Die Initiative aus Kreisen des Natur-, Landschafts- und Heimatschutzes fordert einen stärkeren Schutz von Natur und Landschaft sowie mehr Flächen und Geld zur Stärkung der Biodiversität. Über die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» (Biodiversitätsinitiative) wird am 22. September abgestimmt.
40’000 Hektaren weniger offene Ackerfläche
Damit würden 30 Prozent der Landesfläche praktisch unantastbar, hiess es vom Nein-Komitee vor den Medien in Bern. Diese Zahl werde zwar in der Initiative nicht genannt, sei als Zielgrösse der Initianten aber eindeutig. Dafür fehlt laut dem Komitee eine Fläche, die der Grösse der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn zusammen entspricht. Das Komitee befürchtet, dass auf dieser Fläche die Produktion von Lebensmitteln nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich wäre.
Das Komitee besteht aus Vertretern von Landwirtschaft, Energie- und Bauwirtschaft, Wald- und Holzwirtschaft, Wirtschaftsverbänden sowie Vertreterinnen und Vertretern von SVP, FDP und Mitte. Das Budget für die Nein-Kampagne betrage zwei Millionen Franken, gab Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands an der Medienkonferenz bekannt.
Nationalrat und Bauernverbandspräsident Markus Ritter (Mitte/SG) warnte, dass auch die besten Ackerböden des Mittellandes von der Initiative betroffen wären. Denn 30 Prozent der Landesfläche würden zu Biodiversitätsförderflächen werden. «Die Produktion von Lebensmitteln wäre nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich. Konkret reden wir von 145’000 Hektaren weniger landwirtschaftliche Nutzfläche», führte er aus. Das entspreche der Fläche des Kantons Aargau und knapp 40’000 Hektaren weniger offene Ackerfläche. «Die einheimische Produktion von Kartoffel, Brotgetreide oder Raps würde um rund 15 Prozent sinken. Bei Gemüse wie Zwiebeln oder Karotten wären es bis zu 20 Prozent weniger», machte er deutlich.
Jede fünfte Hektare gefördert
Ritter wies darauf hin, dass die Landwirtschaft die Biodiversität bereits stark fördert. «Jede fünfte Hektare Landwirtschaftsland dient bereits heute der Förderung der biologischen Vielfalt. Hier reden wir von extensiven Wiesen oder Weiden, Schon- oder Blühstreifen, Krautsäumen, Hecken, Hochstammobstgärten und Ähnliches mehr, die Wildtieren und -pflanzen als Lebensraum und Futterquelle dienen», führte er aus.
v.l.: Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband, Daniel Fässler, Präsident Waldschweiz und Erich von Siebenthal, Präsident Schweizerischer Alpwirtschaftlicher Verband, legten die Argumente gegen die Biodiversitätsinitiative vor.
Raphael Bühlmann
Im Berggebiet würden weitere 220’000 Hektaren artenreiches Grünland auf den Sömmerungsflächen hinzukommen. Für Ritter ist klar: «Die Produktion von nachhaltigen, regionalen Lebensmitteln ist ein Auftrag, den wir genauso ernst nehmen müssen, wie den Schutz der biologischen Vielfalt.»
«Initiative schwächt Biodiversität»
Alt-Nationalrat Erich von Siebenthal, der als Präsident des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands amtet, wies auf die Wichtigkeit der Alpwirtschaft hin. Diese bewirtschafte einen Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche in der Schweiz – rund 500'000 ha. Durch jahrhundertelange standortgerechte Bewirtschaftung sei ein einzigartiger Lebensraum entstanden. «Die Alpweiden gehören zu den artenreichsten
Flächen der Schweiz», führte er aus. Doch die Initiative schwäche diesen Hotspot für Biodiversität.
«Wir gehen von Einschränkungen bei der Bewirtschaftung, aber vor allem bei der Infrastrukturerneuerung aus. Eine funktionierende Infrastruktur ist aber die Voraussetzung, damit die Alpen weiter bewirtschaftet werden können», stellte von Siebenthal klar. Als Beispiel nannte er eine Anpassung einer Käserei an die Hygienenormen sein oder eine neue Zufahrtsstrasse. Fehle die Infrastruktur, würden eben oft gerade ertragsarme, extensive aber ökologisch sehr wertvolle Weiden aufgegeben, kritisierte er die Initianten.
Qualität vor Quantität
Eine gezielte Förderung von Flächen bevorzugt auch Gerhard Pfister (Mitte/ZG). «In Wäldern und in der Landwirtschaft zeigte sich, dass ein vollständiger Nutzungsverzicht nicht zu einer Zunahme, sondern zu einem Verlust an Biodiversität führt», sagte der Mitte-Präsident. Effektiver Naturschutz müsse differenziert und auf die jeweiligen Gegebenheiten ausgerichtet werden, um wirkungsvoll zu sein.
Die Allianz gegen die Biodiversitätsinitiative trat am Donnerstag vor die Medien.
