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«Die Folgen für die Landwirte sind verheerend»

Betriebsleiter klagen über schlechte Milchleistung und nicht trächtige Kühe, und die Zahlen zeigen, dass die Kälbergeburten im Vorjahresvergleich zurückgegangen sind. Das wegen der Blauzungenkrankheit? Ein Tierarzt spricht über die Auswirkungen. Eine Spurensuche.

Oliver Metzler, Bettina Kiener |

In den letzten Wochen und Monaten kamen in der Schweiz weniger Kälber zur Welt im Vergleich zur Vorjahresperiode. Das zeigt sich auch auf dem Tränkermarkt, wo das jetzige Angebot im Vergleich zu anderen Jahren kleiner ist. Von verschiedenen Seiten wird als Grund für den Geburtenrückgang die Blauzungenkrankheit angegeben.

Es heisst, dass bei vielen Kühen die Fruchtbarkeit schlecht sei und dass diese nicht trächtig würden oder dass vermehrt blinde Kälber auf die Welt kämen. Ebenso sei auf vielen Betrieben die Milchleistung zurückgegangen. Dementsprechend hoch ist auch die Nachfrage auf dem Lebendviehmarkt.

Genaue Daten fehlen

Steckt hinter all diesen Beobachtungen wirklich die Blauzungenkrankheit, oder ist die durchzogene Milchleistung vielmehr auf die schlechte Qualität des letztjährigen Futters zurückzuführen? Die Spurensuche gestaltet sich als schwierig, da schlicht noch die Daten fehlen.

Zusammenhänge zwischen mangelhafter Fruchtbarkeit bei Milch- und Mutterkühen und der Blauzungenkrankheit seien aber hochwahrscheinlich und entsprechende Untersuchungen im In- und im Ausland seien derzeit am Laufen, jedoch noch nicht abgeschlossen, heisst es vonseiten des Strickhofs. Ähnliches sagt die Gesellschaft der Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST).

Erfahrungsbericht eines Tierarztes

Der «Schweizer Bauer» hat darum mit Tierarzt Grégoire Theubet aus Courgenay im Kanton Jura, dem Kanton mit den meisten Blauzungenkrankheitsfällen in der Schweiz, über seine Erfahrungen gesprochen. Der Wiederkäuerspezialist erzählt:

«Ich erinnere mich noch genau. Es war an einem Sonntag, als mich ein Schafbauer kontaktierte. Er hatte bereits am 26. August und erneut am 28.  August eine Fehlgeburt bei seinen Schwarzbraunen Bergschafen. Und das, obwohl bei den Schafen dieses Bauern noch nie eine Fehlgeburt aufgetreten war. Wir haben den Tieren Blut abgenommen und es untersuchen lassen, weil wir beide dachten, dass es wirklich diese Krankheit sein könnte. Und das Ergebnis war positiv. Es war der erste positive Fall in der Schweiz. Der Schafbauer hatte bereits eine böse Vorahnung, denn er war von seinen französischen und belgischen Kollegen gewarnt worden, dass diese Krankheit kommen würde. Er ahnte also schon, was mit seinen Schafen los war, als er mich kontaktierte. Durch die Krankheit hat der Bauer einen Wurf verloren.

Bei 50  Mutterschafen führte dies zu einem Verlust von rund 15’000 Franken. Im Endeffekt hat er zwar nicht viele Tiere verloren, aber er hat eine Lämmersaison verloren. Von seinen rund 80  Tieren waren dabei nie alle gleichzeitig erkrankt, sondern immer nur 10 bis 20. Anfangs waren nur zwei Mutterschafe betroffen, doch dann wurden die Symptome in der Herde immer zahlreicher und intensiver. Neben Aborten gab es Tiere mit hohem Fieber oder stark geschwollenen Ohren, Ödemen am ganzen Kopf. Es gab Tiere, die lahmten und nicht mehr laufen konnten. Wir haben die Tiere mit starken entzündungshemmenden Mitteln behandelt, um zu versuchen, die Schmerzen zu lindern und dann auch die Symptome zu beseitigen. Teilweise mussten wir die Tiere künstlich ernähren.

Bei diesem Landwirt dauerte es etwa zwei Monate, bis keine akuten Symptome mehr auftraten. Derzeit führen wir bei seinen Schafen Trächtigkeitskontrollen durch. Alle Mutterschafe sind wieder trächtig. Im Moment sind wir wieder in einer guten Situation. Allein in der Region Ajoie, die eine Fläche von rund 300 Quadratkilometern umfasst, also nur etwa ein Drittel des Kantons Jura, haben wir zurzeit 50 Fälle. Seit August hatten wir aber weit mehr als 50  Fälle. Ich glaube, dass fast alle Herden betroffen sind. Ich spreche hier von rund 50 Betrieben in meinem Zuständigkeitsbereich, bei denen wir Tierverluste hatten. Das ist extrem. Ich bin seit 16 Jahren hier und habe so etwas noch nie erlebt.

