Die Familie Fuhrer verarbeitet den eigenen Mist zu wertvoller Wurmerde. Deren Vorzüge möchten sie bekannter machen.
Das Panorama lädt zum Verweilen ein. In Aeschi bei Spiez BE geniesst der Besucher eine fantastische Sicht auf den Thunersee, die Alpen und den Niesen. Dass es sich in diesem Dorf gut leben lässt, zeigen auch die zahlreichen Neubauten, die wie Pilze aus dem Boden schiessen. Dass auf knapp 1000 mü.M. der grösste «Arbeitgeber» der Schweiz zu Hause ist, wissen aber nur die wenigsten.
Nur wenige Anlagen
Die Familie Fuhrer bewirtschaftet ihren Betrieb nach biologischen Kriterien. Sie halten 22 Milchkühe verschiedener Rassen. «Wir sind keine Züchter», sagt Esther Fuhrer lächelnd. Zudem werden Rinder ausgemästet. 2007 kam im Kandertal die Idee auf, Würmer zu züchten, die anstelle von Fischmehl an die Störfische der Tropenhaus Frutigen AG verfüttert werden könnten. Angestossen von dieser Idee, haben Fuhrers einen Weg gesucht, die Produktion von Würmern und Wurmerde technisch und arbeitswirtschaftlich zu optimieren. 2009 konstruierte Hans Fuhrer einen Prototyp.
«Die Würmer haben wir auf dem Miststock eingesammelt», erzählt Fuhrer. Das Prinzip der Wurmerde sei nicht neu, fährt er fort. Aber diese Produzenten hätten die Mieten am Boden angelegt. Die Würmer würden sich hier von oben nach unten durchfressen. Bei Fuhrers hingegen geschieht dies in umgekehrter Richtung. Dazu hat er 2010 in Eigenregie einen Tunnel gebaut. «Wenn das Wurmgeschäft floppen würde, könnte ich diesen als Stall oder Einstellhalle benützen», fährt er fort. Investiert hat er rund 150'000 Franken. Zudem hat er die Möglichkeit, den Tunnel zu verlängern, sollte sich das Geschäft weiter positiv entwickeln.
Eigene Konstruktion
Die Produktion von Wurmerde war bisher langwierig und kaum technisierbar. Die Innovation ist speziell und schweizweit einzigartig. Das Substrat liegt rund 1,20 Meter über dem Boden in einer von Fuhrer eigens erfundenen Konstruktion. «Ich habe ein altes Palettenregal ersteigert», erklärt der Berner Oberländer. Damit der Mist nicht zu Boden fällt, baute er ein Drahtgeflecht ein.
Die Würmer fressen sich von unten nach oben durch. Die Sauerstoffversorgung ist durch sein System immer gewährleistet. Der Kot der Würmer, die wertvolle Wurmerde, fällt durch das Gitter hindurch auf den Betonboden. Mit einer Winde wird diese alle zwei bis drei Tage zusammengeschoben, gesiebt und anschliessend in Säcke abgefüllt.
«Wir beschäftigen vier bis sechs Millionen Würmer. Damit sind wir der grösste Arbeitgeber der Schweiz», lächelt Fuhrer. Die Mistschicht ist rund 30 Zentimeter dick. Je nachdem, wie schnell die Würmer arbeiten, kann er mit dem Hoflader neues Substrat von oben in die Konstruktion einfüllen. Nebst dem hofeigenen Kuhmist wird nur noch Steinmehl beigemischt. In gut zwei Monaten haben die Tiere eine Schicht von rund 50 Zentimetern Dicke verarbeitet. Pro Jahr werden 250m3 eigener Mist zu Wurmerde verarbeitet. Den Bedarf an Festmist für seine 22 Hektaren Land deckt er durch einen Abnahmevertrag mit dem Nachbarn.
Kann System regulieren
Der eigene Kuhmist wird vor dem Einfüllen vorkompostiert, um die Anzahl Fliegen und Mücken zu reduzieren und vor allem, um Samen von Unkräutern zu vernichten. Die Würmerpopulation verdoppelt sich innert 90 Tagen. «Die Natur regelt alles selbst», betont Hans Fuhrer. Über die Parameter Temperatur, Feuchtigkeit und Mist kann er die Vermehrung der Würmer sowie die Wurmerde-Produktion regulieren. Deshalb hat er in die Konstruktion Heizschläuche eingebaut, da bei zu tiefen Temperaturen die Würmer ihre Tätigkeit einstellen. Seine Anlage hat ein Potenzial von rund 125'000 Litern pro Jahr, 2013 beträgt die Menge rund 50'000 Liter.
Verkauft wird die Erde in 5- und 10-Liter-Säcken oder offen ab Hof. Grosskunden wie Baumschulen oder Gartencenter beziehen die Wurmerde in Bigbags. Rund 20 Prozent der Menge werden über den Direktverkauf ab Hof abgesetzt, die restlichen 80 Prozent beziehen Wiederverkäufer. 1 Liter Wurmerde schlägt für den Privatkunden mit bis zu Fr. 2.80 zu Buche.
Humusaufbauend
Die Vorteile des Substrats liegen in den Hauptnährstoffen, der Krümelstruktur, in den Tonmineralien und den aktiven Mikroorganismen, welche die Bodenqualität verbessern. Zudem ist Wurmerde im Gegensatz zu Mineraldünger nicht humuszehrend, sondern humusaufbauend und somit CO2-bindend.
«Im Projekt ‹Wurmstall› steckt viel Herzblut. Wir müssen vom Kunstdünger wegkommen», betont Fuhrer. «Ich möchte die Bevölkerung dazu sensibilisieren. Eigentlich kann jeder Wurmerde produzieren. Wir machen es für jene, die nicht die Möglichkeit dazu haben», fährt er fort.
Lizenzsystem geplant
Teilweise müsse er noch Überzeugungsarbeit leisten, da einige Kunden glaubten, in der Erde steckten noch Würmer. Sein Projekt will er bekannter machen und die Anzahl Wiederverkaufsstellen (derzeit 17) erhöhen. «Wir gehen aber Schritt um Schritt», hält Fuhrer fest. Sechs bis acht Anlagen schweizweit wären optimal.
Ihm schweben weitere Produzenten vor, die in Lizenz Fuhrers Wurmerde produzieren und über ihn vermarkten. Auch das Verarbeiten von Mist aus konventionellen Betrieben wäre möglich. Angst vor Nachahmern hat er nicht. «Unsere Qualität können diese nicht erreichen», lächelt der innovative Berner verschmitzt.