Landwirt und Kantonsrat Martin Haab (SVP, ZH) ist Mitglied des Referendumskomitees gegen die Agrarpolitik 2014–2017. Er sieht bei der Basis eine andere Stimmung als bei den Eliten der Verbände.
«Schweizer Bauer»: Zahlreiche Verbände sind gegen ein Referendum zur Agrarpolitik 2014– 2017 (AP 2017). Wie soll das mit dem Referendum gut kommen?
Martin Haab: Mehrere Verbandsspitzen haben sich dagegen ausgesprochen. An der Basis jedoch ist die Stimmung anders. Und dies betrifft sowohl ÖLN-, IP-Suisse- als auch Bio-Betriebe. Denn die AP 2017 ist ein grosser Systemwechsel, der die produzierende Landwirtschaft ganz entscheidend schwächt. Als die Direktzahlungen vor zwanzig Jahren eingeführt wurden, sollten sie sicherstellen, dass trotz tieferer Marktpreise in der Schweiz weiterhin Lebensmittel produziert werden können. Mit der AP 2017 aber machen die Beiträge für Öko-Dienstleistungen bald zwei Drittel des Direktzahlungsbudgets aus. Halten wir uns vor Augen: Wenn in der Schweiz weniger produziert wird, steigen die Lebensmittel-Importe.
Doch einige Landwirte versprechen sich viel von der neuen Agrarpolitik und gehen auch davon aus, dass sie mehr Beiträge erhalten.
In der letzten «SonntagsZeitung» wurde ja dargestellt, dass dies höchstens für Betriebe im Jurabogen und im Graubünden der Fall sein könnte. Also dort, wo schon heute relativ viele Direktzahlungen hinfliessen.
Es ist aber so, dass die Landwirtschaft sich nicht einig ist.
Solange dies das beste Argument ist, um sich nicht gegen eine grundlegende Agrarreform zu wehren, muss die Politik nur schauen, dass sie die Bauern vordergründig spalten kann, indem sie einigen Bauern etwas mehr in Aussicht stellt. Der Milchmarkt hat es offenbar vorgemacht.
Jetzt sind ja die Verordnungen in der Anhörung. Da lassen sich doch noch wichtige Korrekturen anbringen.
Daran zu glauben, ist blauäugig, ja vermessen. Die Erfahrung von früheren Reformrunden zeigt, dass auf Stufe der Verordnungen kaum noch Korrekturen zugunsten der produzierenden Landwirtschaft erfolgen. Im Gegenteil, auch die Verordnungsentwürfe enttäuschen aus produzierender bäuerlicher Sicht. Die Raus- und BTS-Beiträge für Milchkühe werden nicht erhöht. Und was bei der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion geplant ist, widerspricht der Wissenschaft, was die effiziente Fütterung von Kühen betrifft. Weltweit wird Silomais als perfekte Ergänzung zum Gras betrachtet.
Das Parlament kann aber bereits bei der Agrarpolitik 2018– 2021 das Ruder herumreissen.
Ja, das hört man jetzt oft. Aber in vier Jahren werden diejenigen Kräfte, die heute hinter der AP 2017 stehen, noch die Mehrheit haben – weil sie sagen können, der Reformprozess sei noch am Laufen. In acht Jahren würde man sehen, wohin die Reform geführt hat, da bin ich sicher. Aber da wird es zu spät sein. Viele Bauernfamilien werden wegen der Einkommenssituation bis dann auf der Strecke geblieben sein oder sich aus der Produktion von Lebensmitteln verabschiedet haben.
Die Befürworter der AP 2017 werden aber vor einer allfälligen Referendumsabstimmung die Propagandamaschinerie laufen lassen. Die Magazine von Migros und Coop allein erreichen fast jeden Haushalt.
Es wird eine Riesenherausforderung, die Bevölkerung aufzuklären, worum es geht, das ist klar. Aber mittlerweile gibt es fast jede Woche irgendwo auf der Welt einen Lebensmittelskandal. Wenn wir mit der AP 2017 die Nahrungsmittelproduktion hinunterfahren, importieren wir mit noch mehr ausländischen Lebensmitteln auch die Skandale. Ich bin überzeugt, dass die Schweizer Bevölkerung den Stellenwert der Nahrungsmittelproduktion höher gewichtet als etwa vier Meter lange Holzbeigen, wie sie der Kanton Bern für die Landschaftsqualitätsbeiträge vorschreiben will. Und wenn sie ehrlich sind, müssen auch die Grossverteiler ein Interesse an sicheren, nachhaltig produzierten Schweizer Lebensmitteln haben. Dass in einem Coop-Produkt ausländisches Pferdefleisch statt ausländisches Rindfleisch steckte, bedeutete einen grossen Image-Schaden.
Referendum: Wer mitmacht
Auf dem Referendumsbogen des Deutschschweizer Komitees stehen folgende Namen: Ernst Schibli, alt Nationalrat (ZH); Samuel Graber, Grossrat (BE); Martin Haab, Kantonsrat (ZH); Fritz Ruchti, Grossrat (BE); Josef Kunz, alt Nationalrat (LU). Alle fünf sind Mitglieder der SVP. Hinter dem Komitee stehen ferner Nationalrat Rudolf Joder (SVP, BE), die Berner SVP-Grossräte Fritz Freiburghaus, Thomas Fuchs, Jürg Iseli, Thomas Knutti, Moritz Müller und Martin Schlup sowie die Zürcher Kantonsräte Hans Egli (EDU), Urs Hans (Grüne) und Konrad Langhart (SVP). Im Westschweizer Komitee sind Willy Cretegny von La Vrille, Markus Müller von Landwirtschaft 2020 und Rudi Berli mit den Uniterre-Sektionen Genf und Zürich vertreten. Die Referendumsfrist läuft am 13. Juli ab. Für das Zustandekommen des Referendums sind wie immer mindestens 50'000 Unterschriften nötig.