Was mit der erzwungenen Liberalisierung des Genetikmarktes vor gut 20 Jahren begann, soll von einer neuen Generation weitergeführt werden. Samuel Oehninger suchte Angus-Sperma und kaufte jetzt eine Genetikfirma.
«Als ich 1966 gerade 6 Jahre alt war und mehrere Zöllner aus Bern in unser Bauernhaus eindrangen und meinem Vater und Viehinspektor die Frage stellten: Wo ist der Montbéliarde-Stier in Juriens VD versteckt?, begriff ich schlagartig, dass unsere heile Dorfwelt und Bern nicht dasselbe sind», sagt Christian Grandjean rückblickend auf sein seit Kindheit auf die Verbesserung der Viehzucht ausgerichtetes Leben.
La Guerre des Vaches
Damit spricht der Gründer des Genetikanbieters Distrigene SA die 1960er-Jahre an, wo in seinem Nachbardorf Premier VD junge, mit den zähmelkigen Simmentalerkühen unzufriedene Bauern wie Etienne Candaux nachts in Jutesäcken Kälber der Rasse Montbéliarde über die Grenze schmuggelten. Unter dem Druck der unzufriedenen Züchter und der Medien kam es vor 50 Jahren zu einer ersten Liberalisierung mit der Aufhebung der Rassengrenzen. So wurde 1966 die Fédération des sélectionneurs de bétail bovin (FSBB) gegründet.
Einkreuzung ab 1968
Was auf Druck als wissenschaftlich begleiteter Einkreuzungsversuch mit Holstein- und Red-Holstein-Sperma 1968 im Kanton Freiburg begann, wurde 1971 zwar auf das ganze Rassegebiet ausgedehnt, jedoch limitiert auf einen Drittel des deckfähigen Bestandes (Aufdruck auf KB-Karte) und auf maximal drei Viertel Blutanteil beim Rotfleckvieh beschränkt.
Dies bot erneut Konfliktpotenzial. Der Fleckviehzuchtverband ging mit progressiven Einkreuzern vor Gericht, weil in den Ställen schon bald 7/8-eingekreuzte Kälber identifiziert, wurden. Aber auch die Stierenauswahl wurde immer mehr eingeschränkt (Fire, Triple), was zu immer grösserem Unmut führte. Für Auswahlfreiheit setzte sich nebst dem Red-Holstein-Komitee in den 1980er-Jahren auch Jean-Louis Schrago ein, der in Nordamerika ABC Genetics gründete und selber Sperma importierte.
Liberalisierung ab 1996
«Anfang der 1990er-Jahre begann die Polizei verstärkt nach illegalen Spermacontainern auf den Höfen zu suchen», erinnert sich Christian Grandjean und blättert in Zeitungsberichten: «Über einen der Betroffenen, den zweisprachigen Walter Rufer in Rossemaison JU, hatten wir Welsche dann Kontakte zu Deutschschweizern wie dem Nichtherdebuchzüchter Roland Zürcher in Holziken AG», sagt Grandjean voller Stolz auf die Zusammenarbeit über den Röstigraben hinweg.
Simagena in Paris 1995
Der Auftritt an der Simagena im Februar 1995 in Paris mit dem Sieg von Reystar Flo-Red und der Berichterstattung im «Schweizer Bauer» habe erneut Bewegung gebracht. Der Besuch der Ausstellung sei im Gegensatz zu den Zuchtverbänden mit privaten Sponsoren unter der Leitung von Ernst Schnyder in Grenchen SO organisiert worden. Einige Züchter wie die Familie Rey in Les Verrières NE erklärten ihren Austritt aus dem Herdebuch und schlossen sich mit fast 200 Züchtern unter Federführung von Ernst Schnyder zum Red-Holstein-Zuchtverband zusammen. Der Holsteinzuchtverband in Grangeneuve reagierte und nahm Überläufer auf, am Schluss fast alle.
Private Initiativen
In Puplinge GE gründete die Familie Baumgartner mit Genfer Investoren zusammen Select Star, die erste private KB-Station. «1996 war dann auch der Startschuss, um meine Firma Distrigene SA offiziell zu gründen», erklärt Christian Grandjean. Er bekam die Vertriebsrechte von American Breeders Service (ABS) für die Schweiz.
«Stolz bin ich, Stiere wie Kite RC oder den Jahrhundertstier Shottle in die Schweiz gebracht zu haben», sagt Grandjean. Dieser sei als veraltete Genetik von Verbandsseite abgelehnt worden. Im Genomikzeitalter habe er grossen Erfolg mit Dorcy gehabt, jetzt mit dessen Grosssöhnen über Mogul wie Silver und Commander. Gefragt seien auch Monterey und Bourbon. Mit OKafféine RC und Sirwood von den Europa-Siegerinnen OKalibra und Galys-Vray, biete Distrigene auch Genetik «made in Switzerland».
Oehninger übernimmt
Dass Samuel Oehninger aus Aristau AG Distrigene und die Vertriebsrechte von ABS übernommen hat, ist kein Zufall: «Als engagierter Angus-Züchter habe ich mich nach dem Studium für die besten amerikanischen Angusstiere interessiert und alle grossen Stationen angefragt. Bei mir meldete sich ein einziger, nämlich Christian Grandjean. Er hörte zu und organisierte mir RockNAmbush», sagt Samuel Oehninger. Ein Stier, welcher notabene später in Kanada pro Dose 500 Dollar kostete. Diesen Service habe er sehr geschätzt und deshalb gelte für ihn stets das Motto: Der Züchter soll auswählen dürfen!
Für Wahlfreiheit kämpfen
«Für diese Wahlfreiheit werde ich mich voll und ganz einsetzen», bekräftigt Oehninger. Dabei denkt er an den Gegenwind, den Spermaanbieter in der Schweiz spüren, konkret an neue, «versteckte» Schikanen. Dass mit dem Einzug der Genomik die Zuchtverbände von Privaten angebotene Genomstiere nur mit Abstammungszuchtwerten rechnen, sei angesichts von über 20 Millionen Franken Bundesgeldern nicht richtig, kritisiert Oehninger. Ohne Umrechnung würden Züchter fehlgeleitet und könnten Stiere verpassen wie einst Shottle. «Es erstaunt deshalb nicht, dass Züchter immer mehr mit praxiserprobten nordamerikanischen Zuchtwerten rechnen», weiss Oehninger: «Ein Landwirt kauft seinen Traktor auch lieber nach den PS, die dieser auf Zapfwelle und Boden bringt». So erstaune es nicht, dass sich immer mehr Schweizer Milchproduzenten an amerikanischen Genomzuchtwerten orientierten. Bei tiefen Milchpreisen setzten diese wie die Amerikaner auf produktive und fitte Systemkühe mit hoher Fruchtbarkeit und Futtereffizienz, statt auf schöne «Papiere».
«Für eine Stieren-Registrierung mit Umrechnung der Genomzuchtwerte in Schweizer Zuchtwerte fallen mir (für eine dreiminütige Umrechnung) bis zu 7600 Franken Gebühren an.» Dies sei überrissen und angesichts des vielfältigen Stierenangebotes unverhältnismässig, erklärt Oehninger. Distrigene biete als Dienstleister nebst Spermadosen von Milchstieren auch alle Fleischrassen, Vollweidegenetik, reine Simmentaler und Original Braunvieh an.