Jodeln und Hardrock, Schwingen und Eishockey, Heimarbeit und High-Tech, Bauernkrieg und BDP: Im Dokfilm «Herz im Emmental» ergänzen Bernhard Giger und Bänz Friedli das geblümte Bild der Sehnsuchts-landschaft Emmental mit ein paar zusätzlichen Facetten.
Eingestreute Szenen aus Gotthelf-Verfilmungen von Franz Schnyder erinnern immer wieder an das bekannte Emmental-Klischee: etwa das Schwarz-Weiss-Bild von den armen, gschaffigen, herzensguten Menschen wie dem Vreneli aus «Ueli der Knecht» auf der einen Seite und den geldgierigen, dummen Stieregrinden aus «Die Käserei in der Vehfreude» auf der anderen.
Landschaftsbilder und Geschichten
Die Landschaft, die Giger einfängt, ist dieselbe geblieben: sanfte Hügel und dunkle Krächen, aus denen Nebel steigen oder über denen Wolken dräuen. Auch werden Aufnahmen von der Lüderen-Chilbi und dem Kemmeriboden-Schwingen gezeigt, sowie ein schmuckes Heimetli, vor welchem der junge Kranzschwinger Matthias Siegenthaler posiert.
Selbst TV-Moderator Ueli Heiniger repräsentiert im Film nicht etwa nur moderne Zeiten. Er war als Bub Statist in der berühmten Massenprügelei aus Schnyders «Die Käserei in der Vehfreude» (1958). Noch weiter in die Geschichte zurück blickt er, wenn er erzählt, wie ihm die Mutter vom Bauernkrieg berichtete und so das jahrhundertealte Emmentaler Misstrauen gegen Bern weitervererbte.
Rebellion in Geranien-Arkadien
Historisches hat auch Ida Heiniger zu erzählen: Von ihrer Mutter, die in den 1940er-Jahren für 10 Rappen Stundenlohn strickte. Und wie sie schliesslich 1943 an der berühmt gewordenen Brestenberger Protest-Landsgemeinde der Heimarbeiterinnen teilnahm, was damals einer Revolution gleichkam.
Der weibliche Aufstand in Geranien-Arkadien freilich war - und das blendet der Film aus - nicht genuin emmentalisch: Ohne die Aufklärungsarbeit des Stadtzürcher Journalisten Peter Surava und seines Fotografen Paul Senn hätte er wohl nie stattgefunden.
Moderne Erfolgsgeschichten
Giger und Friedli haben elf Emmentaler und Emmentalerinnen interviewt - Dagebliebene, Weggezogene und Eingewanderte. Das Spektrum reicht von Shakra, der Lieblingsband von Bode Miller, über BDP-Gründer Hans Grunder, Stade-de-Suisse-Erbauer Bruno Marazzi bis zum High-Tech-Seil-Fabrikanten Peter Jakob. Mehrheitlich moderne Erfolgsgeschichten also.
Das macht «Herz im Emmental» zu einer Art abendfüllendem Werbespot. Allerdings einem sehr körnigen. Die einzelnen Interviewten aus Musik, Industrie, Sport und Entertainment miteinander in Beziehung zu setzen gelingt nur selten.
Dass sich alle Beteiligten an einem Hockeyspiel der SCL Tigers treffen - als angeblich einziger nicht-städtischer Nationalliga-A-Verein auch so eine Erfolgsgeschichte - ist ein hübscher, aber etwas forciert wirkender Trick.
Deutschschweizer Kinostart ist am 20. Oktober 2011.