Deutschland ist in der Europäischen Union nach Frankreich und mit grossem Abstand vor Polen und Rumänien der zweitgrösste Getreideproduzent. Die Deutschen sahen es als eine Selbstverständlichkeit an, dass ihre Landwirtschaft stets genug Getreide produziert, um ihre gesamte Bevölkerung zu versorgen.
Wie «Agrarheute» berichtet, war in letzter Zeit einzig das Jahr 2018 die Ausnahme, als die massive Dürre die Erträge senkte und damals 4 Millionen Tonnen Getreide, das entspricht 10 Prozent der in Deutschland erforderlichen Menge, fehlten.
Unvollständige Versorgung
Nach den Berechnungen und Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) lag der deutsche Selbstversorgungsgrad bei Getreide insgesamt im vorigen Jahr bei etwa 107 Prozent. Laut «Agrarheute» lag im Jahr 2023 in Deutschland die Selbstversorgung bei dem wichtigsten Getreide zur menschlichen Ernährung, dem Weichweizen, bei 128 Prozent. Beim wichtigsten Futtergetreide, der Gerste, lag die Selbstversorgungsrate bei 129 Prozent. So weit, so gut, anders sieht die Situation jedoch bei Hartweizen, der für die Herstellung von Teigwaren verwendet wird, sowie – für die menschliche Ernährung ebenfalls von Bedeutung – dem Hafer und dem Roggen aus.
Beim Hartweizen sind die Deutschen, wie auch zum Beispiel die Schweiz, am meisten von Importen abhängig. Während beim Hartweizen trotz vermehrtem Anbau auf deutschem Boden der Selbstversorgungsgrad weiterhin nur bei 17 Prozent ist, können sich die Deutschen beim Roggen zuletzt wieder zu fast 100 Prozent selbst versorgen. Beim Hafer wurden 85 Prozent der in Deutschland benötigten Menge im eigenen Land produziert, so «Agrarheute».
Futtergetreideanteil hoch
Der grösste Anteil der deutschen Getreideernte wird nicht direkt von Menschen konsumiert, sondern zuerst durch ein Tier veredelt und anschliessend als Fleisch konsumiert. Nicht weniger als knapp 23 Millionen Tonnen Getreide oder 58 Prozent der gesamten deutschen Ernte fliessen nach den Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft in die Futtertröge der deutschen Tiere. Rund 11 Millionen Tonnen des produzierten deutschen Getreides werden in der Energiegewinnung verbraucht. Durch den fortschreitenden Klimawandel werden in Zukunft Extremwetterereignisse zunehmen.
Trotz sinkender Produktion lag der Selbstversorgungsgrad bei Getreide insgesamt im vorigen Jahr bei rund 107 Prozent.
Schweizer Bauer
Dürreperioden, wie es sie zuletzt in den Sommern 2019 oder 2022 gegeben hat, werden häufiger auftreten. Die Niederschlagsverteilung wird sich laut Prognosen in Zukunft ebenfalls verändern und sich zunehmend auf den Winter konzentrieren. Die Gefahr starker Gewitter steigt ebenfalls. Zusammen mit den Trends der Agrarpolitik der EU, welche eine stete Extensivierung vorsieht, stimmt dies die deutschen Landwirte wenig optimistisch, dass die deutsche Getreideproduktion langfristig wieder die Menge erreicht, welche bis Mitte der 2010er-Jahre (siehe Grafik) Standard war.
Grosse Lücke
Nach den Schätzungen des Deutschen Raiffeisenverbandes ernteten deutsche Bauern im Jahr 2024 etwa 39,1 Millionen Tonnen Getreide – verbraucht wurden jedoch 40,5 Millionen Tonnen. Es klafft rein rechnerisch also eine Lücke in der Getreideversorgung von 1,4 Millionen Tonnen.