Landwirte sind bekannt dafür, dass sie immer über das Wetter jammern. In diesem Jahr gibt es aber auch gute Gründe dafür. Schon seit Wochen warten in manchen Landesteilen die Landwirtinnen auf ein Wetterfenster, um endlich das erste Heu reinzubringen. Andere konnten bereits silieren, aber jammern über die schlechte Qualität. Nicht nur im Futterbau ist die nasse Witterung ein grosses Problem. Einige Kartoffelproduzenten haben schon ihre Felder gepflügt, weil sich die Krautfäule sehr früh ausgebreitet hat und es zudem kaum trockene Tage gibt, an denen man Pflanzenschutzmittel applizieren könnte. Ebenso kämpfen die Rebleute gegen den Mehltau.
Die Wetterschmöcker
In der Schweiz hält man viel von den Innerschwyzer Hobby-Meteorologen, den Muotathaler Wetterschmöckern. Ein Blick auf ihre Voraussagen für den Sommer 2024 lässt allerdings an ihrer Zuverlässigkeit zweifeln. Martin Holdener etwa sagte: «Juni, die ersten paar Tage haben wir schönes Wetter. Bis am 21. haben wir wieder veränderliches Wetter. Das Ende eher auf der sonnigen Seite.» Schaut man zurück, kann man wohl eher von der wässrigen Seite sprechen.
«Der Juli fängt sonnig an, gegen Mitte heisst es Badiwetter. Nachher müsst ihr vielleicht früher schauen, denn die stoffarmen Bikinis sind bis dahin ausverkauft», so Holdener weiter. Auch seine Kollegen sahen einen anderen Sommer voraus, als der zurückliegende. Karl Laimbacher sprach von einem heissen und trockenen Sommer, und Alois Holdener ging von einem durstigen Sommer aus.
Was die Redaktoren 1924 im «Schweizer Bauer» übers Wetter schrieben, steht im Archiv.
Wenn einige Wetterschmöcker so danebenliegen, muss man auf andere Quellen zurückgreifen. Sehr beliebt ist der 100-jährige Kalender. Dieser stammt aus dem 17. Jahrhundert und wurde vom Abt des Klosters Langheim, Mauritius Knauer, verfasst. Der Kalender sollte ihm und seinen Mönchen ermöglichen, das Wetter vorherzusagen und so die klösterliche Landwirtschaft zu optimieren. Weil man damals irrtümlich annahm, dass nur sieben Planeten existieren, ging der Abt von einem festen 7-jährigen Wetterzyklus aus. Diese «Prognosen» wurden fortgeschrieben bzw. gekürzt. 16 Jahre später erhielt das Druckwerk von einem Verleger den endgültigen Namen «Hundertjähriger Kalender».
Im Internet ist mit wenigen Klicks der aktuelle Kalender zu finden, doch es gibt eine zuverlässigere Quelle – das Archiv des «Schweizer Bauer». Die erste Ausgabe erschien am 9. Juni 1846 unter dem Namen «Wochenblatt für Landwirtschaft und Gartenbau». Im Keller des heutigen Redaktionsgebäudes in Bern befindet sich das Archiv. Dort sind alle jemals gedruckten Exemplare zu finden. Voller Ehrfurcht kann man in den Ausgaben des Jahres 1924 nachlesen, wie sich das Wetter im Sommer vor 100 Jahren präsentierte.
7. Juli 1924
Auf der Titelseite geht es um die Kartoffeln. Dort liest man: «Die gegenwärtige gewitterhafte Witterung begünstigt das Auftreten und die raiche Ausbreitung der Krautfäule der Kartoffeln in hohem Masse» und weiter «Es ist dies ein ungewöhnlich früher Zeitpunkt. In dem berüchtigten Phytophthorajahr 1916 konnten wir die Primärinfektion erst am 5. Juli feststellen, und es muss befürchtet werden, dass bei Andauern der feuchten Witterung die ohnehin mastig gewachsenen und für die Krankheit besonders empfänglichen Kartoffelstauden der Krankheit rasch erliegen könnten.»
Es bleibt nichts Beständiges als die Unbeständigkeit.
