Den Schlipfechäs aus dem Appenzell geniesst man am besten, nachdem man ihn eine Nacht in Salzwasser gelegt hat. Heute ist er wieder beliebt, nachdem er zeitweise gar verpönt war.
Die Seealp und der dazugehörende Seealpsee im Alpstein sind im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel für Familien und Wanderer. Mitten in einer idyllischen Landschaft am Ende des Sees liegt die Seealpkäserei, wo im Sommer während 100 Tagen von Anfang Juni bis Anfang September fast Tag und Nacht emsig gearbeitet wird. Denn dort betreiben Daniela und Hans Gmünder die Käserei, die unter vielen anderen Käsen auch den traditionellen Schlipfechäs herstellt.
Einst der Käse armer Leute
Im Gespräch mit Daniela und Hans Gmünder wird sofort klar, wie wichtig ihnen der Schlipfechäs ist. "Dieser Käse war früher eine Speise der armen Leute", erklären sie. "Die Milch war vorhanden, der Käse konnte einfach hergestellt und danach sofort gegessen werden. So war er ein ideales und auch verhältnismässig günstiges Nahrungsmittel."
Für die beiden ist es eine Herzensangelegenheit, die lange Tradition des Schlipfechäses zu pflegen und dadurch zu erhalten. Deshalb sind sie auch bei Slow Food dabei und freuen sich, dass dieser Käse zum kulinarischen Erbe gehört.
Geheimnis der Käser
Bei der Produktion verwenden Daniela und Hans Gmünder Rohmilch. Auf die Frage, wie stark er die Milch bei der Produktion erhitze, lacht Hans Gmünder verschmitzt und sagt: "Das verrate ich nicht. Denn das ist die Kunst und das Geheimnis jedes Käsers." Sicher ist allerdings, dass die Temperatur irgendwo bei 30 Grad liegt. Da es sich um Frischkäse handelt, muss Gmünder noch vorsichtiger arbeiten als sonst, denn dieser Käse ist sehr empfindlich.
Beim Käsebruch achtet er darauf, dass dieser wiederum nicht zu warm wird und nicht zu lange im Kessi liegt, weil der Käse dadurch zu hart würde. "Generell gilt, dass er weniger lang in der Produktion ist, damit ihm nicht zu viel Wasser entzogen wird." Für die weitere Behandlung betont er, dass der Schlipfechäs oft gedreht werden müsse. Wie andere Käse auch kommt er für einige Stunden ins Salzbad. "Bereits nach einem Tag ist er fertig und kann konsumiert werden."
Käse für Geduldige
Allerdings muss der Konsument vor dem Verzehr doch noch etwas Geduld haben. "Damit der Käse schön weich wird, muss man ihn in Scheiben schneiden und über Nacht in Salzwasser einlegen", sagt Hans Gmünder. "Am besten wäre es, wenn diese Scheiben senkrecht stehen würden, weil sie sonst gerne aneinander kleben bleiben. Zu lange dürfen sie aber nicht darin liegen, weil sich der Käse sonst auflösen würde."
Durch dieses Salzwasser wird der Käse schlüpfrig, woher auch sein Name stammt. Danach stehen der Fantasie für den Verzehr alle Türen und Tore offen. Da der Schlipfechäs wenig Eigengeschmack hat, eignet er sich zusammen mit Gewürzen nach eigener Wahl, mit einem geschmackvollen Öl, zu Fleisch oder einem Tomatensalat, aber auch mit Süssem. Haltbar ist er bis zu drei Wochen. "Wir selber geniessen diesen Käse praktisch jeden Tag und haben auch nach so vielen Jahren immer noch Spass daran."
Wenige Produzenten
Die Vorzüge des Schlipfechäs haben auch viele Konsumenten wieder entdeckt. Gmünders freuen sich, dass er wieder viel stärker gefragt ist als noch vor einigen Jahren. "In den Neunzigerjahren war er verpönt", erzählt Hans Gmünder. "Zudem waren die Lebensmittelkontrolleure misstrauisch, weil bei diesem jungen Käse die Gefahr von schlechten Bakterien gross ist, wenn man nicht sauber arbeitet. Inzwischen hat sich diese Einstellung aber verändert und wir konnten seinen Ruf aufbessern." Mit "wir“ meint er einige wenige Käser im Appenzellerland, die diesen Käse noch herstellen. "Kommt dazu, dass der Rohmilchkäse allgemein wieder mehr im Trend ist", meint Gmünder.
Auf der Alp hängengeblieben
Hans Gmünder ist 1995 auf die Seealp gekommen. Vor neun Jahren stiess die Hilfskraft Daniela Gollbach dazu. Sie hatte dermassen Freude an der Arbeit, dass sie wiederkam, einen Käserkurs absolvieren konnte und im dritten Sommer mit Hans Gmünder sogar eine Familie gründete. "Ohne die Alp könnte ich nicht mehr sein", sagt die gebürtige Singerin, aber auch Schweizerin. "Obwohl die Tage sehr lang sind, viel Arbeit ansteht und uns auch unsere beiden kleinen Kinder brauchen, ist die Alpsaison die schönste Zeit des Jahres."
Viele Stammkunden
Die Tradition des Schlipfechäs hat Hans Gmünder von seinem Vater kennen und schätzen gelernt. Seitdem hat er seine Käserei zuerst selber und heute zusammen mit seiner Frau zu einem Geschäft ausgebaut. Schlipfechäs produzieren sie durchschnittlich zweimal in der Woche mit 200 bis 250 Liter Milch. Sie liefern ihn in Käsefachgeschäfte, Restaurant und Hotels im Appenzellerland. Wichtig ist aber auch die Direktvermarktung auf der Alp.
"Unterdessen haben wir viele Stammkunden, die ihren Käse im Sommer bei uns auf der Seealp kaufen", freuen sie sich. Denn andere Sorten wie der Alpkäse, Mutschli natur, aber auch mit eigenem Bärlauch oder Schnittlauch und vielem mehr kommen dazu. Die Milch kommt von sechs der sieben Alpen auf der Seealp und den Kühe, die sie selbst betreuen. Pro Jahr gibt das gut und gerne 7‘000 bis 8‘000 Kilo Käse. Dazu kommt noch der Ziegenkäse, den sie unter anderem aus der Milch der eigenen Ziegen herstellen.