Als Tierarzt ist man ohnehin schon sehr beschäftigt. Aber im letzten Herbst hatte ich bis zu 60 Anrufe pro Tag von Landwirten, die sich informieren wollten. Das war für uns beängstigend. Die Euthanasie zahlreicher Tiere war auch für mein Team eine grosse emotionale Belastung. Aber der Höhepunkt ist noch lange nicht erreicht.

Wir wissen, dass die zweite Welle stärker wird. Und mit der wärmeren Jahreszeit wird es wieder gefährlicher. Ab 12 Grad ist die Mücke, die das Virus überträgt, deutlich aggressiver. Die Tatsache, dass es derzeit weniger Mastkälber auf dem Markt gibt als im letzten Jahr, hängt zu 100  Prozent mit der Blauzungenkrankheit zusammen. Entweder gab es Totgeburten oder Kälber, die nicht lebensfähig waren, weil sie Missbildungen aufwiesen, blind waren, oder Kälber, die keinen Marktwert mehr haben. Die Folgen für die Landwirte sind verheerend. Sie müssen mit Einkommenseinbussen von 10 bis 20  Prozent rechnen. In der ohnehin angespannten finanziellen Situation führt dies zusätzlich zu Liquiditätsproblemen.

Das Virus wird nicht einfach verschwinden. Die Impfung ist zwar wirksam und schützt die Tiere vor einem Grossteil der möglichen Symptome. Die Tiere werden also nicht krank. Das Virus bleibt aber aktiv. Das ist das grosse Problem. Es gibt immer noch den Irrglauben, dass die Impfung die Krankheit stoppt. Das ist aber nicht der Fall. Eine Impfung verhindert nicht, dass das Virus weiter übertragen wird. Wir werden noch einige Jahre damit leben müssen. Das Wichtigste ist, die Tiere jetzt zu impfen.»

Zahlen für den Kanton Jura

Sylvain Quiquerez von der jurassischen Landwirtschaftskammer Agrijura präsentierte an der Generalversammlung Anfang März einige Zahlen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Blauzungenkrankheit. So wurden im Kanton Jura bisher 287 Rinderbetriebe und 128 Schafbetriebe positiv getestet. Insgesamt traf es 22’826 Rinder und 4’693 Schafe.

Die Mortalitätsrate beträgt 2,25  Prozent bei den Rindern und 5,73Prozent bei den Schafen. Die bisher ausbezahlten Entschädigungen für Tierverluste belaufen sich auf rund eine Million Franken. Es handelt sich dabei um 576 tote Rinder (2024: 340; 2025: 236) und 269 tote Schafe (2024: 216; 2025: 53). ome

Kommentare (3)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Seeländer | 25.03.2025

    Wie ist es mit Absetzfristen bei der Milch?


    Können die Konsumenten über den Milchkonsum


    die abbauprodukte zu sich nehmen.

  • Resli | 24.03.2025
    Schön ist die Impfung freiwillig. Ich mag eigentlich niemanden etwas schlechtes, es tut aber gut wenn es einmal den einen oder andern der Anti Impfsekte so richtig mit Blauzungen erwischt. Als ich vor bald einem Jahr die Herde eines Bekannten gesehen habe, welche krass mit Blauzungen erwischt wurde, war mir sofort klar das geimpft wird. Der Betrieb hat heute noch Kühe mit geschwollenen Lymphknoten, da tut das hin schauen weh. die halbe Nachzucht fehlt. Bei jeder Geburt war die Angst eine weiteres Kalb mit Missbildungen könnte dazukommen, von der Milch sprechen wir gar nicht. Meine Herde hat nach 2 Impfungen null Nebenwirkung, es ist halt einfacher den Grund für Probleme im Stall bei der Impfung zu suchen als beim Betriebsleiter oder das es halt einfach Pech war.
    • Betroffener | 25.03.2025
      Sie sprechen aus, was die letzten Monate für viele Betriebsleiter Alltag und eine grosse emotionale Belastung war.
      Immer noch kommen missgebildete Kälber zur Welt und das dürfte sich noch etwas hin halten.
      Der Entscheid zu impfen kommt meist von Betroffenen, während nicht Betroffene immer noch propagieren, dass alles nicht so schlimm ist und man lediglich das Immunsystem etwas unterstützen müsse.
      Mir tun die Tlere derer leid, aber es bleibt zu hoffen, dass die ihre Theorie bald erfolgreich umsetzen können. Es fehlt nämlich an einer wirksamen Vorsorge. Alle Bemühungen sind im Sande verlaufen.
      Auch mag man den ewigen zu Corona nicht mehr hören. Alles ist Corona, jetzt auch BTV. Irgendwo scheint es manchen das Hirn echt nachhaltig geschädigt zu haben.
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