Der Schweizerische Ziegenzuchtverband (SZZV) schlägt Alarm. Die Population der Nera-Verzasca-Ziegen ist stark rückläufig.
Die Zahlen sind seit Jahren stark rückläufig – trotz intensiver Bemühungen, die brandschwarzen Schönheiten aus dem Tessin vor dem Aussterben zu bewahren. Ab dem Jahr 2003 haben der Kanton Tessin und der Tessiner Ziegenzuchtverband zweimal ein internationales Interreg-Projekt über je sechs Jahre lanciert.
Finanzielle Förderung
Interreg bietet die Möglichkeit für konkrete grenzübergreifende Projekte zur Weiterentwicklung der Regionen. Es wurde in Zusammenarbeit mit italienischen Behörden entwickelt, weil auch in den italienischen Provinzen Luino und Como Nera-Verzasca-Ziegen gezüchtet werden. Parallel dazu bemühte sich auch der Schweizerische Ziegenzuchtverband (SZZV) darum, teils mit Unterstützung vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Rahmen von Projekten zur Förderung gefährdeter Rassen (Gef-Ra), die Rasse zu erhalten.
Konkret wurden etwa die Bockhaltung oder die Bockweiden mit finanziellen Beiträgen gefördert. Schliesslich wurde eine Interessengemeinschaft gegründet, die IG Nera Verzasca, welche inzwischen bereits drei nationale Ausstellungen organisiert hat, um den Bekanntheitsgrad der Rasse zu erhöhen. Die letzte Ausstellung fand im vergangenen Oktober in Oberwil bei Stans NW statt.
Trotz aller Bemühungen gingen die Bestände zurück. So dramatisch, dass der SZZV nun Alarm schlägt. Tatsächlich hat die Population von rund 1400 Herdebuchtieren zu Beginn der diversen Erhaltungs-Projekte auf gerade mal noch etwas über 700 Tiere abgenommen. Davon leben nur rund 400 Tiere im Tessin – die übrigen sind bei Liebhabern im Rest der Schweiz registriert.
Zahl im Tessin stabil
«Dabei ist die Zahl der Ziegen im Tessin eigentlich recht konstant geblieben», weiss Loris Ferrari, «ganz im Gegensatz zu Kühen oder Schafen, die stark abgenommen haben.» Ferrari ist ehemaliger Interreg-Vertreter des Kantons Tessin und heute Chef des Tessiner Landwirtschaftsamts. Die Nachfrage nach Milchprodukten und Fleisch von Ziegen ist im Tessin nach wie vor gross. «Allerdings dürften einige Züchter gespürt haben, dass man auch ohne Herdebuch finanziell erfolgreich wirtschaften kann», schätzt Ferrari.
Doch er betont auch: «Es ist die Rasse, die sich am besten an schwierige Produktionsbedingungen anpasst, obwohl sie fast neun Monate im Jahr frei draussen lebt. Dafür werden Ziegen nicht selten von frei laufenden Böcken besprungen, sodass die Bedingungen für die Teilnahme am Herdebuch oft nicht erfüllt sind.»
Temperamentvoll
Andere Tessiner Bauern setzen auf Rassen wie die Gämsfarbige Gebirgs- oder die Saanenziege, weil sie sich von ihnen mehr Effizienz und grössere finanzielle Sicherheit versprechen. Denn die Nera-Verzasca-Ziege gilt als temperamentvoll und beinahe schon wild. Auch Luca Prestinari aus Arogno TI, der den Kanton Tessin im Vorstand des SZZV vertritt und seit letztem Jahr Präsident der IG Nera Verzasca ist, hält etwa 80 Gämsfarbige Gebirgs- und 40 Bündner Strahlenziegen, dagegen aber erst drei Nera-Verzasca-Ziegen.
«Als ich mit der Ziegenzucht begonnen habe, wurde mir auch eher von der Nera-Verzasca abgeraten», erinnert er sich. Inzwischen beobachtet er, dass sich die schwarzen Ziegen gut in Herden von anderen Rassen integrieren lassen, weshalb er nun noch mehr kaufen will. «Sie eignen sich entgegen weit verbreiteter Meinung durchaus auch für eine intensive Bewirtschaftung», betont Prestinari. Sie sind robust und zeigen bei karger Futtergrundlage eine ansprechende Milchleistung. Bei intensiver Fütterung sei das Leistungspotenzial mit anderen Gebirgsrassen vergleichbar, und auch die Fett- und Eiweissgehalte seien interessant.
Einfache Registrierung
Auf diese Tatsachen will der SZZV nun mit einem bislang einmaligen Aufruf aufmerksam machen, um der stark bedrohten Rasse zu neuem Aufschwung zu verhelfen. Dabei kommt dem Verband entgegen, dass seit Einführung der TVD im Jahr 2020 auch eine Meldepflicht für Nicht-Herdebuch-Züchter besteht. In enger Zusammenarbeit mit der Identitas AG, welche im Gegensatz zum Zuchtverband über Adressen verfügt, wurden daher alle Ziegenhalter und Nera-Verzasca-Züchter auch ausserhalb des Tessins angeschrieben und eingeladen, im Herdebuch mitzumachen.
«Um im Herdebuch registriert zu sein, braucht es nur noch eine Sprungmeldung und eine Exterieur-Beurteilung als zusätzliche Minimalanforderung», erklärt SZZV-Geschäftsführerin Ursula Herren. Überzeugt davon, dass eine Rasse nur dann vor dem Aussterben bewahrt werden kann, wenn die Population gross genug ist, um die Inzucht auf tiefem Niveau zu halten. Dies ist aber nur mit einer Herdebuch-Registrierung möglich. Erste ermutigende Echos gebe es bereits.