Bei der Mittelstation der Schynige-Platte-Bahn auf Breitlauenen BE hat schon Ferdinand Hodler gemalt. Auch die Älplerfamilie Balsiger liebt diese Landschaft – und arbeitet unermüdlich für ihre Pflege.
In der grossen Küche der Alphütte Breitlauenen ist Yvonne Balsiger eben mit dem Käsen fertig geworden – zum ersten Mal in diesem nassen, «wüchsigen» Sommer hat das 800-Liter-Kessi die gesamte Milch gefasst, und das kleine Zusatzkessi wurde nicht mehr gebraucht.
Yvonne Balsigers Mann Fritz nimmt das Kessi vom Feuer und zieht den ersten Käse aus. Seit seiner Kindheit geht er z Berg; auf Breitlauenen ist es sein 23. Sommer.
Ein eingespieltes Team
Yvonne Balsiger und Zusenn Andreas Wittwer stehen bereit, um die Käsemasse ins Järb zu pressen. Die drei sind ein eingespieltes Team. Sauber und zügig arbeiten sie Hand in Hand, und in kurzer Zeit liegen acht Käse unter der Presse. Später wird das Kessi noch einmal erhitzt, um Ziger herzustellen. Die Schotte kommt in den Tank für die 17 Alpschweine, die draussen genüsslich schmatzen. Vor ihrem Stall haben die Schweine einen überdachten Betonplatz mit ihrem Futtertrog und daneben einen Auslauf, wo sie spielen und in der Erde wühlen können.
«Hier bei uns müssen die Schweine in Bewegung bleiben», sagt Fritz Balsiger und schmunzelt. «Denn wir zügeln zu Fuss von einem Stafel zum andern und im Herbst ins Tal.» Nur Anfang Sommer fuhren die damals noch kleinen Schweinchen mit der Bahn auf die Alp – zusammen mit den Hühnern, dem Hahn, dem Traktor, den Vorräten und Geräten, die es für den Alpbetrieb braucht.
Sibylle Hunziker
46 Kühe, 36 Rinder und ein Stier
Die Menschen, die 46 Kühe, der Stier, die 36 Rinder und die beiden Pferde sind den Weg vom Tal auf die Alp zu Fuss gegangen. Die Kühe von neun verschiedenen Eigentümern kommen aus dem halben Kanton Bern. Ein paar Braune sind dabei, die meisten sind SF. Manche haben erst kurz vor der Alpzeit gekalbt und geben noch bis zu 30 Kilo Milch pro Tag.
Doch auch diese Tiere steigen auf den meist steilen Alpweiden dem Futter nach. Und die Rinder gehen später im Sommer bis ins Bigelti, die raue oberste Weide, die sich bis kurz unter die Schynige Platte auf 2000 Metern über Meer erstreckt. «Man muss gut auf die Beine und Klauen schauen und sofort handeln, wenn ein Tier nicht gut läuft, dann geht es schon», sagt Fritz Balsiger.
Gute Weidepflege
Damit die Tiere auch bis in die hintersten Ecken der Alp weiden, werden die Weiden gepflegt. «Wir spritzen nicht, aber wir verteilen ab und zu den Mist, damit es möglichst wenige Läger mit Blacken gibt», erläutert die Älplerfamilie. Zum Zäunen, Entbuschen und Räumen des Lawinenschutts kommen die Eigentümer, die 12 Stunden Gemeinwerk pro Kuh leisten, aber auch Leute, die eine Kuh gemietet haben, sowie Freiwillige und für einen Tag pro Sommer die Schule Gsteigwiler. «Ohne diese Hilfe würde es nicht gehen», sagt Fritz Balsiger.
Die Kühe Lea, Lara und Fee, drei Rinder und die Pferde gehören der Familie Balsiger. «Da wir keinen eigenen Betrieb haben, verstellen wir sie im Winter bei anderen Landwirten», erklärt Fritz Balsiger, der den Winter über bei einem kleinen Forstunternehmen im Bergwald arbeitet.
Käse basten
Im Hochsommer, wenn im oberen Stafel auf 1540 Höhenmetern gekäst wird, basten die Freiberger Stute Jeannette und ihre Tochter Jamilia jeden Tag den frischen Käse von Breitlauenen in den Käsespeicher, der neben der unteren Hütte im Schürläger auf 1381 Metern über Meer steht. Für Elena und ihren kleinen Bruder Balz ist das die schönste Arbeit. Die Geschwister helfen beim Satteln und können es fast nicht erwarten, dass die gut verpackten Käse vom Vortag auf die Bastsättel gebunden werden.
Im Schürläger kommen die neuen Käse ins Salzbad, und ihre Vorgänger werden mit Schablonen und Russ angeschrieben. Währenddessen hat Yvonne Balsiger die Käserei geputzt, die Käse gekehrt und das Mittagessen gekocht. Sie schaut etwas besorgt auf den Wetterradar, der wieder Gewitter anzeigt; letztes Jahr schlug der Blitz zweimal nacheinander in den Blitzableiter der exponierten Hütte ein.
Gsteigwiler Burgeralp
Die 97 Hektaren grosse Alp Breitlauenen besteht aus 83 Hektaren Weide und Waldweide und 14 Hektaren Wildheu, das Interlakner Jäger und Gsteigwiler Bauern bis heute nutzen. Die Alp gehört der Burgergemeinde Gsteigwiler und wird von einem fünfköpfigen Bergrat geführt. Heute bringen nicht mehr alle Gsteigwiler Bauern ihr Vieh auf eine Alp ohne Strasse. Aber dank auswärtigen Besetzern konnten Breitlauenens 72 Kuhrechte – davon maximal 47 für Kühe – nach Auskunft von Pfander Kurt Feuz bisher immer sehr gut besetzt werden. Drei der ursprünglich fünf Stafel werden heute als Rinderweide genutzt (Under Breitlaunen, Schwendi und Bigelti). Die beiden Hütten im Schürläger und Breitlauenen wurden 1993, respektive 1983, neu gebaut. Besonders in diesem nassen Sommer schätzen die Älpler die grosszügigen Räume, wo sie zwischendurch «am Schärme» arbeiten und Dinge wie das Melk- und Käsegeschirr, das Holz und die Arbeitskleider praktisch und trocken versorgen können. Weil Wasser auf Breitlauenen in weniger nassen Sommern knapp ist, wird die Abendmilch nicht mit fliessend Wasser, sondern in Gebsen gekühlt. Vor dem Käsen wird der Rahm abgenommen und zu Butter verarbeitet. Familie Balsiger stellt Berner Alpkäse AOP, Mutschli, Ziger, Alpanken und im Herbst auch Raclettekäse her. Die Produkte werden von den Besetzern vermarktet – unter anderem im Dorfladen Gsteigwiler, wo manche Kunden aus der Region speziell wegen dem guten Käse und Ziger einkaufen. Neben dem steilen Alpweg ist die Schynige-Platte-Bahn SPB die einzige Erschliessung. Während der Schulzeit bringt die Bahn die Lehrerin der Kinder, die von Bönigen her pendelt. Und normalerweise können die Älpler auch frische Lebensmittel bestellen. Vom ersten Lockdown 2020 war allerdings auch die touristische SPB betroffen; damals buk Yvonne Balsiger regelmässig Brot in der Glut des Käsereifeuers. shu