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Diese Bäuerin setzt auf Engagement mit Augenmass

Kathrin Gilgen wurde neu in die Exekutive der Gemeinde Köniz BE gewählt. Die Oberwanger Bäuerin setzt sich mit ganzem Herzen für ihre Anliegen und Projekte ein. Wichtig ist ihr dabei, den nötigen Ausgleich zu finden.

Christine Bieri |

«So ganz habe ich das noch nicht realisiert», sagt Kathrin Gilgen über ihre Wahl zur Gemeinderätin von Köniz BE. Die Bäuerin aus Oberwangen, das zur politischen Gemeinde Köniz gehört, ist seit über zehn Jahren im Ortsparlament und hat jetzt den Schritt in die Exekutive geschafft. Die Gemeinde Köniz hat über 44’000 Einwohnerinnen und Einwohner und umfasst sowohl ländliche wie auch städtische Gebiete.

Gilgen versteht sich als Vertreterin der gesamten Bevölkerung. «Aber ich kann die Interessen der ländlichen Gegenden im Gemeinderat einbringen.» Die SVP-Politikerin führt dazu aus: «Wir haben eine ganz andere Situation, als sie im Zentrum von Köniz ist. Dort hat man alle vier Minuten einen Bus und hat den Laden oder den Arzt praktisch vor der Haustür. Hier haben wir alle halbe Stunden einen Zug. Das darf bei der Planung nicht vergessen werden. Wir brauchen zum Beispiel auch im Zentrum Parkplätze für die Leute von ausserhalb.»

Vollgas Vollblut

Schon Gilgens Vater Ferdinand Studer sass im Parlament von Köniz. Die politischen Diskussionen haben sie geprägt. «Es gehört dazu, dass man etwas für die Allgemeinheit macht.» Selbst hat sie die politische Bühne aber nicht sofort betreten. «Ich hätte gar keine Zeit gehabt.» Die gelernte Floristin hat jung geheiratet und jung Kinder bekommen. «Wir fanden, dass wir ja eh nicht gross wegkönnen. Da können wir auch Kinder haben und später reisen.»

«Ich bin so. Wenn ich eine Idee und ein Ziel habe, dann setze ich alles daran, es auch umzusetzen.»

Kathrin Gilgen, Gemeinderätin Köniz BE

Zwei Kinder bekamen Stefan und Kathrin Gilgen. Die Bäuerin blieb zu Hause und richtete sich im Keller eine kleine Blumenecke ein. Sträusse und Arrangements gab es bei ihr nur auf Bestellung. Im Jahr 2000 änderte sich das, als sie ein Ladenlokal im Dorf angeboten bekam. Eine Chance, die sie gerne nutzen wollte. «Ich bin so. Wenn ich eine Idee und ein Ziel habe, dann setze ich alles daran, es auch umzusetzen.»

Sie organisierte den Tagesablauf neu, reduzierte ihre Ämtli in der Schulkommission und im Landfrauenverein und eröffnete ihr eigenes Blumengeschäft. «Der Laden lief von Anfang an sehr gut.» Bereits kurz nach Eröffnung stellte sie eine Bekannte im Stundenlohn ein. Über die Jahre hinterliess die Mehrbelastung trotzdem Spuren. Die Dreifachbelastung mit Familie, Geschäft und Hof, war definitiv zu gross, deshalb beschloss sie schweren Herzens, Ende 2009 den Laden zu schliessen.

Mit Kräften haushalten

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Anfragen kamen für erneute Vereinsarbeiten. Weil sie aber gesundheitlich zuerst wieder fit werden wollte und die Prioritäten bei Familie und Betrieb lagen, vertröstete sie die anfragenden Personen auf später. Unterdessen ist sie seit dreizehn Jahren im Ortsvereinsvorstand tätig, davon zehn Jahre als Präsidentin. Für die Anliegen, die Kathrin Gilgen wichtig sind, setzt sie sich mit ganzem Herzen ein.

Ihre physischen Grenzen bekam sie 2010 nach einem Sturz beim Beigen von Strohballen zu spüren. Am nächsten Morgen konnte sie nicht mehr aufstehen. Nur unter grossen Schmerzen war es ihr möglich, das Bett zu verlassen. Sie bekam Schmerzmittel, direkt Injektionen in den Rücken, und Physiotherapie. Schmerzfrei war sie eigentlich nur, wenn sie lag. Nach neun Wochen war der Schmerz so gross, dass sie ihren Arzt um eine Operation bat.

