Die Gründe der Verluste der politischen Mitte bei den Wahlen vom Sonntag sind unterschiedlich: Zu wenig Profil, das Ende des Hypes, der stetige Rückgang bei der Wählerschaft. Die Zukunft von BDP, GLP und CVP könnte aber eine gemeinsame sein.
«Profillosigkeit» - Dieses Wort benutzen Politologen, wenn sie die Probleme der BDP erklären. Ursprünglich eine Gruppe von SVP-Dissidenten, gelang es der Partei bisher nicht wirklich klar zu machen, wofür sie steht.
Für die BDP dürfte es eng werden
Der Politologe Adrian Vatter hatte in einem früheren Interview gesagt, die BDP wirke wie die alte SVP «etwas behäbig und gemütlich». Es fehle an einem eigenständigen Profil. Laut Georg Lutz, ebenfalls Politologe, ist fraglich, ob die BDP mittelfristig überleben kann. In der politischen Mitte gebe es zu viele Parteien, hatte er im Februar gesagt.
Im Wahlkampf wollte die Partei das Ruder herumreissen. Es wurde ein Profil kreiert: Die BDP präsentierte sich als Partei, die für die Energiewende oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften einsteht, wie Politologe Werner Seitz sagt. Es stelle sich die Frage, ob die Partei mit diesem Wandel ihre eher ländliche Wählerschaft nicht überfordert habe.
Grünliberaler Einbruch
Bei den Grünliberalen ist weniger die Positionierung das Problem. Das Profil ist bekannt und hat der Partei vor vier Jahren, nach Fukushima, einen Höhenflug beschert. Von den Medien gehypt und von Wahlsiegen verwöhnt, ritt sie bis Ende 2014 auf einer Erfolgswelle.
Dann folgte der Einbruch: Verheerend war das vernichtende Nein zur Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer». Es folgten Wahlverluste bei den Baselbieter und den Zürcher Kantonsratswahlen. Das Gewinner-Image kam abhanden. Damit müsse die Partei erst umzugehen lernen, sagt Seitz. Das sieht auch Parteipräsident Martin Bäumle so: «Den Kopf hinzuhalten ist etwas, das meine Partei noch nicht gelernt hat», sagte er der Nachrichtenagentur sda: «Das müssen wir jetzt lernen.»
Umweltthemen nicht prioritär
Den Grund für die jüngste Niederlage sieht er vor allem in der veränderten Grosswetterlage: Statt Fukushima machten in diesem Jahr die Flüchtlinge und die Euroschwäche vor den Wahlen Schlagzeilen. Das habe einen grossen Einfluss gehabt, sagt Bäumle. Vor vier Jahren habe man auch FDP-Wähler gewinnen können. Dieses Mal habe man wohl wieder Wähler an die FDP verloren.
Adèle Thorens, Co-Präsidentin der Grünen, sieht den Grund für die Verluste ihrer Partei ebenfalls in der Kombination aus starkem Franken und Migrationskrise. Beides habe zur Folge, dass die Umwelt derzeit nicht zu den wichtigsten Anliegen der Schweizer zähle, sagt sie der sda.
CVP: Verlieren gewohnt
Auch die CVP hat Wähleranteile verloren. Doch das ist nichts Neues: Langsam aber stetig sank ihr Wähleranteil seit 1991 von 18 Prozent auf jetzt noch 11,6 Prozent. Die grossen Verluste setzten in den 90er-Jahren ein, als sich die CVP als europafreundliche Partei positionierte, wie Seitz sagt. Dies gab der SVP die Möglichkeit, in den traditionellen CVP-Stammlanden Fuss zu fassen. Unterdessen konnte die CVP die grossen Verluste in den Stammlanden stoppen.
Bei den jüngsten Wahlen büsste sie allerdings Wähleranteile in den Agglomerationsräumen des Mittellandes ein: In den Kantonen St. Gallen, Luzern, Solothurn und Aargau verlor die CVP zwischen zwei und vier Prozentpunkten an Wähleranteil, wie eine Auswertung des Politologen Seitz zeigt.
Zersplitterte Mitte
Zumindest die Kleinparteien BDP und GLP konnten 2011 noch jubeln: Sie waren die Wahlsieger. Die Medien beschworen eine «neue politische Mitte» bestehend aus den neuen Parteien gemeinsam mit der CVP. Doch einen gemeinsamen Kurs gab es nicht. Die Mitte blieb zersplittert.
Zwar arbeiteten CVP und BDP teils eng zusammen. Für eine Fusion oder eine gemeinsame Bundeshausfraktion konnte sich die BDP-Basis aber nicht begeistern. Sie fürchtete um die Eigenständigkeit. Die CVP-Parteileitung bedauerte dies. Veranlassen die jüngsten Verluste die Parteien nun, stärker zusammenzuarbeiten?
Kommts zum Zusammenschluss?
Erste Anzeichen deuten zumindest auf entsprechende Absichten hin: Offenbar missfalle dem Volk die Zersplitterung in der Mitte, sagt BDP-Präsident Martin Landolt in einem Interview von «St. Galler Tagblatt» und «Werdenberger & Obertoggenburger» vom Montag. Man müsse sich Gedanken machen, wie man die Mitte besser zum Tragen bringen könne, sagt Landolt. Über eine gemeinsame Fraktion mit CVP und GLP werde man diskutieren. Eine Fusion mit der CVP schliesst er nicht aus, hält aber fest, er sehe keinen Grund, weshalb man fusionieren sollte.
Bäumle sagt in einem Interview mit der «NZZ» vom Montag, er habe schon vor vier Jahren für eine sogenannte Holding der Mitteparteien plädiert, die bei einzelnen Themen vertieft zusammenarbeiteten. «Das müssen wir jetzt sicher erneut prüfen», sagt er. Das dürfe aber nicht der Not gehorchen oder dem Machterhalt dienen, sondern müsse inhaltlich abgestützt sein.