Die Sammlung von Lydia Flachsmann ist immens. Sie zeigt Krippen aus rund 80 Ländern mit Figuren aus unterschiedlichsten Materialien.
Es herrscht eine weihnachtliche Atmosphäre über der Krippenausstellung im «Burghof» in Ossingen ZH. Schon etliche Besucher liessen sich auch dieses Jahr von der grossen Krippenausstellung verzaubern, in der sich handwerkliche Schaffenskraft und Kreativität von Menschen aus rund 80 Ländern widerspiegeln.
Vom Moment an, als Lydia Flachsmann Mitte November 2021 ihren Flyer mit der Einladung zum Besuch ihrer Krippenausstellung auf dem ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb verschickte, war das Interesse geweckt.
Die pensionierte Bäuerin leistete auch für diese Ausstellung viele Vorarbeiten. Dabei konnte sie auf die Unterstützung aus ihrem Bekanntenkreis und von Freiwilligen zählen. Sie sind auch an den Adventssonntagen, wenn die Ausstellung offiziell besucht werden kann, zur Stelle.
Krippen aus allen Kontinenten
Lydia Flachsmann führte mit ihrem Mann Hans während über 40 Jahren einen Landwirtschaftsbetrieb mit Rindermast, Ackerbau und Obstbau. Sie vermarkteten auch direkt im Hofladen. Während mehrerer Jahre war Flachsmann nebenberuflich als freie Korrespondentin für die Lokalpresse sowie für den «Schweizer Bauer» tätig.
Im Frühjahr 2021 verstarb ihr Mann. Die Tafelobstkultur, die zum Hof gehört, wird inzwischen von einem jungen Bauern aus der Region bewirtschaftet. Die zahlreichen Gerätschaften, die sie an die arbeitsreichen Jahre als Bäuerin erinnern, nutzt sie nun in ihrer Ausstellung um den Ausstellungsstücken einen besonderen Rahmen zu verleihen.
Grossen Rückhalt findet Flachsmann unter anderem bei ihren vier Töchtern und deren Familien und einem grossen Bekanntenkreis. Ihre immense Sammlung in der geschützten, ehemaligen Scheune, mit angebautem «Wöschhüsli» und in ehemaligen Silos findet einen stimmigen Hintergrund.
Im Gespräch betont Flachsmann, dass es nicht in erster Linie religiöse Gründe sind, weshalb Krippen auf sie eine besondere Faszination ausüben: Sie betrachtet sie als völkerverbindendes Element und als Kulturgut. Ihre Sammlung beziffert sie auf – grob geschätzt - weit über 700 Krippen aus allen Kontinenten.
Isabelle Schwander
Von einem Millimeter bis riesengross
Flachsmann betont, dass sie viele der Krippen als Geschenke und Reiseandenken erhielt, oder günstig in Brockenstuben und Online-Plattformen erworben hat. Trotz ihrer Begeisterung ist sie «geerdet» und sagt, die Sammelleidenschaft dürfe nicht über die Vernunft siegen. Die Ausgaben müssten sich in einem budgetverträglichen Rahmen halten.
Besondere Faszination geht in ihrer Ausstellung unter anderem auch von zahlreichen Miniaturkrippen aus. In einer Zündholzschachtel, und nur bei näherem Hinsehen erkennbar, befinden sich Krippenobjekte in ausgehöhlten Kirschsteinen aus dem Erzgebirge.
Flachsmann besuchte Ende der 1980er-Jahre mit dem örtlichen Landfrauenverein das Erzgebirge und war beeindruckt von der handwerklichen Tradition und der Verwendung aller erdenklichen Naturmaterialien. Aus dem Erzgebirge stammen auch die zahlreichen Krippen in Walnussschalen. Verspielt wirken die kleinen Reisekrippen aus Italien: In kleinsten Etuis und Schatullen, erscheinen beim Aufklappen filigrane Krippenfiguren.
Isabelle Schwander
Handwerkskunst ohne Grenzen
Inmitten ihrer weltumspannenden Sammlung befinden sich auch Schweizer Krippen: So ist unter anderem das aus Rinderknochen geschnitzte Exemplare ein besonderer Blickfang. Oder die «Wyländer Trachtenkrippe» mit lieblichen Puppen in aufwendiger Verarbeitung, platziert in einem nostalgischen Kinderwagen. Die Anordnung der Figuren zur Heiligen Familie, so wird in ihrer Sammlung deutlich, wird in den verschiedenen Kulturen völlig unterschiedlich ausgelegt.
Es sind die prunkvollen Darstellungen, beispielsweise bei asiatischen, italienischen und afrikanischen Krippen, ebenso wie schlichte Figuren, beispielsweise aus Norwegen und Dänemark. Es hat Krippen und Arbeiten mit besonderer Handwerkskunst, beispielsweise von der Elfenbeinküste und aus Peru, oder seltene Techniken, ein Bronzeguss aus Burkina Faso oder Specksteinschnitzerei.
Einige «Nachdenk-Krippen», wie Flachsmann sie selbst nennt, mahnen zur Einkehr, Bereitschaft zum Helfen und Teilen, und zur Zufriedenheit mit dem eigenen Leben.
Werkstoff aus der Natur und aus Abfall
Für Flachsmann haben alle Krippen eines gemeinsam: Sie erinnern, dass das Jesuskind in Bethlehem in einem Stall zur Welt kam und dass Josef und Maria es in eine Futterkrippe legten. In den Ländern des Westens stehen Krippenbauern alle erdenklichen Werkzeuge und Materialien für ihr Handwerk zur Verfügung.
Eindrücklich geht aus der Sammlung von Flachsmann hervor, wie Menschen aus Afrika, Südamerika, Russland oder den Philippinen den Mangel an Materiellem mittels ihrer schöpferischen Kraft und Einfallsreichtum wettmachen.
Aus Allem, was die Natur, das Meer oder bereits Abfallmaterialien hergeben, werden Krippenszenen in der jeweiligen Volkskunst, übertragen auf das eigene Lebensumfeld, gebaut. Als Beispiel dafür, die Zulu-Krippe aus Südafrika, angefertigt aus zerschnittenen Alugetränkedosen, schön aneinandergereiht ausgestellt. Diese Krippe erwarb sie bei einer Online-Auktionsplattform.
Isabelle Schwander
Die Ausstellung ist noch an zwei Daten geöffnet: Am Sonntag, 2. Januar 2022 und am Sonntag, 9. Januar 2022 ab 13 Uhr bis 17 Uhr. Anfahrt: Burghof 7, 8475 Ossingen ZH.