Vorgänger trat nicht mehr an

«Die Chirurgen fanden einen Splitter, der im Nerv steckte.» Die Schmerzen habe sie heute vergessen, geblieben sei eine Erkenntnis: «Vielleicht kann man zwischendurch auch mal ein bisschen weniger machen.» Die Waldspaziergänge, um den Bewegungsapparat zu aktivieren, hat sie weitergeführt. «Es war für mich schwierig, einfach so spazieren zu gehen. Also habe ich mir einen Hund gekauft.»

Der junge Hund, der während unseres Gesprächs eine Fliege verfolgt, ist bereits ihr zweiter. «Den ersten musste ich im Dezember nach zwölfeinhalb Jahren erlösen lassen. Das war eine sehr schwierige Zeit für die ganze Familie», erzählt Gilgen. In der gleichen Zeit musste sie sich auch entscheiden, ob sie für den Gemeinderat kandidiert. «Da mein Vorgänger nicht mehr zur Wahl antreten wollte, musste ich mir gut überlegen, ob ich auf die Liste wollte.»

«Entscheid nicht rückgängig machen»

Spätestens seit ihrer Zeit als Parlamentspräsidentin im Jahr 2022 hat Gilgen einen grossen, auch parteiübergreifenden Rückhalt in Köniz. Eine Wahl war also plausibel. Es war eine Entscheidung, die sie nicht leichtfertig traf. «Das ist nicht nichts, das stellt mein Leben auf den Kopf.» Eine Wahl hätte auch Einfluss auf den Rest der Familie und den Betrieb, deshalb konnten sich auch alle Beteiligten zu ihrer Kandidatur äussern.

Nur zwei Tage nachdem sie ihre Entscheidung getroffen hatte, erlitt ihr Mann einen kleinen Hirninfarkt. «Das Erste, was er zu mir sagte, als er aus dem Spital anrief, war: Du darfst deinen Entscheid jetzt nicht rückgängig machen deswegen.»

Weitblick

Vom Tisch des Ehepaares Gilgen hat man freien Blick zum Stall. Den Hof führen sie in einer Betriebsgemeinschaft (BG) mit ihren Söhnen Daniel und Michael. Im Haus nebenan wohnt der ältere der beiden Söhne mit seiner Familie. «Wir haben das Glück, dass sich beide Söhne im Betrieb engagieren wollen und sich auch optimal ergänzen, ansonsten hätte ich mich nicht für diesen Schritt entschieden.» Aus dem Betrieb wird sie sich bald mehr herausnehmen müssen.

«Das Amt im Gemeinderat ist auf dem Papier ein 80-Prozent-Pensum. Es wird aber wohl mehr sein.» Aktuell macht die 54-Jährige das Büro der BG, diverse Umgebungsarbeiten, und im Stall springt sie ein, wenn es nötig ist. Den Garten hat sie schon länger reduziert und sieht ihn jetzt mehr als Ausgleich, genau wie die Blumenbinderei, die wieder zu einer Blumenecke «fürs Gmüet» wurde. An der Wand in der Essecke hängt ein Bild von einer Bisonherde, im Hintergrund sind die Rocky Mountains.

Liebstes Reiseland

«Ich musste dieses Bild einfach haben, denn fast genau so habe ich das erlebt», erzählt Kathrin Gilgen. Kanada sei ihr liebstes Reiseland. Weil beide Söhne über längere Zeit in Kanada gearbeitet haben, kam es dazu, dass sie schon viermal dieses Land bereist hat.

«Beim letzten Mal trafen wir auf eine wild lebende Bisonherde. Wir fuhren aus dem Wald, das Land öffnete sich, es hatte Nebel, und da überquerten die eindrücklichen Tiere die Strasse. Ein mystischer Moment und ein wahr gewordener Traum. Jetzt muss ich mir einen neuen suchen...vielleicht einen Grizzlybären von nahem sehen. Aber zuerst stehen jetzt andere Aufgaben im Vordergrund.»

Kommentare (1)

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  • Fritz Marti | 27.10.2025
    Frau Gilgen, machs guet !!
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