
Die Fabrik liegt direkt am Zürichsee.
zvg
Ein Stück Schweizer Lebensmittelgeschichte hat ein abruptes Ende gefunden. Nach über 165 Jahren muss die Blattmann Schweiz AG in Wädenswil ZH ihre Tore schliessen. «In den letzten Wochen ist leider klar geworden, dass es nicht mehr weitergeht», sagte Verwaltungsratspräsident Giulio De Lucia zum «Tages-Anzeiger».
Fehlende Liquidität
Er begründet das Grounding mit der verschlechterten wirtschaftlichen Lage. «Zuletzt fehlte uns schlicht die Liquidität», führte er weiter aus. Dass sich die Situation verschärfte, zeigten Äusserungen von Mitarbeitenden: Löhne und Lieferantenrechnungen seien verzögert beglichen worden, sagten sie zum «Tages-Anzeiger». De Lucia bestätigte dies. Er und andere Investoren haben im ersten Halbjahr Geld in das Unternehmen gesteckt – vergeblich. Es habe keinen anderen Weg mehr gegeben, als die Produktion einzustellen, so der Verwaltungsratspräsident weiter.
Giulio De Lucia nennt drei Gründe für die Schliessung: die hohen Energiepreise, den starken Franken – und insbesondere die Änderung des Zollsystems. Mit Kostensenkungsprogrammen und der Hilfe der Investoren habe man die ersten beiden Punkte meistern können. Entscheidend sei jedoch der Entscheid des Bundes gewesen.
Bund schloss Lücke
Jahrzehntelang profitierten einige wenige Grossmühlen in der Schweiz von einer versteckten Subvention beim Import von Weizen zur Stärkeherstellung. So lag der Zollansatz lediglich bei 10 Rappen pro 100 Kilo. Als Bedingung für diesen ermässigten Ansatz galt, dass mindestens 55 Prozent des importierten Weizens in die Stärkeproduktion fliessen musste. Weil die Ausbeute beim Weizen aber bei rund 75 Prozent liegt, landeten beim Import von 100 Kilo Weizen jahrelang rund 20 Kilo Mehl aus dem quasi zollfrei importierten Weizen im Backmehlkanal.
Im Januar 2023 wurde dies angepasst. Seither darf nur noch Weichweizen zum reduzierten Zollansatz in die Schweiz importiert werden, wenn daraus mindestens 75 Prozent Mehl gewonnen und zu Stärke verarbeitet wird. Mit der Motion «Die Stärkeproduktion in der Schweiz erhalten» wollte der Müllereiunternehmer und ehemalige SVP-Ständerat Hansjörg Knecht die frühere Regelung wieder etablieren – unter anderem mit Unterstützung des Schweizer Getreideproduzentenverbands. Doch das Vorhaben scheiterte im Parlament.
«Von einem Tag auf den anderen stiegen unsere Einkaufspreise um 50 bis 60 Prozent», sagte De Lucia zum «Tages-Anzeiger». Dieser Entscheid habe dem Unternehmen das Genick gebrochen.
Importregelung kam zu spät
Ab August 2024 konnte das Unternehmen Weichweizenmehl zur Herstellung von Stärke zollerleichtert einführen. «Früher mussten wir das Mehl über die Schweizer Mühlen beziehen, jetzt können wir auch direkt im Ausland einkaufen. Dadurch bietet sich uns eine viel grössere Anzahl an Lieferanten», sagte Geschäftsführerin Catherine Cunin im Herbst 2024 zu «Schweizer Bauer».
Doch dies kam zu spät, wie sich nun zeigt. «Es sind einfach zu viele Monate vergangen», sagte Giulio De Lucia zum «Tages-Anzeiger». Es habe auch interne Schwierigkeiten gegeben. Den Todesstoss habe letztlich die neue Zollregelung gesetzt. 28 Mitarbeitende verlieren ihre Stelle. Ganz zu Ende ist die Geschichte aber nicht geschrieben: Die eigenständigen Gesellschaften Blattmann Handels AG und Blattmann Noredux AG setzen ihren Betrieb fort.
20’000 Tonnen Mehl
«Blattmann verarbeitet bis zu 20’000 Tonnen Mehl pro Jahr. Davon sind rund 75 Prozent Spezialitäten aus Dinkel- und Biomehlen», sagte Blattmann-Geschäftsführerin Catherine Cunin im Herbst 2024 zu «Schweizer Bauer». Das Umfeld sei rauer geworden, führte sie aus. «Wir sind die erste Verarbeitungsstufe, die nicht geschützt ist. Produkte wie die unseren können praktisch ohne Grenzschutz importiert werden», sagte sie weiter. Cunin zeigte sich damals optimistisch, dass «alle Akteure im Markt die regionale Qualität entlang der Wertschöpfung gemeinsam fördern werden». Dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. bki/blu

