Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser verteidigte am Donnerstag am Rande des Treffens der EU-Innenministerinnen und -minister in Luxemburg die am Montag verkündete Wiedereinführung der Grenzkontrollen gegenüber Tschechien, Polen und der Schweiz. Die Politikerin begründete dies mit den hohen Zahlen an Flüchtlingen und Migrantinnen.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider zeigte in Luxemburg Verständnis für die deutsche Innenministerin. Sie verstehe die von Faeser ergriffenen Massnahmen angesichts der Kritik in ihrem Lande, vor allem nach dem schrecklichen Unfall. Die Bundesrätin dürfte auf einen Unfall in Bayern anspielen, wo ein mutmassliches Schleuserfahrzeug auf der Flucht vor der Polizei verunglückte. Sieben Menschen kamen dabei ums Leben, darunter auch ein Baby.
Von der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf die Grenzkontrollen zur Schweiz angesprochen, meinte die deutsche Innenministerin, diese seien nur «partiell und lageangepasst». Ausserdem handle es sich lediglich um eine Übergangslösung. Es gehe in erster Linie um die Bekämpfung der Schleuserkriminalität, sagte sie weiter. Denn nahezu jeder vierte Asylbewerber komme mit Hilfe von Schleusern nach Deutschland.
Grenzwachtkorps im Tessin verstärkt
Bereits am Montag hatten Faeser und Baume-Schneider deswegen miteinander telefoniert. Und auch am Donnerstag in Luxemburg fanden die beiden Politikerinnen Zeit für ein bilaterales Treffen.
Die beiden Ministerinnen betonten, dass der Alltag von Pendlern, der Handel und der Reiseverkehr durch die Massnahmen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden sollen. «Wir haben Übung mit Österreich darin. Das funktioniert sehr gut, und das wird auch mit der Schweiz hervorragend funktionieren», versicherte Faeser.
Selber will die Schweiz jedoch keine strikten Kontrollen an ihren Aussengrenzen einführen – auch nicht gegenüber Italien. Das bestätigte die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), die für Schengen zuständig ist.
Hingegen wurde das Grenzwachtkorps im Tessin bereits personell aufgestockt. Verstärkte punktuelle Kontrollen genügten zurzeit, sagte Baume-Schneider weiter. Zudem äusserte sie ihre Zweifel, dass Grenzkontrollen Migrantinnen und Flüchtlinge wirksam davon abhalten können weiterzuziehen.
Letzte Rettung Migrationspaket
Eine Verbesserung der Situation im Schengen-Raum erhofft sich Faeser vor allem vom gemeinsamen EU-Asyl- und Migrationspaket und weiteren Massnahmen. Diese müssen aber alle noch die letzten Hürden im EU-Gesetzgebungsprozess überwinden. Die EJPD-Vorsteherin appellierte an die EU, endlich vorwärts zu machen, «damit die Freiheiten im Schengen-Raum beibehalten werden können».
Dabei handelt es sich um ein ganzes Bündel an Massnahmen, das unter anderem den Aussengrenzschutz stärken und die Verfahren an den Aussengrenzen beschleunigen soll. Nur so, bekräftigen Politikerinnen und Politiker in der EU, könne der Schengen-Raum, zu dem auch die Schweiz gehört, gerettet werden.
Doch das scheint nicht so richtig zu funktionieren. Ohne Slowenien haben gemäss einer Webseite der EU-Kommission bereits zehn Schengen-Staaten Grenzkontrollen zu einem oder mehren Nachbarstaaten eingeführt – nämlich Frankreich, Italien, Österreich, Deutschland, Norwegen, Tschechien, Polen, die Slowakei, Schweden und Dänemark. Der Schengen-Raum selbst besteht aus 23 EU-Staaten und den vier Nicht-EU-Staaten Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island.
Die deutsche Innenministerin betonte, dass wenn die Massnahmen dereinst umgesetzt seien, man wieder mit offenen Grenzen arbeiten könne. «Das ist unser aller Ziel. Das haben wir auch nicht aus den Augen verloren», sagte Faeser. Auch Baume-Schneider gab sich optimistisch. Sie habe unter den EU-Staaten den Willen gespürt, den Schengen-Raum zu bewahren.

