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Dieser Bauer hat Millionen von Angestellten

Renate Hodel, lid |

 

In Aeschi ob Spiez BE verarbeiten Millionen Würmer den Mist von Hans Fuhrers Mutterkühen zu hochwertigem Biodünger. Bereits seit über zehn Jahren setzt der Landwirt auf die Gefrässigkeit seiner vielen kleinen Mitarbeiter – und erntet zwar nur langsam, dafür stetig den Lohn für ein noch wenig bekanntes Produkt.

 

Es habe als Spinneridee begonnen, sagt Landwirt Hans Fuhrer. Der Anstoss kam ursprünglich vom Tropenhaus in Frutigen, welches kurz die Idee von regionalem Wurmfutter für seine Störzucht verfolgte. So sollten Landwirtinnen und Landwirte im Kandertal rund 120 Tonnen Würmer als Futter für die Störe produzieren – auch Hans Fuhrer wollte es probieren.

 

Organisch-mineralische Erde

 

Weil viele Fragen aber offen blieben, reifte die Idee nie ganz aus: Es wurde unter anderem nie abschliessend ausgearbeitet, wie die Bewirtschaftung oder die Ernte der Würmer genau funktionieren sollte und auch finanzielle Fragen wurden nicht geklärt. «Schlussendlich scheiterte die Idee dann – auf den Wurm sind wir aber trotzdem gekommen», erzählt Hans Fuhrer.

 

Anstatt auf Wurmfutter setzte der Berner Oberländer Landwirt mit seinen Kompostwürmern fortan aber auf die Herstellung von Biodünger. Dazu lässt er den Mist seiner Mutterkühe auf dem Miststock «vorrotten» und verfüttert ihn anschliessend an seine Würmer. Diese fressen und verwerten den Kuhmist und scheiden ihn als nährstoffreichen Humus wieder aus. So entsteht eine organisch-mineralische Erde, die viele aktive Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze enthält und besonders wasserspeichernd ist.

 

Je nach Jahreszeit tummeln sich mehrere Millionen Kompostwürmer in Fuhrers Wurmstall.
Renate Hodel

 

Es dauerte bis zur ersten Ernte

 

«Für die ersten Würmer haben wir den Miststock entsprechend bearbeitet, damit sich die Würmer dort gut vermehren, haben diese dann gesammelt und der Anlage zugeführt», erklärt Hans Fuhrer. Dann dauerte es allerdings seine Zeit, bis die Würmer erste nennenswerte Resultate lieferten: Rund eineinhalb Jahre nach der ersten Anfütterung konnte die erste Wurmernte geerntet werden.

 

Die ersten paar Hundert gesammelten Würmer mussten sich nämlich zuerst vermehren. Zwei Würmer würden bei Laborbedingungen jährlich rund tausend Nachkommen zeugen – in seiner Anlage seien es vielleicht 500 bis 700 Würmer pro Jahr, erläutert Hans Fuhrer weiter.

 

Fuhrers Wurmstall

 

Den ersten Prototyp ihres Wurmstalls bauten Fuhrers 2009 und liessen die Anlage im Frühling desselben Jahres ein erstes Mal laufen. Der kleine Prototyp funktionierte bereits nicht schlecht, sodass Fuhrers ein Baugesuch für einen grösseren Wurmstall einreichten. Das Baubewilligungsverfahren gestaltete sich allerdings nicht ganz einfach: Unter anderem weil vergleichbare Anlagen selten waren und bei den Ämtern Unklarheit herrschte, welche Anforderungen erfüllt sein mussten.

 

Ausserdem sollte die Anlage in einer Ökovernetzung zwischen Bäumen zu stehen kommen und der angedachte Folientunnel, in dem der Wurmstall untergebracht werden sollte, würde in der Landschaft etwas fremd wirken. 2010 konnten Fuhrers die Anlage aber schliesslich verwirklichen, realisierten vorerst aber nur die halbe Anlage – dreissig Meter statt der bewilligten sechzig Metern.

 

Erntefrische Wurmerde - so wird Kuhmist zu hochqualitativem Biodünger.
Renate Hodel

 

Würmer fressen sich durch Mist

 

Darin steht nun das modulare Konstrukt aus übergrossen Holzkisten auf Stelzen, in denen sich die Würmer durch den eingefüllten Mist arbeiten. Je nachdem wie viel Wurmerde produziert werden soll, kann Hans Fuhrer mehr oder weniger Module befüllen. «Da unser System ab Boden ist, ist die Luftzufuhr immer gewährleistet und das zu verwurmende Material erstickt nicht – anders als bei der klassischen Kompostierung beispielsweise mit Feldrandmieten», sagt der Landwirt.

