Die Wurstkälber sollten den Kalbfleischmarkt in der Zeit nach Ostern und Weihnachten entlasten. Doch weder Milchvieh-produzenten noch Verarbeiter zeigen grosses Interesse. Die nächsten 14 Tage sind entscheidend.
Die in die Wurstkälber gesteckten Hoffnungen drohen bereits nach wenigen Wochen zu platzen. Das Projekt Wurstkalb sollte besonders in den Wintermonaten als Entlastungsinstrument dienen, da die Nachfrage nach Tränkern und im Besonderen nach qualitativ ungenügenden Tieren eingeschränkt ist.
Markt entlasten
Diese Kälber (mit ungenügender Fleischqualität und Muskelfülle), vorwiegend aus der Milchgenetik, sollten durch die Milchviehproduzenten auf ihrem eigenen Betrieb bis zu einem Lebendgewicht von 90 Kilo gemästet werden. Damit könnten auch die Krankheitsrisiken minimiert werden, waren sich die Beteiligten sicher.
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) wie der Schweizer Kälbermästerverband (SKMV) erhofften sich zudem eine Entlastung des Bankkälbermarktes, besonders nach Weihnachten und Ostern. Die Proviande begann ab dem 3. Oktober 2011 die Preise für Wurstkälber zu veröffentlichen und legte den Preis nach Umfrage bei Verarbeitern auf sieben Franken pro Kilo Schlachtgewicht fest. Gemäss Recherchen des «Schweizer Bauer» schwankt aber das Preisband massiv. Es soll sich zwischen vier und neun Franken bewegen.
Bereits zu Beginn hatten einige Marktkenner Zweifel an der Umsetzung des Projekts. Sie glauben nicht an ein Interesse der Milchvieh-produzenten, die Tränker selber zu mästen.
Preise «verschwunden»
Am vergangenen Freitag wurde klammheimlich der Preis für die Wurstkälber in der QM-Wochenpreistabelle entfernt. «Das wurde mit dem Bauernverband und dem Kälbermästerverband abgesprochen», sagt Peter Christen, Leiter Klassifizierung&Märkte von der Branchenorganisation Proviande.
Die Nachfrage nach Kalbwurstfleisch sei nicht gross. Es fehle von sämtlichen Beteiligten, Produzenten, Händlern und Verarbeitern, die Bereitschaft, das Projekt mit dem nötigen Biss voranzutreiben. Das Projekt indes sei noch nicht gestorben, denn Fleisch sei ein Tagesgeschäft, sagt Christen gegenüber dem «Schweizer Bauer».
Ernüchterung bei SBV und SKMV
Der Bauernverband ist über die Entwicklung des Projekt Wurtskalb nicht erfreut. «Dies war kein Schnellschuss. Das Vorhaben ist seriös unter Beteiligung von Produzenten, Handel, Verarbeiter und Tierschutz, in einem Praxisversuch getestet worden. Die Proviande hat im Schlachthof die Ausbeute überprüft», erklärt Martin Rufer, Leiter des Departements Produktion, Märkte und Ökologie des SBV.
Man habe beim Start die Parameter kommuniziert, der Verlauf sei hingegen harzig verlaufen. Momentan fehle es vor allem an Verarbeitern, die die Tiere zu vernünftigen Bedingungen abnehmen. Man warte die nächsten 14 Tage nun noch ab und hoffe, dass der Markt doch noch Zug aufnehme. Bei einem allfälligen Angebotsüberhang von Kalbfleisch bleibe noch das Instrument Einlagerung, hebt er hervor.
Auch SKMV-Präsident Samuel Graber ist ob der Situation unglücklich. «Ich bin enttäuscht, dass das Projekt so harzt. Das ist besonders nachfrageseitig bedingt», betont Graber. Zudem werde der von der Proviande publizierte Preis oft nicht bezahlt. Er räumt aber auch ein, dass der Zeitpunkt der Einführung nicht optimal gewählt wurde. «Im Frühling hätte es vermutlich besser funktioniert, denn Bratwürste grillt man meist im Sommer», fährt Graber fort.
Türe noch nicht zu
Der grösste Fleischverarbeiter der Schweiz, die Coop-Tochter Bell, bestätigt, dass man beim Praxisversuch Hand geboten habe und die Fleischqualität den Erwartungen entsprochen habe. Davide Elia, Leiter Marketing/Kommunikation Bell, teilt mit, dass man deshalb durchaus Interesse am Fleisch von Wurstkälbern habe. Doch das Gewicht und die Fleischqualität der ersten geschlachteten Wurstkälber seien signifikant tiefer ausgefallen als in der Versuchsreihe. «Deshalb mussten wir Abzüge tätigen», sagt er. Man sei dem Thema weiterhin nicht abgeneigt. Die Qualität der in der Praxis gelieferten Tiere soll aber den Eckwerten aus der Versuchsreihe entsprechen, fährt Elia fort.
Auch Migros-Tochter Micarna nahm am Versuch teil. Die Migros sei weiter bereit, Wurstkälber unter den vereinbarten Einkaufsbedingungen (siehe Box) zu übernehmen. Doch bisher seien kaum Angebote bei der Micarna eingeroffen, erklärt Urs Peter Naef, Pressesprecher der Migros.
In den Türken-Kanal
Wie Marktkenner berichten, fänden sich aber durchaus Abnehmer für Wurstkälber. Im westlichen Teil der Schweiz hätten Bauern erste Wurstkälber abgeliefert. Diese würden aber hauptsächlich vom Kebab-Kanal (zuweilen auch «Türken-Kanal» genannt) absorbiert.
Wurstkalb
- Mindestalter bei Schlachtung: 50 Tage.
- Maximales Lebendgewicht: 90 Kilo.
- Absetzfristen sind zwingend einzuhalten.
- Die Richtlinien des Tierschutzes müssen eingehalten werden.