen.
Einsatzgebiete sind Landwirtschaft, Weinbau, Gemüsebau und Baumschulen. Nebst Hackwerkzeugen kann eine ganze Reihe von Zusatzgeräten an fünf Anbauräumen angebaut werden, wie Pflanzgeräte, Düngerstreuer, Spritze, Querhacke und Erdbohrer. Wo sinnvoll und nötig übernehmen Sensoren die Steuerung, z.B. beim Hacken. Die Lenkung erfolgt per Funk und über GPS. Dies werde genaues Arbeiten auf +/– 1 cm erlauben.