Im Staub der Grossstadt wachsen Kürbis, Kartoffeln, Zucchetti, Bohnen, Auberginen, Tomaten, Amaranth oder Spinat. Ein Streifzug durch Msimbazi, den Stadtgarten von Dar Es Salaam.
Mama Hawa
sitzt auf ihren Sandalen am Boden. Vor ihr liegt ein grosses Bündel Amaranth.
Sorgfältig sortiert sie aus dem grossen Bündel die einzelnen blättrigen Halme
nach Grösse. Die kleinen Bündel bindet sie mit einem langen, schmalen Streifen
von einem Palmenblatt zusammen, bevor sie sie in die Plastikschale zu ihrer
Linken stellt. Die Handgriffe sitzen, Mama Hawa arbeitet schnell, ohne dabei
hastig oder fahrig zu sein. Und während sie den Amaranth verliest, hat sie
etwas Zeit für die Besucher.
Alleinerziehende Mama Hawa
Eigentlich heisst Mama Hawa
Halima Ramadhani. Hawa ist der Name ihres ersten Kindes. Und wie es die
Tradition will, rufen sie heute alle bei der Namenskombination Mama Hawa. Seit
zehn Jahren arbeitet sie als Gemüseverkäuferin. Angefangen hat sie, als ihr
Mann sie mit den beiden Kindern sitzen gelassen hatte. Seither muss sie sich
alleine durchschlagen.
Und
seither kommt sie jeden Morgen nach Msimbazi. Dort findet sie Spinat, Amaranth,
Kürbis, Kartoffeln, Bohnen, Auberginen, Tomaten und anderes Gemüse, das
zwischen den grossen Palmen inmitten dem Dreck und Staub der Grossstadt Dar Es
Salaam von Bauern kultiviert wird.
Die kleinen Beete in Msimbazi -
die meisten sind kaum grösser als 100m2 - fügen sich wie ein Flickenteppich zu
einem beinahe 50 Hektaren grossen Feld zusammen. Umgeben von der Kigogo-Strasse
im Norden und im Osten, der Uhuru-Strasse im Süden und der Nelson
Mandela-Strasse im Westen wachsen Gemüse, die Mama Hawa und die Bauern
brauchen, um ein kleines Zusatzeinkommen zu erwirtschaften. Mama Hawa schneidet
die Stiele der kleinen Bündel Amaranth auf die gleiche Länge. Ihre zwei
Kolleginnen, die ihre Plastikschale schon gefüllt haben, machen sich für den
Marktgang bereit.
Täglich wird die Ware für den Verkauf ausgewählt
Eine Stunde zuvor haben die drei
Frauen auf den Feldern mit den Stadtbauern gesprochen. Manchmal werde auch
geschäkert, sagt Halima und grinst. Die drei Frauen suchten aus dem täglichen
Angebot die Waren aus, die sie verkaufen wollen. "Das machen wir jeden
Tag. Hierherkommen, unsere Gemüse aussuchen, vorbereiten, auf den Markt gehen
und verkaufen", sagt Halima. Sie steckt den letzten Bund Amaranth in ihre
Plastikschale und steht auf. Sie muss auf den Markt, hievt die grosse Schüssel
auf ihren Kopf und verabschiedet sich.
Mama Hawa verschwindet zwischen
den kleinen Hütten und Häusern, die Msimbazi umgeben. Vorbei an einem
Wasserloch, über einen schmalen Steg und durch etwas höheres Gras treten wir
hinaus, auf die eigentlichen Beete. Am Rand eines Beetes sitzen zwei Männer im
Schatten der Palmen.
Silvano
und Silvestri machen eine Rast, nachdem sie ihre morgendlichen Arbeiten
erledigt haben. Silvano ist seit zehn Jahren Stadtbauer. Und Silvestri hat
schon mehr als 35 Jahre Erfahrung darin, den kleinen Beeten von Msimbazi
Früchte und Gemüse abzutrotzen.
Vom Elektriker zum Stadtbauer
Es ist Silvestri, der sein Wissen
gerne weitergibt. Auch Silvano hat er den Einstieg in die Stadtlandwirtschaft
erleichtert. "Ohne Silvestri wäre ich nicht erfolgreich", sagt
Silvano. Er ist, wie die meisten, durch Zufall Stadtbauer geworden. Eigentlich
ist er Elektriker mit einem kleinen Geschäft und ein paar Angestellten.
Seit er in Msimbazi noch etwas
Gemüse anbaut, schaut er dort jeden Morgen und Abend zum Rechten. "Es ist
nur ein kleines Grundstück von etwa einem Acre", sagt Silvano fast
entschuldigend. Ein Acre entspricht etwa 240 Quadratmetern, einem Rechteck von
zwanzig mal zwölf Metern. Silvano musste lernen, wie er die Felder richtig
bewirtschaftet.
Dem Mist wird Rinde beigemischt
Silvano lernte von den Beratern,
wie er Dünger und Pflanzenschutzmittel einsetzen kann. "Dünger und
Pflanzenschutzmittel helfen, dass unsere Gemüse besser wachsen. Wenn wir sie
nicht nutzen würden, hätten wir nichts Grünes auf dem Teller", meint er.
Eingesetzt werden zugekaufter Harnstoff und Hühnermist. Ein paar Bauern mischen
dem Mist noch Rinde bei und kompostieren das Gemisch, bevor es die
Bodenfruchtbarkeit verbessern soll.
Andere Herbizide, Insektizide und
Fungizide finden ihren Weg nach Msimbazi nicht. Zumindest nicht zu Silvano und
Silvestri. "Zu teuer", sagen beide während ihrer kurzen Arbeitspause.
