Dank einem selbst entwickelten System konnte Familie Rusch eine Nische belegen und auch Kunden im Ausland generieren.
Die leicht hügelige Region zwischen Gossau und Bischofszell und die lieblich gepflegten Äcker verleihen dem Gebiet einen speziellen Charme. Dass sich in dem etwas versteckten Hauptwil der grösste Legewachtelbetrieb mit Bodenhaltung Europas befindet, ist doch eher erstaunlich. Das Errichten und Betreiben dieses Systems brauchte aber viel Mut und Einsatz.
Alles Marke Eigenbau
Vor rund elf Jahren gab es einige wenige Wachtelproduzenten in der Schweiz, diese hielten die Tiere aber allesamt in Käfigen. Zu dieser Zeit hielt die Familie Rusch einige Tausend Legehennen auf ihrem Betrieb. «Die Milchkühe habe ich 1997 verkauft», erzählt Martin Rusch. «Zufällig entdeckte ich vor neun Jahren in einer deutschen Geflügelzeitung einen Artikel über die Käfighaltung von Wachteln», fährt er fort. In der Schweiz wurde die Eierproduktion aus Käfighaltung 2002 verboten.
Der Tüftler begann nachzudenken und war überzeugt: «Die Wachteln könnte man auch tierfreundlich halten». Er begann mit 20 Tieren von einem Hobbyhalter. Der gelernte Zimmermann und Landwirt legte grossen Innovationsgeist an den Tag. Die Volieren und damit das integrierte, auf die Wachteln zugeschnittene Haltungssystem hat er in Eigenregie entwickelt. Es besteht aus einem speziellen Fütterungs-, Lüftungs- und Tränkesystem und einer besonderen Entmistungsanlage. «Die Anlage und die dazugehörenden Systeme habe ich patentieren lassen», erzählt der vierfache Familienvater.
Kein Wissen vorhanden
«Das Halten von Wachteln ist äusserst schwierig. Sie reagieren sehr sensibel auf kleinste Veränderungen», hält er fest. Je nach Alter benötigen sie unterschiedliche Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten. Da in der Schweiz niemand Erfahrung in der kommerziellen Wachtelhaltung hatte, musste er sich das Wissen selbst aneignen. Dies war auch bei der Fütterung der Fall. Die Mischung hat er selber kreiert.
«Wir haben heute alles in einer Hand: Brüterei, Zucht, Verarbeitung und Vermarktung», betont der lebensfreudige Rusch. Der Wachtelbestand ist im Laufe der Jahre auf 10’000 Tiere angewachsen. Ein Quantensprung war der Neubau im Jahre 2007. In diesem sind rund 7’000 der 10’000 Wachteln untergebracht. Da der Hof über zu wenig Land, aber zu viel Tiere verfügte, musste der Betrieb in eine Intensivzone umgezont werden. Denn nebst den Wachteln leben auf dem Hof auch mehrere Tausend Legehennen. Diese sind aber strikte getrennt von den Wachteln, wie auch das Personal (sechs Angestellte), welches sich um die Tiere kümmert. Weil die Wachtel ein Wildtier ist, ist sie nicht den Nutztieren unterstellt. Rusch benötigt deshalb eine Wildtierhaltungsbewilligung des Kantons Thurgau.
Legen Eier überall
«Pro Woche schlüpfen rund 800 Wachteln. Davon sind 50 Prozent weibliche Tiere, das Geschlecht ist aber erst nach vier Wochen erkennbar», erklärt der Geflügelspezialist. Bei den Tieren für die Nachzucht werden die Männchen zugekauft, um den genetischen Pool genügend gross zu halten. Die Gewichtzunahme der Tiere ist beeindruckend. Wiegen sie bei der Geburt rund neun Gramm, sind sie sechs Wochen später bereits 200 Gramm schwer.
Die Jungtiere kommen nach dem Schlüpfen in Volieren, die sich mit dem Wachstum der Vögel vergrössern lassen. Dank einer Höhe von 1,50 Meter können sie auch ihren eingeschränten Flugtrieb ausleben. Die Wachteln werden in Kleingruppen à 150 Stück gehalten. Dies ermögliche eine hohe Flexibilität bei der Produktion. «Es ist wichtig, die Tiere zu überwachen und die Entwicklung zu protokollieren. So kann ich die Produktion rückverfolgen. Die Haltung ist sehr arbeitsintensiv und benötigt viel Planung, besonders beim Absatz der Eier», sagt Martin Rusch.
Eine weitere Schwierigkeit ist das Entnehmen der Eier. Da die Wachteln Flucht- und Bodentiere sind, legen sie ihre Eier nicht in Nester. Rusch war gefordert und entwickelte ein System, dass eine sehr einfache Entnahme ermöglicht. Die Lebensdauer der Wachteln ist im Vergleich zu den Hühnern kürzer. Nach rund sechs bis sieben Monaten nimmt ihre Legeleistung rapide ab.
Wieder neue Ideen
«Die schwierigste Phase war der Übergang zu den grossen Mengen. Diese sind aber unerlässlich, um mit Grosskunden verhandeln zu können und die Liefermenge sicherstellen zu können», macht Rusch klar. Das einzigartige Bodenhaltungssystem stärke seine Position bei den Verhandlungen nachhaltig. Diese liegen vollständig in seinen Händen. Doch beim Export sei der Spielraum begrenzt, ein zu hoher Frankenkurs ist nicht förderlich. Von der Gesamtproduktion fliesst rund ein Drittel nach Holland.
In der Schweiz zählen die Migros, Lidl und neuerdings Coop zu den Kunden. Aber auch viele Gastronomen und Delikatessengeschäfte kaufen die Ware. Wachteleier werden auch als Gesundheitsprodukt angepriesen und sind bei Allergikern beliebt. Die Marktdurchdringung in der Schweiz ist ziemlich hoch, weiteres Wachstum sei eher im Ausland möglich, da dort sämtliche Wachteln in Käfigen gehalten werden. Zudem sei die Nachfrage je südlicher eine Region liege, desto höher, erklärt Rusch.
Da im Sommer die Nachfrage nach Eiern gedämpft ist, haben sich Ruschs etwas Neues einfallen lassen. «Wir kochen die Eier, legen sie ein und machen sie ein Jahr haltbar. Hier haben wir Wachstumspotenzial», sagt Matin Rusch lachend.