Auch bei den Rebleuten sah es zu diesem Zeitpunkt nicht gut aus. «Aus Sitten wird gemeldet: Die regnerische Witterung der letzten Wochen hat die Ausbreitung des Mehltaues sehr begünstigt. In einigen Rebbergen ist die Ausdehnung so gewaltig gestiegen, dass man von einer wahren Katastrophe sprechen kann. Auch die Fruchternte ist mager, und namentlich Aprikosen wird es dieses Jahr wenige geben.» Eine Woche später heisst es: «Schon jetzt hat sich das Jahr 1924 einen Namen gesichert, um den es wahrlich nicht zu beneiden ist. Die Sprunghaftigkeit der Witterung, deren Rücken und Tücken sind kaum zu überbieten, und es bleibt an ihr nichts Beständiges als die Unbeständigkeit.» Man könnte fast meinen, es sei eine aktuelle Nachricht.
Weltuntergangsstimmung
Von einer kurzen Schönwetterphase ist auch die Rede, bevor es an einem Dienstag in manchen Landesteilen zu einer Katastrophe kam. «In St. Gallen glich die mit überraschender Dunkelheit beginnende Wetterkatastrophe einem Taifun. Die Kamine purzelten dutzendweise von den Dächern, die Telephonstangen wurden abgeknickt, die Drähte lagen auf der Strasse …» heisst es in der Ausgabe vom 23. Juli 1924.
Doch nicht nur der Kanton St. Gallen war betroffen. Ähnliche Berichte vernimmt man aus Appenzell Ausserrhoden. «Den Umfang der Katastrophe zu beurteilen, ist zur Zeit nicht möglich, aber bald ist gewiss, dass jede Ernte im Wettergebiet vernichtet worden ist. Die ältesten Leute können sich nicht einer ähnlichen Katastrophe erinnern; viele ängstliche Personen hielten den Weltuntergang für gekommen.» Es scheint sehr dramatisch gewesen zu sein.
Erst Mitte August 1924 wird wieder ausführlicher vom Wetter berichtet, so habe es südwärts der Alpenscheide sinntflutartige Regengüsse gegeben. «Das Gotthardgebiet meldete am Donnerstag früh bis 140 Millimeter Niederschläge (...) und immer noch regnet es in unverminderter Heftigkeit.» Diese Nachricht erinnert an die verheerende Naturkatastrophe vom vergangenen Wochenende im Tessiner Maggiatal.
Es ist leider Tatsache: Der diesjährige Sommer ist total verregnet.
Am 22. August 1924 gab es eine Zusammenfassung des Sommerwetters. «Es ist ein Elend mit dem Wetter. Haben schon der Juni und Juli in dieser Beziehung nicht befriedigt, so ist der August noch am schlechtesten ausgefallen. Die drei vergangenen Wochen brachten nur fünf leidlich schöne Tage. An den übrigen goss es entweder bindfadenmässig herunter, oder der Himmel war sonst mit schweren Wolken behangen. Von Hundstagshitze keine Spur, im Gegenteil musste man darauf bedacht sein, sich wärmer zu kleiden. An manchen Tagen herrschte reinste Oktoberstimmung. Wir haben auch in früheren Jahren nasse Sommer erlebt, so 1887 und 1912, aber es will uns bedünken, so arg war es nicht wie heuer. Es ist leider Tatsache: Der diesjährige Sommer ist total verregnet.»
Für die Landwirtschaft ist so ein Jahr nicht einfach. Nicht heute und nicht vor 100 Jahren. Ist damit nun der Beweis erbracht, dass der 100-jährige Kalender vielleicht doch stimmt? «Aus meteorologischer Sicht sind solche Übereinstimmungen nur rein zufällig und in keiner Weise wissenschaftlich begründet», schreibt der Deutsche Wetterdienst. Für alle in der Landwirtschaft Tätigen kann man sich nur wünschen, dass die Wetterschmöcker doch noch recht behalten und es ein Bikini-Juli wird.
Diskussion überflüssig🤷🏼♂️
Regionen der Erde könnten wir bis 2030 bis zu 170 Millionen Hektar Wald verlieren. Der größte Waldvernichter ist der Mensch: Gesunder Wald wird umgewandelt in Nutzflächen für die Landwirtschaft, unser Konsum von Fleisch, Soja, Palmöl & Co. steht in direktem Zusammenhang mit dem Verschwinden von Wald auf der ganzen Welt.
Ists zu warm oder zu nass oder zu trocken, es wird alles mit dem (menschengemachten) Klimawandel begründet.
Somit Thema beendet!
Und @Balthasarr: Und was ist deine konkrete Lösung gegen die Überbevölkerung der Welt?