Auch Korbinian Remingus Kombe sagt dasselbe. Der 81-jährige reisst gerne Witze
und diente bis 1985 als Korporal in der tansanischen Armee. Seit 1995 gärtnert
er in Msimbazi nicht gerade um sein Leben, aber um es sich ein bisschen
einfacher zu machen. Mit dem Selbstangebauten wird nämlich die Familienkasse
geschont; bei guten Ernten gar aufgebessert. Für Kombe, Silvano und Silvestri
ein Segen.
Die Leute trauen den Stadtbauern nicht
Doch die Stadtgärtner haben es
nicht nur einfach. Übersetzer und Guide Kizito Lufunga fügt während dem Gang
über die Felder hinzu: "Einige Leute glauben, dass die Bauern hier in der
Stadt nur totes Wasser verwenden. Wasser, das weder sauber noch sicher ist, um die
Felder zu bewässern. Diese Leute denken auch, dass das Gemüse von den Bauern
hier nicht gegessen werden kann." Tatsächlich führen im Norden und im
Süden, zwischen den kleinen Hütten, Häusern und Feldern, zwei kleine Bäche ein
wenig Wasser. Das Bachbeet ist zugemüllt mit Plastikflaschen, Plastikbeuteln,
Sandsäcken und anderem Unrat.
Im etwas breiteren Bach steht
eine braunrote Brühe. Es riecht nach Abwasser, die nackten Flanken von Abfall
bedeckt. Über die ganze Fläche von Msimbazi verteilen sich einzelne Wasserlöcher,
in denen in einer graubraunen Brühe Plastiksäcke und -Flaschen schwimmen.
Nicht nur die heisse Sonne schadet den Pflanzen
Das Wasser ist wichtig, damit die
Pflanzen unter der heissen tansanischen Sonne überhaupt wachsen können.
"Nur in der Regenzeit haben wir ein Problem", sagt Silvano. Mit den
Regenfällen werden nämlich die stehenden Bäche zu kleinen Flüssen, die die
Felder mit Kot und Unrat von den umliegenden Häusern überschwemmen und auch die
Wasserlöcher verseuchen.
"Manchmal,
wenn es länger regnet, wird auch mein kleines Haus überschwemmt", sagt
Silvano, der nur gerade hundert Meter neben seinem Feld am Rand von Msimbazi
wohnt. Dass die Kunden sein Gemüse wegen dem "toten Wasser"
verschmähen würden, ist ihm bisher nicht aufgefallen.
Neben der Wasserversorgung gibt
es wenig, worum man sich hier kümmern müsste. "Wir müssen nicht genau
wissen, wann wir was machen müssen. Wichtig ist nur, dass die Pflanzen genug
Wasser haben", sagt etwa Armee-Veteran Kombe im Schatten einer Palme.
Nur starker Regen unterbricht die Arbeit
Die klimatischen Bedingungen sind
günstig, fast jeden Tag könne man pflanzen, säen, giessen, ernten, verkaufen
oder das eigene Gemüse verkochen. "Nur wenn es zu stark regnet, müssen wir
warten", sagt Kombe. Dann werden die Felder zu nass, worauf die Wurzeln
der Pflanzen ersticken. Nur dann werde es für den Anbau kritisch. Aber sonst?
"Unser Gemüse wird geerntet, wenn es eine gewisse Grösse erreicht hat.
Dann können wir es schneiden und an die Frauen verkaufen, die
hierherkommen."
Daran habe sich in den letzten
drei Jahrzehnten wenig verändert, meint Kombe. "Wir müssen immer noch
etwas anbauen, das wir verkaufen können. Mit dem Geld bezahlen wir
Schulgebühren unserer Kinder oder kaufen Kleidung." Kombe grinst.
"Oder wir essen das Gemüse selbst", fügt er an.
Auch Gartenveteran Silvestri
stellt keine grossen Veränderungen fest. "Nur das Geschäft ist härter
geworden. Früher, da war das Leben der Bauern hier noch besser. Es gab weniger
Menschen, die hier Gemüse anbauen wollten. Aber jetzt..."
Silvestri macht eine Pause und blickt
über die kleinen Felder. "Jetzt können die Bauern aus Morogoro und Dodoma
ihre Produkte in die Stadt bringen. Und wir sind mit ihren Preisen nicht
konkurrenzfähig." Silvestri seufzt. Im Landesinneren von Tansania wird das
meiste Gemüse produziert und mit dem Lastwagen in die Stadt und nach Kariakoo
gefahren.
Kariakoo ist der grösste Markt in Dar Es Salaam
Und es ist der Arbeitsort von Kasiani Zongo. Er ist
Geschäftsmann, sitzt an diesem sonnigen Abend auf seinem Plastikstuhl und
blättert in einer Zeitung. Er wartet auf seine nächsten Kunden. "Die
Bauern in Msimbazi benutzen keine modernen Technologien", sagt er und legt
seine Zeitung beiseite. "Aus meiner Sicht ist Msimbazi nicht produktiv
genug, um die wachsende Bevölkerung in der Stadt ernähren zu können."
Kasiani Zongo zuckt mit den Schultern und vertieft sich wieder in seine
Zeitung.
Derweil verkauft Mama Hawa ihre letzten Bündel Amaranth, und
Silvestri, Silvano und Kombe machen sich auf den Heimweg. Um am nächsten Tag
wieder auf ihren kleinen Feldern nach dem Rechten zu sehen.






