Einst versorgte Grossvater Ernst Thoma als Störsattler die Bauern mit nützlichen Artikeln. Heute ist das Familienunternehmen Etro AG marktführend in Lederwaren, Schellen und Edelweisstextilien.
An Wänden und massiven Holzbalken hängen Schellen, Treicheln und Glocken jeglicher Art und Grössen, an bunt bestickten, mit Fransen oder Dachshaar verzierten oder schlichten Lederriemen. Reihenweise Chüeligürtel mit beschlagenen Messingmotiven in allen Längen hängen zwischen verschiedenen Textilien, Edelweisshemden, Gilets, Sennenchutteli, Tüechli sowie allerlei Geschenkartikel im Folklore-Stil.
Der Laden im Stil einer Alphütte ist ein wahres Paradies für Liebhaber von Ostschweizer Kultur und Brauchtum. Wer zum ersten Mal im Verkaufslokal der Etro AG in Rorschacherberg zu Besuch ist, dürfte erst sprachlos sein, bis er sich vom Überraschungseffekt der hier präsentierten Auslage erholt hat.
Störsattler, Glockenkönig
Einen ganz anderen Kundenkreis als heute bediente einst vor bald 80 Jahren der Gründer in der Etro AG. In den 1940er Jahren zog Ernst Thoma aus Rorschach mit dem Velo oder Zug durch die Ostschweiz und versorgte die Bauern mit allerlei praktischen Artikeln, die die Arbeit in der Landwirtschaft erleichtern sollten.
Seine Erfindung, eine Vorrichtung zum Kälbertränken machte ihn bei den Bauern bekannt und beliebt. Die Glockenriemen aus der hauseigenen Sattlerei fanden bald an der Olma grossen Anklang. 1972 übernahm Ernst Thoma junior zusammen mit seiner Frau Ursula das elterliche Geschäft. Der gelernte Maschinenzeichner und Konstrukteur fing an, die Werkstatt auszubauen und Maschinen anzuschaffen.
Er erweiterte das Sortiment, begann Chüeligürtel herzustellen, Edelweisshemden zu verkaufen und sich auf Gravuren zu spezialisieren. Bald blieb keine Zeit mehr für die Stör auf den Bauernhöfen. Die Bauern mussten ins Geschäft nach Rorschacherberg kommen.
Tradition und individuell
Längst ist der Kundenkreis über das Bauerntum hinausgewachsen. Ein zehnköpfiges Team arbeitet heute in den Räumlichkeiten des Familienunternehmens in Produktion, Spedition und Verkauf. Ausser den Rohmaterialien und Einkaufswaren wie Glocken, Rindslederhäute oder Schnallen wird das Sortiment von A bis Z selber produziert.
Während die Kollektionsartikel in verschiedenen Arbeitsgängen maschinell hergestellt werden, sind individuelle Kundenwünsche Handwerk. «Heute wollen die Leute oft etwas Spezielles, Initialen, Schriftzüge oder individuelle Metallmotive auf dem Gürtel. Da können wir die Standardschablonen und herkömmlichen Motive nicht verwenden.
Deshalb müssen wir sie von Hand anfertigen. Das ist dann eine Kostenfrage», sagt Eric Thoma. Nach dem Stanzen aus der Rinderhaut wird der Gurt mit Kühen, Nieten und Schnallen bestückt und danach in einer speziellen Apparatur in eine körpergerechte Form gebogen.
Tracht feiert Comeback
Abnehmer der Etro-Kollektion sind neben der Privatkundschaft zahlreiche Wiederverkäufer. Dank Onlineshop finden die Lederwaren und Glocken «Made in Rorschacherberg» Abnehmer in ganz Europa, Übersee, den USA oder China. Inzwischen hat die dritte Generation die Geschäftsleitung übernommen. Nachdem sich der gelernte Polymechaniker eingearbeitet hatte, stieg der heute 37-jährige Eric Thoma 2007 in den elterlichen Betrieb ein.
Lange Zeit frönte das Schweizer Brauchtum ein Schattendasein. Tracht, Ländlermusik und Volkstanz galten als verstaubt und uncool. Erst vor etwa 15 Jahren erlebte das Schweizer Kulturgut neuen Aufschwung. Bald erfreuten sich Schwinger-, Jodler- und Trachtentanzfeste zunehmender Beliebtheit.