In der Weihnachtzeit mit ihren zahlreichen Konzerten haben die Geigenbauerinnen und Geigenbauer alle Hände voll zu tun. In letzter Minute müssen Instrumente angepasst oder repariert werden.
Hélène Monziès und Kaspar Maurer arbeiten in der Rue de la Ferme in Genf, wohin sie mit ihrer Geigenbauwerkstatt erst gerade gezogen sind. Das Atelier Maurer widmet sich der Restaurierung, dem Verleih und dem Verkauf von Geigen, Bratschen und Celli sowie der Wartung von Bögen.
An Arbeit mangelt es nicht
Die Geigenbauerin Monziès wird den Laden voraussichtlich übernehmen, da Kaspar Maurer bald in den Ruhestand gehen wird. Sie schliesst die Idee nicht aus, den Instrumentenbau weiterzuführen. An Arbeit mangelt es für die acht Geigenbauwerkstätten in Genf nicht. Die Präsenz zweier grosser Orchester, des Orchestre de la Suisse Romande und des Orchestre de Chambre, spielt dabei zweifellos eine grosse Rolle.
Zu diesen beiden renommierten Orchestern gesellen sich mehrere Amateurorchester hinzu: «Das Milieu, das mit den internationalen Organisationen verbunden ist, ist sehr kultur- und musikliebend», betont Maurer. Nicht zu vergessen seien die Studenten und Studentinnen des Konservatoriums und anderer Musikschulen.
Geigenbauer sind Musikliebhaber
Die meisten Geigenbauer, die auch Musikliebhaber sind, sind in erster Linie Musiker: Erst wenn man selber ein Instrument spielt, versteht man, wie wichtig der Klang und die Einstellungen sind», erklärt Maurer, der in dieser Hinsicht keine Ausnahme ist. Er besuchte fünf Jahre lang Kurse am Konservatorium Place Neuve in Genf.
Da er für die europäischen Geigenbauschulen zu alt war, ging der gebürtige Bieler anschliessend für drei Jahre nach Salt Lake City in den USA, um sich ausbilden zu lassen. 1986 eröffnete er sein eigenes Geschäft in Genf, nachdem er zunächst in einer grossen Werkstatt im norddeutschen Bremen gearbeitet hatte.
Geigenbauschule in Brienz
Die gebürtige Französin Hélène Monziès begann 2006 in Maurers Atelier zu arbeiten. Das Geigenspielen lernte sie bei ihrem Grossvater. «Er schenkte mir meine ersten kleinen Geigen, die er selbst zusammengebastelt hatte», erzählt die Geigenbauerin.
Als sie 16 Jahre alt war, legte ihr Musiklehrer ihr auf, ihr Instrument zu einem Geigenbauer zu bringen. Das war eine Offenbarung für den Teenager. Sie beschloss an jenem Tag, Geigenbauerin zu werden. Später besuchte sie die einzige Geigenbauschule in der Schweiz in Brienz im Kanton Bern.
Roboter kann Arbeit nicht übernehmen
«Gegen den Strom der damaligen Zeit «interessierten sich viele junge Leute für diesen Beruf, aber nur zwei bis drei Schüler jährlich verliessen Brienz mit einem Abschluss», sagt die 42-Jährige. In den Nachbarländern gibt es jedoch zahlreiche Schulen.
«Wir haben Glück, denn wir arbeiten in einem Bereich, in dem man uns kaum durch Roboter ersetzen kann», fährt Maurer fort. Hoch entwickelte Maschinen seien zwar in der Lage, bestimmte Bestandteile herzustellen, aber für die spezifische Arbeit an jedem Instrument sei nach wie vor pures Handwerk gefragt. «Es ist jedes Mal anders» – er zeigt uns ein Cello – «und eine Maschine kann das nicht leisten».
«Musiker und Amateure lieben diese Instrumente, auch wenn sie anspruchsvoll und schwer zu beherrschen sind. Das macht die Leidenschaft für das Spiel aus», erklärt Maurer.
Wie Meditation
Der Geigenbau ähnelt einer Meditation, einer Arbeit an sich selbst. «Und aus kognitiver Sicht stellt es enorme Anforderungen an das Gehirn, einen Ton zu erzeugen, während man eine Partitur liest», sagt er. «Die Pandemie hat nicht nur dazu geführt, dass die Menschen zum Buch gegriffen haben, sondern auch dazu, dass sie ihr Instrument wieder aus dem Schrank geholt haben», sagte Monziès. Infolgedessen haben wir die Krise nicht wirklich gespürt, als alles geschlossen wurde.»
Die Geigenbauerin und der Geigenbauer spielen weiterhin in Amateurkammerorchestern. Maurer hat keinen Lieblingskomponisten: «Es ist immer derjenige, an dem ich gerade arbeite», sagt er. Monziès liebt die Bach-Suiten, spielt aber derzeit in einem ganz anderen Register: «Piazzolla in einem kleinen Orchester».
Maurer träumt davon, noch zwei Instrumente fertigzustellen, bevor er in Pension geht. «Sie warten schon seit über 20 Jahren darauf, dass ich sie fertigstelle». Der Ruhestand macht ihm keine Angst, denn er hat noch viele andere Pläne: «Ich lebe in einem Ökoquartier, wo es viel zu tun gibt», sagte er mit einem Lächeln.