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Ein Bauer, der die Mostereigeschichte prägte

Hochstämmige Obstbäume in Algetshausen und in den Dörfern Ober- und Niederstetten erinnern daran, dass hier noch über die Rodungszeit des letzten Jahrhunderts hinaus der Streuobstbau zur Landschaft gehörte.

Christian Jud |

 

 

Hochstämmige Obstbäume in Algetshausen und in den Dörfern Ober- und Niederstetten erinnern daran, dass hier noch über die Rodungszeit des letzten Jahrhunderts hinaus der Streuobstbau zur Landschaft gehörte.

Zur Blütezeit, im Frühling, werden «die Riesen auf den Wiesen» als ein die Landschaft prägendes Wunder bestaunt, gelobt und gepriesen. Im Herbst aber, zur Erntezeit macht diese Euphorie der Frustration Platz. Niemand will die Früchte haben. Ein ökologischer und ökonomischer Widerspruch: die momentane Überproduktion von Mostbirnen.

1940 Betrieb übernommen

Erinnerungen werden wach an die Zeiten von Edwin Gubler, den «Obstbaron» in Algetshausen, der 1993 hochbetagt verstorben ist. Als er im Jahr 1940 den umfangreichen Betrieb, die Landwirtschaft, die Mosterei, die Brennerei und den Obsthandel übernahm, da hatten der Hof und die Mosterei bereits eine 120-jährige Geschichte. Seine Vorfahren hatten 1820 nach der letzten grossen Hungersnot 1816/17 eine Kundenmosterei in den Betrieb integriert.

Als in jenem verheerenden Dorfbrand 1842 in Algetshausen 32 Wohnhäuser und 16 Scheunen niederbrannten und 150 Personen obdachlos wurden, da fiel auch die Gubler-Liegenschaft mitsamt der Mosterei und der Brennerei dem Brand zum Opfer. Der Betrieb wurde dann am neuen Standort an der Büelwiesstrasse wiederaufgebaut.

Obstbau-Euphorie

Es kommt nicht von ungefähr, dass schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts der Obstbau gerade in der östlichen Schweiz einen gewaltigen Aufschwung erlebte. Hilfeleistungen aus dem Ausland, besonders aus Ländern des heutigen Deutschland nach der verheerenden Hungersnot 1816/17, wurden an die Bedingung geknüpft, in den klein strukturierten Bauernhöfen zur Versorgung der Bevölkerung den Anbau von Kernobst zu intensivieren. 

Als dann zum Ende des 19.Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Eisenbahn und mit verbesserten Strassen das Getreide billig eingeführt werden konnte, da galt der damals noch durchwegs hochstämmige Streuobstbau als Alternative zum Ackerbau.

Gublers Neubau

Obwohl sich bereits in den Jahren vor dem Ausbruch des ZweitenWeltkriegs eine Sättigung des einheimischen Obstanbaus abzeichnete, glaubte der Algetshauser Landwirt, Mosterei- und Brennereibetreiber und Obsthändler Edwin Gubler an eine florierende Zukunft. Als er im Kriegsjahr 1940 den Betrieb übernahm, baute er auf der Hinterseite der Liegenschaft ein neues Mostereigebäude mit einer Lagerfasskapazität von rund 150'000 Litern. Das war für die damalige Zeit ein gewaltiger Sprung in die Zukunft.

Nebst dem eigenen Obstertrag wurde von Gubler auch viel 0bst zugekauft und auch solches weitervermittelt. Der Raum Uzwil mit seinen bäuerlichen Dörfern war für den Obstanbau prädestiniert. Seinen Gublersaft, von dem der Algetshauser sprach, bezeichnete er nie als Most, sondern konsequent als Saft. Er hatte einen guten Ruf weit über die Region hinaus.

Mit seinem Pferdegespann war er mit den gefüllten Fässern «auf Kundschaft», wie er zu sagen pflegte. Und es war sein besonderer Stolz, dass der Gublersaft auch im benachbarten Thurgau gefragt war.

Persönlichkeit von Format

Edi Gubler hatte und pflegte einen grossen Bekanntenkreis, und dazu zählten auch die Dorfvereine, denen er seine offene Hand zeigte. Er war ein vortrefflicher und leidenschaftliche Schütze, und er tat das auf dem Heimweg von Schützenfesten damit kund, dass er die Schützenkarte an seinen Hut steckte. Und er war ein eingefleischter Rösseler. Der gross gewachsene und stattliche Mann hielt wenig von Schicksalsergebenheit oder gar Unterwürfigkeit. Er bewies Profil bis ins hohe Alter und vertrat konsequent seine Standpunkte.

Hier liesse sich wohl auch sein Ledigbleiben einordnen. Da er jene Person nicht zur Frau bekam, die er partout wollte, überliess er das Heiraten anderen, auch wenn es ein Dutzend oder mehr Frauen gab, die nicht ungern an seiner Seite gegangen wären. Das Heiraten schlug er sich aus dem Kopf und blieb dabei. Edi Gubler nicht unähnlich, stehen in der Region noch mächtige Birnbäume. Sozusagen als Zeitzeugen seiner Persönlichkeit.

Ideen sind gefragt

Auf der Suche nach den Ursachen des Überschusses von Birnen der hochstämmigen Bäume gibt es etliche Gründe. Schon Ende des 20. Jahrhunderts zeichnete sich eine Marktsättigung ab, die danach in einem Überschuss gipfelte. Überschätzt wurde der periodisch florierende Export, und mit der strengeren Erfassung der Alkoholgesetzgebung verengte sich ein weiterer Absatzkanal.

In den Aufzeichnungen der Kundenmostereien wird dokumentiert, dass zum Gärmost die Äpfel mehr und mehr auf Kosten der Birnen gemahlen und gepresst wurden. Eine Zeit lang verarbeiteten die kleinen Hausmostereien die Birnen noch für den eigenen Gebrauch. Mit dem Verschwinden des Küferhandwerks aus den Dörfern ging auch der hauseigene Mostverbrauch aus mehr oder weniger kaum mehr gepflegten Mostfässern zurück.

Verschwunden sind auch –  beinahe unbemerkt – die einstmals vielen Kundendörrereien, betrieben von Armenhäusern, die sich später Bürgerheime nannten. Auch die Gaswerke und die Klöster gaben diesen Dienstzweig mehr und mehr auf.

Bekannte Sorten sind verschwunden

Es ist bezeichnend, dass mit dem Verschwinden der hochstämmigen Birnbäume eine sehr grosse Zahl einst bekannter Sorten von Dörrbirnen still und leise verschwunden sind. Würde jedes Birnbrot, das ungeniert den Namen einer Talschaft oder eines Kantons trägt, mit einheimischen Birnen hergestellt, hätte eine erstaunliche Zahl dieser Baumriesen eine Überlebenschance gehabt.

Birnel, das hervorragende Birnenprodukt, erhielt nie diesen Stellenwert, der ihm zugestanden hätte. Dadurch, dass man sich über lange Zeit auf den Gemeindestellen als mehr oder weniger bedürftig ausweisen musste, um verbilligt an Birnel heranzukommen, bekam das Produkt eher einen unguten Beigeschmack.

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