Wie sieht der Landwirt 2.0 aus? Und woher kommt die Energie, die der Hof braucht? Diesen und anderen Fragen ging die Infotagung in Ibach SZ und Brunnen SZ nach, zu der die Firma Ecocoach am Donnerstag eingeladen hatte.
Alle reden von der Energiewende, das Klima ist in aller Munde und Greta Thunberg hat uns die Hölle heiss gemacht. Es gibt aber auch Leute, die nicht nur von der Energiewende reden, sondern auch einen aktiven Beitrag dazu leisten. Und zwar nicht wenige.
Bauernhöfe haben naturgemäss grosse Dächer auf den Scheunen, und diese lassen sich, eine günstige Exposition vorausgesetzt, ideal für die Produktion von Solarstrom nutzen. Das haben schon viele Bauern gemerkt, und auch, dass sie längerfristig damit die Energiekosten ihrer Betriebe senken können.
Aus allem Abfall
Die Tagung begann am Morgen im Agro-Energiezentrum Schwyz in Ibach SZ. Pirmin Reichmuth führt den Betrieb, den sein Vater vor zehn Jahren zu einem Vorzeigebetrieb umgebaut hat. Es stehen zwar immer noch 80 Kühe im Stall, doch auf einem Teil des Geländes bei der Autobahn in Richtung Gotthard stehen grosse Industriegebäude und eine grüne Kuppel, ein Biogastank. Aus allen möglichen landwirtschaftlichen Abfallprodukten, von Gülle bis Fleischsuppe, lässt sich hochwertiges Gas gewinnen. Dieses treibt im nächsten Gebäude einen grossen Generator zur Stromgewinnung an. Der Strom wird ins Netz gespeist.
Daneben ist eine mächtige Anlage, die zwei riesige Öfen birgt, in denen mit Holzschnitzeln ein Fernwärmesystem genährt wird, das einen grossen Teil des Schwyzer Talkessels und bis nach Morschach hinauf mit Wärme versorgt. Chromblinkende Rohre winden sich durch die Halle, die Abgasreinigung nimmt den grössten Teil des Raumes ein, da in den Schnitzeln viel beschichtetes und bemaltes Holz verbrannt wird. Möbel, Abbruchholz, Paletten und viel Undefinierbares finden den Weg in den Ofen. Nur druckimprägniertes Holz, also Eisenbahnschwellen und Telefonstangen, enthalten zu viele Giftstoffe, um der Anlage zugeführt werden zu können. Sie würden die Rauchgasreinigung überfordern.
Fernwärme
Wenn ein Gebiet für die Fernwärme neu erschlossen wird, entscheiden sich laut Pirmin Reichmuth 80 Prozent der Anwohner für die umweltfreundliche Energie, die mit 90 Grad im Haus ankommt und dieses mit etwa 50 Grad wieder verlässt. Diese Zahlen beweisen, dass das System durchaus konkurrenzfähig ist gegenüber herkömmlichen Energiequellen. Da die Durchlauftemperatur nicht erhöht werden kann, wird bei kälterem Wetter die Durchlaufgeschwindigkeit angepasst. Dies und die unabhängig voneinander laufenden Öfen garantieren, dass es zu keinen Wärmeausfällen kommt. Wenn zu wenig Altholz angeliefert wird, kann das System zur Not auch mit Heizöl betrieben werden.
Als unsere Besuchergruppe die chromglänzende Anlage verlässt und ins Freie tritt, schaufelt ein grosser Bagger Altholz in einen Schredder, wo es zu Splittern verkleinert wird. Eisenteile und Steine werden automatisch ausgeschieden. Gleich daneben reckt sich ein rostiger Stahlkoloss in den Himmel. Rund wie ein Gaskessel und mit einem Durchmesser, fast wie das Pantheon in Rom.
Das Objekt ist aber erst im Bau und wird ein 50 Meter hoher Wärmespeicher. 24000 Kubikmeter Heisswasser werden da schon bald als Wärmereservoir und Puffer für Spitzenzeiten den Wärmekunden die Sicherheit geben, dass sie auch bei extremem Winterwetter keine kalten Stuben haben werden. Ursprünglich war geplant, zuoberst noch ein Besucherzentrum zu bauen. Es hätte eine spektakuläre Rundsicht über den Schwyzer Talkessel ermöglicht, scheiterte aber an einer Einsprache.
«Elektro ohne Nachteile»
Der Nachmittag gehörte der Elektrizität. Ecovolt heisst die Tochterfirma und hat sich auf Stromspeichertechnologien und elektrische Spezialfahrzeuge ausgerichtet. Grosse Maschinen, vom John-Deere-Traktor bis zum Caterpillar, stehen da mit geöffneten Motorhauben. Ihre Eingeweide sehen allerdings ungewohnt aus. Statt eines Dieselmotors enthalten sie Batterien und Elektromotoren.
Die Macher sind überzeugt, dass dies die Zukunft ist und dass es auch keine Nachteile hat. Wenn ein Fahrzeug von Anfang an auf den Elektroantrieb ausgerichtet ist, kommt es im Unterhalt rund 74 Prozent günstiger als ein Dieselfahrzeug. Das sollte den Mehrpreis in der Anschaffung in wenigen Jahren wettmachen. Der Strom soll in einem Mix von verschiedenen nachhaltigen Systemen gewonnen und in Batterien gespeichert werden.
Strom speichern
In einem Kasten, wenig grösser als ein handelüblicher Kühlschrank, lässt sich Strom speichern, um die Leistungsunterschiede einer Fotovoltaikanlage einerseits und den Bedürfnissen eines Bauernbetriebs andererseits auszugleichen. Während den Melkphasen am Morgen und Abend wird viel Strom gebraucht, die Solarpanels auf dem Dach liefern aber in der Mittagspause am meisten.
Diesen Strom soll man nutzen, um die Fahrzeugbatterien des Elektrotraktors aufzuladen und den Rest in einem stationären Speicher mit Lithiumbatterien zwischenzulagern. Wird diese Technologie konsequent angewendet und intelligent gesteuert, kann ein Bauernbetrieb von fremder Energie unabhängig wirtschaften.
E-Traktor
Aber woher nimmt man denn einen elektrischen Traktor? Der findige Tüftler und Entwickler Sepp Knüsel von Rigitrac weiss die Lösung. Er hat in seinem kleinen Betrieb in Ibach SZ in den letzten Jahrzehnten erfolgreich landwirtschaftliche Maschinen entwickelt und hat auch gebirgstaugliche Traktoren Zentralgelenk im Angebot. Auf dieser Basis hat er einen Prototypen mit Batteriebetrieb entwickelt, der sich in seinen bisherigen 300 Arbeitsstunden im Ernsteinsatz sehr bewährt hat. Auf dem ehemaligen Firmengelände der Ruag konnten die Tagungsteilnehmer nun diesen Prototypen ausprobieren. Die Beschleunigungswerte sind enorm und stellen manchen konventionellen Rennwagen in den Schatten. In 1,5 Sekunden erreicht das Gefährt die Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h. Nun, das soll mit einem vollen Jauchefass nicht das Ziel sein, die neue Technologie wird auch gewisse neue Anforderungen an die Piloten stellen.