Europäer sind eine einzige, grosse Familie: Jeder einzelne heute lebende Europäer ist sehr wahrscheinlich mit sämtlichen Männern und Frauen verwandt, die vor 1000 Jahren in Europa gelebt und Kinder gezeugt haben. Dies berichten US-Forscher am Mittwoch im Fachjournal «PLoS Biology».
Forscher der Universität Kalifornien (UC) in Davis haben das Erbgut von mehr als 2000 Personen aus 40 europäischen Ländern - darunter 17 Schweizern - untersucht. Damit erkundeten sie deren Verwandtschaftsbeziehungen bis gut 3000 Jahre zurück. Ein Teil der Daten stammt aus der Lausanner CoLaus-Studie, für die Gesundheitsdaten und Blutproben von 6738 Personen gesammelt wurden.
Viele gemeinsame Vorfahren in Ahnenreihe vereint
«Es ist bemerkenswert, wie nahe alle miteinander verwandt sind», sagt Studienleiter Graham Coop von der UC Davis in einer Mitteilung zur Studie. Selbst zwei Menschen von gegenüberliegenden Enden Europas, etwa aus Grossbritannien und der Türkei, hätten eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit, ein Stück Erbgut zu teilen.
Weil es extrem unwahrscheinlich ist, dass sie dieses von einem einzigen Vorfahren geerbt haben, müssen sie viele gemeinsame Vorfahren in ihrer Ahnenreihe vereinen, schreiben Coop und sein Kollege Peter Ralph auf ihrer Webseite.
Alle haben die gleichen Vorfahren
Intuitiv sei das logisch: Jeder hat zwei Eltern, vier Grosseltern, und so weiter. In nur 1000 Jahren kommt man so auf gut eine Milliarde Vorfahren pro Mensch - so viele Menschen lebten damals aber nicht. Folglich ist jeder, der vor 1000 Jahren lebte und Kinder zeugte, der Vorfahre von jedem heute lebenden Europäer.
«Die sonderbar anmutende Idee, dass alle dieselben Urahnen haben, wurde schon vor zehn Jahren mathematisch und mit Simulationen vorhergesagt», erklären die Forscher. Nun habe man auch konkrete Hinweise aus DNA-Daten. Dies gelte bestimmt auch für Menschen auf anderen Kontinenten.
Italiener weniger stark verwandt
Wie zu erwarten war, teilen sich Menschen umso weniger gemeinsame Vorfahren, je weiter sie auseinander leben. Es fanden sich jedoch subtile, lokale Abweichungen: «Hindernisse wie Bergkämme oder sprachliche Unterschiede reduzierten den Verwandtschaftsgrad zwischen Regionen», sagte Ralph.
Die Italiener etwa seien untereinander und mit anderen Europäern etwas weniger stark verwandt, wohl weil die Bevölkerung stets gross und stabil war. Die Osteuropäer hingegen sind untereinander etwas stärker verwandt - vermutlich als Folge der Expansion von slawischen Völkern nach Europa vor über 1000 Jahren.
Die Ahnenforschung mittels Erbgutdaten könne aber nur einen Aspekt der europäischen Geschichte beleuchten, schreiben die Forscher. Archäologie und Sprachstudien erzählten mehr darüber, wie Kulturen und Völker sich verändert hätten und gewandert seien. Aber sobald sich die Menschen an eine lokale Sprache und Kultur angepasst hätten, verrate nur mehr ihr Erbgut ihre einstige Herkunft.