Raphael Bühlmann
Der SVP-Präsident und Landwirt Marcel Dettling (SZ) wies auf die Erfolge der vergangenen Jahre hin. Der Artenschwund habe vor allem zwischen 1850 und 2000 stattgefunden. Dank zahlreichen Massnahmen sei der negative Trend gebremst worden. «Heute gibt es zahlreiche Erfolgsbeispiele. In den 70er-Jahren war der Storch in der Schweiz ausgestorben. Dieses Jahr sind es rekordmässige 1000 Storchenpaare, eine Vervierfachung innert 10 Jahren. Auch Rotmilane sind eine Erfolgsstory», sagte Dettling.
Die Arten würden von dem kleinflächigen Landschaftsmosaik mit verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen profitieren. «Auf knapp 60 Prozent der Landesfläche wird die Biodiversität gefördert. Wenn wir das Sömmerungsgebiet dazu nehmen, sind wir bei über 70 Prozent. Darum: Das Ziel ist mehr als erreicht», stellte er klar. «Unsere Landwirte leisten also bereits enorm viel», sagte Dettling.
Die 9 Argumente gegen die Initiative
Argument 1: 30 Prozent der Landesfläche praktisch unantastbar
Die Initiative wolle 30 Prozent der Landesfläche für die Biodiversität zur Verfügung stellen, so das Nein-Komitee. Aktuell sehen die Initianten 8 Prozent als ausreichend geschützt an. Es fehle also eine Fläche, die der Grösse der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn zusammen entspreche. «Dort wäre die Produktion von Lebensmitteln nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich», warnt das Komitee. Es gebe noch Raum für Verbesserungen. Aber nicht bei der Quantität, sondern bei der Qualität dieser Flächen.
Argument 2: Landwirtschaft tut bereits viel für die Biodiversität
Aktuell dienten bereits 19 Prozent der Landwirtschaftsflächen explizit zur Förderung der Biodiversität. Das entspreche 195'000 Hektaren Land oder der Grösse der Kantone Zürich und Zug zusammen, hebt das Komitee hervor. Für den Erhalt von Direktzahlungen sind aktuell 7 Prozent gefordert. Zusätzlich gebe es 220’000 Hektaren artenreiches Grünland im Sömmerungsgebiet.
Argument 3: Verhinderung der einheimischen Energieproduktion
«Das von der Initiative geforderte umfangreiche Ausscheiden von streng geschützten Gebieten führt bei der Bereitstellung von erneuerbarer einheimischer Energie zu einer Vollbremsung», warnt das Komitee. Der Schutzstatus werde so hoch gewichtet, dass der angestrebte und wichtige Ausbau blockiert werde. Die Schweizer Stimmbevölkerung habe sowohl im Sommer 2023 (Klima- und Innovationsgesetz) als auch im Sommer 2024 (Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien) der Förderung von erneuerbaren Energien zugestimmt.
Argument 4: Einschränkungen der Wald- und Holzwirtschaft
Die Waldwirtschaft wäre bei der Annahme der Initiative mit neuen Einschränkungen und Vorgaben durch den Ausbau der Waldreservate konfrontiert, schreibt das Nein-Komitee. Der Wald als Rohstofflieferant würde in den Hintergrund gedrängt.
Argument 5: Verschiebung der Umweltwirkung ins Ausland
Eine Annahme der Initiative schwäche die Inlandproduktion von Lebensmitteln, Energie und Holz, warnt das Nein-Komitee. «Die Produktion wird getreu dem Motto «aus den Augen, aus dem Sinn» ins Ausland verlagert, wo meist tiefere ökologische Standards gelten. Damit ist für die Umwelt gar nichts gewonnen», heisst es weiter.
Argument 6: Verteuerung und Einschränkungen beim Bauen
Die Initianten würden das Bauen nicht nur ausschliesslich auf Flächen und Strukturen ausserhalb der Bauzone beschränken, sondern auch auf die Siedlungsgebiete. Betroffen wären so KMU und Industriebetriebe. «Sie müssten mit zusätzlichen Auflagen, noch längeren Bewilligungsverfahren und erheblichen Mehrkosten fürs Bauen rechnen», schreibt das Nein-Lager.
Argument 7: Schwächung des Berggebiets und des Tourismus
Das Berggebiet und der Tourismus seien auf Infrastrukturen angewiesen. «Die Initiative schränkt deren Realisierung stark ein», so das Nein-Komitee.
Argument 8: Untergraben der föderalen Prinzipien
Eine Annahme der Initiative beschneide die Kompetenzen sowie den Handlungsspielraum der Kantone und Gemeinden, da sie die Umsetzungshoheit von den Kantonen auf die Bundesebene verlagern, lautet das Argument 8.
Argument 9: Erhebliche Kosten schwächen Bundesfinanzen
Gemäss dem Nein-Komitee wäre die öffentliche Hand mit jährlichen Mehrausgaben von 375 bis 440 Mio. Franken konfrontiert.
Wir regeld(n) das...
Das Lobbying wird es richten....