Rudolf Haudenschild, Chefredaktor der Zeitung «Schweizer Bauer», äussert sich in einem Leitartikel zum Jahreswechsel.
Im Landwirtschaftsjahr 2014 folgte einem kühlen und nassen Sommer ein schöner Herbst, der bei den Erträgen vieles wieder gutmachte.
Getrübt wurde die Stimmung nebst Preisdruck bei Schweinen, Milch und Tränkekälbern vor allem wegen der neuen Agrarpolitik. Mit der Abrechnung über die Direktzahlungen flatterte die Quittung für die AP 14–17 schwarz auf weiss in jedes Bauernhaus. Die meisten Betriebe erleiden Einbussen, die grösser sind als befürchtet. Verlierer ist die produzierende Landwirtschaft. Neue Vorschriften und fragwürdige Massnahmen, immer härtere Kontrollen und Sanktionierungen führen zu grossem Unmut. Frust und Enttäuschung machen sich breit.
Manch einer wird sich reuig, dass er das Referendum gegen die neue Agrarpolitik nicht unterstützte und auf die Vertreter der landwirtschaftlichen Organisationen hörte, die zu viel Respekt vor einem agrarpolitischen «Hosenlupf» zeigten. Die vom Bundesrat gegen Treu und Glauben beantragten Budgetsparmassnahmen in der Landwirtschaft rüttelten die Agrarpolitiker im letzten Moment dann doch noch zu Entschlossenheit und Kampfeslust auf. Der erneute Schaden auf dem Buckel der Bauernfamilien konnte mit «nur» 29 statt 128 eingesparten Millionen in Grenzen gehalten werden.
Die Betriebe haben sich stark auf die Direktzahlungen als «Einkommensart» ausgerichtet. Direktzahlungen zu optimieren, zahlt sich denn auch heute leider besser aus als das Produzieren. Betriebe, die sich in den letzten Jahren im Sinne der offiziellen Agrarpolitik für eine stärkere Konkurrenzfähigkeit auf Wachstum und Produktion ausrichteten, geraten durch Direktzahlungskürzungen und die angespannte Kosten- und Preissituation in einen agrarpolitischen Schraubstock.
Viel einkommenswirksamer als Direktzahlungen, die immer mehr von zusätzlichem Aufwand neutralisiert werden und immer stärker in Verwaltung, Ökobüros und Kontrollmassnahmen verdunsten, wären faire, stabile, auf keinen Fall noch tiefere Produzentenpreise. So sind fünf Rappen mehr oder weniger für einen Liter Milch für einen durchschnittlichen Milchwirtschaftsbetrieb eine Differenz von 14'000Franken – haben oder nicht haben.
Daher sind funktionierende, wenigstens teilweise geschützte Agrarmärkte eine wesentliche Grundlage für eine gesunde Einkommenssituation der Bauernfamilien. Eine künftig wieder vermehrte Unterstützung der Produktion ist überfällig. So ist beispielsweise die öffentliche Forderung, antibiotikafrei zu produzieren, eine gewaltige Herausforderung, die nur professionell angegangen werden kann. Um mit neustem Wissen nachhaltig, tier- und umweltfreundlich zu produzieren, braucht es auch motivierte Bauern und Bäuerinnen, die Freude am Beruf haben.
Eine langfristige Ernährungssicherung unserer Bevölkerung kann nicht an den Handel und an das Ausland abdelegiert werden. Wer in die Welt hinausschaut und sehen und hören will, muss feststellen, dass diese 2014 noch unsicherer und kriegerischer geworden ist. Selbst die uns umgebende EU ist auch nicht mehr das Friedensprojekt, was es früher war. Sie basiert auf Schuldenwirtschaft und Gelddruckerei und breitet sich in Erweiterungwellen aus, bis sie in geopolitische Probleme hineingezogen wird, für die sie weder vorbereitet noch organisiert ist. Sie spielt mit Muskeln, die sie nicht hat, und schlägt Töne an, die unverhandelbare Positionen markieren und mit Nachbarn zu Konflikten führen müssen.
Unabhängigkeit und sichere Versorgung eines Landes sind nicht selbstverständlich. Deshalb muss die Ernährungssicherheit jetzt in der Verfassung verankert werden. Und nochmals: Es kann nicht sein, dass wir dabei eigene Produktionsweisen und die Ernährungssicherung ins Ausland delegieren. Dies wäre ein Dolchstoss in den Rücken der Landwirtschaft und auch nicht zielführend.
Man darf gespannt sein, welche Asse der Schweizer Bauernverband an seiner Neujahrsmedienkonferenz aus dem Ärmel schütteln will, um auf den direkten Gegenvorschlag des Bundesrats zu reagieren und die eigene Volksinitiative zu verteidigen. Angesichts durchschnittlicher Ausgaben für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke von tiefen 6,3% des verfügbaren Haushaltseinkommens müsste ein Weg gefunden werden, die Interessen der Bauern, der Konsumenten und des Landes auszugleichen und in einer Volksabstimmung eine klare Mehrheit zu finden.
Zum Jahreswechsel wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, erholsame Tage zum Auftanken und im neuen Jahr die Kraft und die Zuversicht, die privaten und beruflichen Herausforderungen mutig anzupacken. Bewahren Sie sich die Freude am vielseitigen Beruf, und versuchen Sie, auch die kleinen Freuden im Alltag bewusst zu geniessen. «Es guets Nöis!»
Rudolf Haudenschild, Chefredaktor