Die Familie Courtois aus Versoix GE suchte in den 1990er-Jahren nach einer neuen Kultur. Sie fand sie in der Leguminose Linse. Heute verkaufen die Genfer ihr Produkt über die Direktvermarktung und über den Detailhandel.
Zehntausende von Fahrzeugen wälzen sich auf der A1 bei Versoix in Richtung Genf. Die zweitgrösste Stadt der Schweiz mit 200'000 Einwohnern boomt. Die Calvin-Stadt beherbergt zahlreiche internationale Organisationen und hat sich zum zweitwichtigsten Finanzplatz des Landes entwickelt. Im südwestlichen Zipfel der Schweiz wird aber auch Landwirtschaft betrieben.
Die Familie Courtois kann das Wachstum der Region auch für sich nutzen. Der Hof der Familie liegt etwas erhöht, eingebettet zwischen der Jurakette und dem Lac Léman, in der kleinen Ortschaft Sauverny (Gemeinde Versoix). In unmittelbarer Nähe zur französischen Grenze kultiviert Christophe Courtois auf seinen 55 Hektaren Raps, Brotweizen, Zuckerrüben, Obst, Klee für Samenbau und Linsen.
Nach Krieg aufgegeben
Mit dem Anbau der Leguminose startete der Betrieb im Jahr 1995. Christophs Vater Michel suchte nach einer Alternative zu Getreide und Zuckerrüben. Dies insbesondere wegen der sinkenden Produzentenpreise. «Ich habe etwas Spezielles gesucht», erklärt Michel Courtois. Zusammen mit andern Bauern sprach er auch über die Linse. In der Schweiz wurde aber der Anbau dieser Leguminose nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgegeben.
Um sich ein Bild zu machen, fuhr er mit seinen Berufskollegen nach Le Puy-en-Velay (F) in die Auvergne. Dort wird die Linse in grossem Stil angebaut. Die Genfer Bauern beschlossen in der Folge, den Anbau in der Schweiz wieder aufzunehmen. Mit Saatgut aus Frankreich startete Courtois auf einer Fläche von 2 Aren. Damit eignete er sich bereits Erfahrungen an.
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Heikle Ernte
Der Anbau der Kultur bietet auf dem viehlosen Familienbetrieb einige Vorteile. Die Linse bindet mithilfe von Knöllchenbakterien Luftstickstoff im Boden. Sie erträgt Trockenheit gut und ist nach Soja die proteinreichste Hülsenfrucht. Dafür dürfen auf derselben Parzelle während der nächsten acht Jahre keine Linsen mehr ausgesät werden. «Auf unseren mittelschweren Böden gedeihen sie aber perfekt», betont Christophe Courtois. Zudem werde die Biodiversität erhöht.
Ausgesät werden die Linsen Anfang April. «Der Boden muss gut bearbeitet werden, die Oberfläche sollte sehr fein sein. Pflügen ist nicht nötig», so Courtois. Wichtig sei, dass möglichst alle grösseren Steine entfernt würden. Dies führe sonst bei der Ernte zu Problemen. Es folgt nur eine Unkrautbehandlung, anschliessend kann er die Kultur praktisch sich selbst überlassen. «Das Entfernen von Unkraut wie Kamille ist aber wichtig, um Verunreinigungen zu verhindern», erklärt der 34-Jährige. Anfang Juli blüht die Pflanze, dann trocknet sie aus und neigt sich dem Boden zu. Dies macht die Ernte Ende Juli anspruchsvoll.
1300 Kilo/Hektare
Denn einerseits bedingt die geringe Standfestigkeit einen tiefen Schnitt und birgt somit das Risiko, Steine und Erde mit in den Mähdrescher zu befördern. Vor dem Dreschen wird deshalb die Pflanze angehoben. Andererseits reifen nicht alle Hülsen einer Pflanze gleichzeitig ab, was die Bestimmung des Erntezeitpunkts erschwert.
Umgehend nach der Ernte werden das erste Mal die Linsensamen sortiert, Unkraut und kleine Steine entfernt. Danach folgt eine zweite Sortierung bei der Sammelstelle. Ein drittes Mal werden die Linsen auf der hofeigenen Maschine sortiert, die Courtois 2013 gekauft hat. Diese erleichtert seine Arbeit massiv. Nun folgt das Abfüllen in die Verkaufsverpackungen à 500 Gramm. Gegessen wird das Produkt vor allem im Herbst und im Winter. 2015 pflanzte er drei Sorten, der Ertrag pro Hektare liegt in etwa bei 1300 Kilogramm.
Schweizweit erhältlich
Verkauft werden die Linsen im Hofladen, durch andere Bauern, Spezialgeschäfte und an Restaurants. Um aus der Nischenproduktion auszubrechen, musste Christophs Vater die Anbaufläche vergrössern. Er wandte sich an den Detailhändler Manor. Seit 2002 gibt es die Linsen aus Sauverny in den regionalen Läden der Kette zu kaufen. Die Anbaufläche stieg auf 5 Hektaren. Christophe Courtois gelang es, dass Manor 2013 die Linsen schweizweit ins Sortiment aufnahm. Zudem machte er sein Produkt auf verschiedenen Anlässen wie Ausstellungen oder Märkten bekannt.
Das führte zu einem Schub, die Linsenfläche stieg auf über 12 Hektaren. Mit den Linsen generiert er heute rund 20 Prozent des Betriebsumsatzes. «Diese Hülsenfrucht ist eine gute Alternative. Sie ersetzt aber nicht die übrigen Kulturen», macht Courtois deutlich. Zudem gelte es, sich gegenüber ausländischen Linsenprodukten durchzusetzen. Heute produzieren rund sechs Bauern Linsen. Courtois selbst hat seine Palette erweitert. So pflanzt er nun auch Kichererbsen und Lein an und verkauft diese im Hofladen. Sollte er den Agropreis gewinnen, würde er den Hofladen sanieren und erweitern.