Der Berner Bauernpräsident Hans Jörg Rüegsegger sagte sinngemäss, im Emmental und im Oberland sei es nicht gelungen, die Anzahl Betriebe zu reduzieren. Nun sagt er aber, dass er sich nicht weniger Betriebe wünsche.
Wie viele Bauernbetriebe braucht es? Auf dieses heikle Thema kam die «Berner Zeitung» im Interview mit Hans Jörg Rüegsegger, dem Präsidenten des Berner Bauernverbandes (BEBV), zu sprechen. Jener sagte dazu unter anderem: «Im Seeland und im Berner Jura sind die Betriebe schon grösser. Im krassen Gegensatz dazu steht das Emmental und das Berner Oberland. Hier müssen wir uns fragen, warum es in den vergangenen 20 Jahren nicht gelang, die Betriebsstrukturen an die Marktbedürfnisse anzupassen.»
«Wertschöpfung zählt»
Wünscht sich der oberste Berner Bauer also weniger Berner Bauern? «Nein», betont Rüegsegger gegenüber dem «Schweizer Bauer». Er habe sich im Interview gegen den Vorwurf verteidigen müssen, dass Bern im Strukturwandel anderen Kantonen hinterherhinke. Er wehre sich gegen Vorstellungen, dass kleine Betriebe einfach wegmüssten. Denn: «Die Grösse allein ist gar nicht entscheidend. Die erzielte Wertschöpfung ist viel wichtiger.»
Der BEBV engagiere sich dafür, dass die Landwirte und die Bäuerinnen etwas verdienen können, wenn sie auf dem Hof arbeiten und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen erbringen, sei es Lebensmittelproduktion oder Dienstleistungen. Und zwar so viel, dass die Bauernfamilien nicht nur genug zum Leben hätten, sondern auch in die Weiterentwicklung ihres Betriebes investieren könnten. Und leider sei dies in allzu vielen Fällen derzeit nicht gegeben. Rüegsegger betont auch: «Mir ist völlig bewusst, dass viele Bergbetriebe von der Arbeitsbelastung her gar nicht noch zusätzliches Land bewirtschaften könnten.»
Aufgrund der Betriebsstrukturen sei aber gerade in den Gegenden Emmental und Oberland der wirtschaftliche und soziale Druck auf die Betriebe sehr gross. «Da besteht die Gefahr, dass ausgerechnet die fähigen Unternehmer aussteigen, weil sie das angestrebte Einkommen nicht erreichen können.» Er verlange, dass das Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern (Lanat) diesen Punkt in seinen Analysen berücksichtige.
Traditionsbewusstsein
Aber ist es nicht gut, wenn im Emmental und im Oberland viele weiterhin mindestens ein Standbein in der Landwirtschaft haben wollen? «Natürlich hat dies einen positiven Aspekt», sagt Rüegsegger. Denn ihm ist bewusst, dass weniger, dafür grössere und wirtschaftlich vielleicht stärkere Betriebe auch einen Preis haben: Gesellschaftspolitisch werden die Bauern geschwächt, wenn ihre Berufsgruppe zahlenmässig kleiner wird und weniger Leute einen direkten Bezug zur Landwirtschaft haben. Dies betonte kürzlich Peter Brügger, der Solothurner Bauernsekretär, gegenüber dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst. Rüegsegger stimmt auch der Analyse des Schreibenden zu, dass die nach wie vor hohe Anzahl von Betrieben im Emmental und im Berner Oberland auch mit der dort grossen Verwurzelung in der Landwirtschaft und mit dem ausgeprägten Traditionsbewusstsein zu tun hat.
Wandel sei «blockiert»
Im Interview mit der «Berner Zeitung» sagte Rüegsegger auch: «Berater berechnen sogar dort Zukunftsszenarien, wo sie wirtschaftlich und sozial wenig Sinn machen. Das blockiert den Strukturwandel.» Möchte Rüegsegger also doch, dass der sogenannte Strukturwandel schneller vonstatten geht? Auch da verneint der Berner Bauernpräsident auf Nachfrage. «Der Strukturwandel ist eine Tatsache», betont er. Ihm ist wichtig, dass nicht als Versager gilt, wer die Landwirtschaft aufgibt. Es sei davon auszugehen, dass der Strukturwandel weiter vorangehe.
«Die grosse Herausforderung für die Zukunft ist, all die geforderten Leistungen mit wahrscheinlich weniger Bauern zu erbringen, und zwar so, dass die Betriebe genügend wirtschaftlich sind und die Bewirtschaftung nachhaltig ist», sagt Rüegsegger. Arbeit sieht er genug, etwa, wenn er an die vielen steilen Hänge im Berner Oberland denkt – langfristig genügend Wertschöpfung sei zu erzielen, sei die grosse Herausforderung. Auf dieses Ziel müssten Branche, Verwaltung und Politik gemeinsam hinarbeiten.