 

Die Würmer fressen jeweils in den obersten zwanzig Zentimeter – alles unterhalb ist gefressen und verwertet. Von unten her kann der Wurmhumus dann geerntet und oben wieder neuer Mist zugefüttert werden – so wandern die Würmer quasi immer von unten nach oben.

 

Slow Food für Pflanzen

 

Je nach Jahreszeit fressen sich die bis zu sechs Millionen Würmer in der 134 Quadratmeter grossen Anlage in zwei Monaten durch fünfzig Zentimeter Kuhmist – im Jahr fällt so rund 120 Kubikmeter qualitative Wurmerde an. Damit die Tiere auch bei Minustemperaturen überleben, kann die Anlage, wenn nötig, beheizt oder im Sommer bei grosser Hitze und Trockenheit mit Luftzufuhr gekühlt und bewässert werden. Erfahrungswerte, wann welche Massnahmen geboten sind, wann Erde geerntet werden kann und wann es eine Auffütterung braucht, musste Hans Fuhrer über die Jahre in Eigenregie sammeln.

 

Nach über zehn Jahren zieht Hans Fuhrer ein positives Fazit: «Andere haben ihren Alpkäse oder ihre Dauerwurst – ich habe Würmer und Kühe», meint er schmunzelnd. Ein paar Sachen würde er anders angehen, von den Würmern ist er aber nach wie vor voll überzeugt. Das zeigten die eigenen Erfahrungen mit dem Wurmdünger, aber auch die Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden. «Wurmerde ist im Vergleich zu Kunstdünger wie ein gesunder und nahrhafter Apfel zu einem Fast-Food-Hamburger: Beim Kunstdünger verpufft die Wirkung schnell – die Wirkung von Wurmerde ist zwar träger, dafür umso nachhaltiger», erklärt der Landwirt.

 

Die fertig aufbereitete Wurmerde wartet auf den Einsatz im Feld, Obst- und Gemüsegarten oder als Substrat für Komposttee.
Renate Hodel

 

Noch verhaltene Popularität

 

Trotzdem ist das biozertifizierte Produkt nach wie vor wenig verbreitet, auch wenn es den aktuellen Nachhaltigkeitsgedanken in der Landwirtschaft eigentlich gut trifft. Und bis heute haben Fuhrers nicht die ganzen bewilligten sechzig Meter ihrer Anlage gebaut: «Wir wollten zuerst schauen, wie’s läuft und heute sind wir froh haben wir nicht die ganze Anlage gebaut, denn die Nachfrage und damit auch der Absatz für die ganze Anlage sind bis heute nicht da», meint Hans Fuhrer weiter. Es sei noch zu wenig bekannt, was Wurmerde überhaupt sei und wie gut sie als organischer und mineralischer Dünger funktioniere. So sei beispielsweise bei mit Wurmerde gedüngtem Gemüse ein erhöhter Vitamin-C-Gehalt und bei Rosen weniger Blattläuse festgestellt worden.

 

Fuhrers vermarkten ihre feingesiebte Wurmerde einerseits über den Direktverkauf, aber auch über Gartencenter in der ganzen Schweiz. Teilweise setzen auch Gartenbauunternehmen den Biodünger ein. Vor kurzem konnte Hans Fuhrer seine selbst angeeignete Expertise auch bei einem gemeinsamen Projekt des Zürcher Unternehmens Wormup und Coop einbringen, die zusammen eine ähnliche Wurmanlage realisiert haben. Ein grosser Player wie Coop könnte das Produkt Wurmerde natürlich einiges bekannter machen, meint Hans Fuhrer. «Wir waren vielleicht einfach zehn Jahre zu früh dran, das Umdenken kommt aber langsam.»

Kommentare (2)

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  • Willy | 23.02.2022
    Willy
    die Idee finde ich gut, Alternativ-Idee --> verrotteter Kompost im Herbst ausbringen und die Würmer arbeiten den ganzen Winter
    im Frühling sehr gutes Resultat, sehr viele Bodenlebewesen / Würmer im Boden aktiv
  • Moritz | 22.02.2022
    Ökobilanzen sind ja heute modern.
    Würde diese Wurnerde mit einem gut verrotten Kompost aus vielen, sich ergänzenden Ausgangsstoffen verglichen, würde diese Wurnerde bestimmt sehr schlecht anschneiden!

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