In der dritten Generation bewirtschaftet die Familie Dittli den Hof Vorderschneit in der Bergzone II. Schon immer wurde bei ihnen über Milchpreise diskutiert oder über die «Wachse oder weiche»-Politik.
Der Hof Vorderschneit liegt im zugerischen Oberägeri auf 750 Meter Höhe über Meer. Der Weg zum Dorf beträgt zu Fuss rund eine dreiviertel Stunde.
Stolz auf die Geschichte
Während unten im Tal und an den Hängen ohne Unterlass gebaut wird, herrscht hier oben auf dem Kistenpass wohltuende Ruhe. Hier, auf der Südseite des Gottschalkenbergs, sagen sich Fuchs und Hase noch gute Nacht. Für das Dutzend Hühner ist diese Waldnähe jedoch gefährlich. Deshalb ist ihnen und dem Hahn das freie Herumlaufen untersagt, und die Tiere müssen sich mit einem Auslauf begnügen.
Der Pachtbetrieb Vorderschneit der Familie Dittli ist rund 20 ha gross und liegt in der Bergzone II. «Unsere Familie bewirtschaftet diesen Hof seit 100 Jahren», sagt Bauer Martin Dittli nicht ohne Stolz. Er und alle seine Vorfahren betrieben hier Viehwirtschaft. Martin Dittli hält gegenwärtig 19 Milchkühe, 5 Aufzuchtrinder und 4 Jährlinge sowie 9 Mastkälber. Es sind mittelgrosse Kühe, die er in der Zucht anstrebt. Die Kühe sollen ihm die Milch aus dem eigenen Grundfutter liefern.
Seit 24 Jahren Bio
Neben der Verkehrsmilchproduktion waren früher Brennkirschen ein weiteres Standbein des Hofes. In letzter Zeit bereitet ihnen jedoch die Kirschessigfliege grosse Probleme. Dieser neu aufgetretene Schädling zerstört jeweils die Ernte oder Teile davon. «Wir haben unseren Hof 1998 auf Bio umgestellt. Dabei mussten wir nicht viel ändern», stellt Martin Dittli rückblickend fest. Bei den Arbeitsspitzen wie dem Heuet oder der Kirschenernte packten in der Vergangenheit jeweils ihre Kinder zu.
Es sind dies Laura, Valérie und Dario. Doch nun sind sie erwachsen und gehen ihre eigenen Wege. Nächstes Jahr wird Martin Dittli das AHV-Alter erreichen und damit die Betriebsleitung abgeben. Ob Sohn Dario den Hof übernehmen wird, ist noch offen. Gegenwärtig bildet er sich an der ETH zum Lebensmittelingenieur aus.
Politisiert wurde nur am Küchentisch
Der Landwirt Martin Dittli hat sich in der Öffentlichkeit kaum je politisch betätigt. Das hätte die Arbeitsbelastung auf seinem Hof auch kaum zugelassen. Er und seine Familie verfolgten die Politik jedoch aufmerksam und kommentierten sie jeweils am Küchentisch. Sie erlebten, wie sich die Milchpreise zeitweise nur nach unten bewegten, während die Betriebe immer grösser wurden. Diese «Wachse oder weiche»-Politik führte bei Dittlis jeweils zu heftigen Diskussionen.
Über ihre Küchengespräche liest man im «Aargauer Tagblatt» Folgendes: Valérie bezeichnet die Milchpreis-Diskussionen als einen der Gründe, weshalb sie sich politisch engagierte. «Wir haben zu Hause hautnah miterlebt, welche Auswirkungen diese Milchpreis-Schwankungen auf Bauern wie unseren Vater hatten». Ihre Schwester Laura ergänzt: «Bei Landwirtschaftsthemen fiel es mir lange schwer, sachlich zu bleiben.»
zvg
Nun sind beide erwachsen und als Regierungsrätinnen gewählt. Die 29-jährige Valérie wurde am 10. April 2022 in den Waadtländer Staatsrat (Regierungsrat) gewählt, während ihre 31-jährige Schwester Laura am 2. Oktober 2022 Regierungsrätin des Kantons Zug wurde. Laura erreichte dabei mehr Stimmen als fünf der amtierenden Regierungsräte.
Übernimmt er den Hof?
Nun fehlt noch Dario. Möglich, dass er allenfalls Regierungsrat im Tessin wird. Vielleicht übernimmt er aber doch den Betrieb vom Vater und setzt dabei die hundertjährige Familientradition fort. Wie erklärt sich der Erfolg der beiden Schwestern, die so jung in so hohe Ämter gewählt wurden?
Man sprach viel von Instagram und anderen digitalen Möglichkeiten. Doch vielleicht ist alles viel einfacher zu erklären. Möglich, dass sie von ihren Eltern lernten, wie man auf Leute zugehen, ihnen gut zuhören und sich nachher eine eigene Meinung bilden soll.