Bauern- und Älplersohn Hans Schnyder erzählt in seinem Buch «Abendweide» vom bescheidenen Leben auf einer Alp in den 60er-Jahren. Seit er dort im Kindergartenalter ganze Sommer verbrachte, hat sich vieles verändert.
In Hans Schnyders Büro der im Jahr 2007 gegründeten Schnyder VST in Netstal sind auch zwei seiner vier Kinder bei der Arbeit anzutreffen. Im Familienunternehmen steht das VST für Versicherungen/Schaden und Treuhand; nebst den Bewertungen und dem Verkauf von Immobilien, die hauptsächlich Markus und Gabriela betreuen, ist Vater Hans unabhängiger Schadenexperte für Versicherungen.
Seit 1988 ist er bereits in diesem Gebiet tätig und macht dies auch heute noch für seinen einstigen jahrzehntelangen Arbeitgeber, die GlarnerSach, wie auch für andere Versicherungen. Dass der 64-Jährige vor allem im landwirtschaftlichen Bereich aus dem Vollen Schöpfen kann, geht – nebst seinem beruflichen Werdegang – sicher auch auf eine entbehrungsreiche Kindheit und Jugend zurück.
Lernte, sich zu wehren
Als Viertes von zehn Kindern war diese geprägt von der Arbeit auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb und vor allem den harten Sommern auf der Auerenalp. «Wir waren mausarm und mussten stets mitanpacken, man lernte, sich zu wehren – denn es wurde einem nichts geschenkt» blickt er heute auch mit einer gewissen Dankbarkeit zurück.
Trotz der Tatsache, dass er unmittelbar nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit wie selbstverständlich als «Knecht» auf der Alp bei seinem Vater zu arbeiten hatte und dies heute als «Pause in der geistigen Entwicklung» bezeichnet, hat er sich später in mehreren Ausbildungen viel an Fachwissen angeeignet. Vom Landwirt mit Meisterprüfung über die Handelsschule, den technischen Kaufmann sowie dem Gebäude- und Schadenexperten hat er sich stets mit dem Wunsch der Selbstständigkeit weitergebildet.
Dabei liess es sich der engagierte Familienmensch nicht nehmen, sich auch politisch als Gemeinde- und Landrat oder ehrenamtlich als Experte bei der Schweizer Berghilfe einzusetzen. Beim spürbar starken Zusammenhalt in der Familie und der Tatsache, dass die Schnyders «Macher» sind, erstaunt es zudem nicht, dass Hans Schnyder zusammen mit zwei seiner Brüder 1998 die Firma Schnyders Zeltservice gründete. Dies, weil sie auf Grund ihres Engagements im Organisationskomitee des Glarner Bündner Schwingfestes feststellten, dass es gar nicht so einfach war, ein geeignetes Zelt für den Anlass zu finden. Seit 2019 heisst die damals gegründete Firma GlaroTent und gehört nun einem seiner Neffen.
Eine Hinterlassenschaft
Die starke Arbeitsmotivation, welche Hans Schnyder in all den vielseitigen Projekten und Einsätzen immer begleitete und prägend auf sein Handeln wirkte, wurde bereits in frühester Kindheit verinnerlicht. Heute ist es kaum noch vorstellbar, wie das Leben im Allgemeinen und besonders in der Abgeschiedenheit auf der Alp aussah. Mit seinem 2013 erschienenen Buch «Abendweide» hat er es als Autor geschafft, eine wichtige Hinterlassenschaft an diese Zeit zu erstellen. Mit klaren, ehrlichen Worten und Tatsachenberichten, die er aus der Erinnerungsschublade als Vierjähriger erstellte, schenkt das Buch einen fesselnden Blick in die Vergangenheit. «Als ich im Kindergartenalter das erste Mal im Frühjahr mit den Kühen auf Aueren stieg, hatte ich keine Ahnung, was mich erwartete, und dass ich erst im Herbst mit dem Vieh wieder nach Hause zur Mutter und den Geschwistern zurückkehren würde.»
Sein Vater war leidenschaftlicher Älpler und ein aussergewöhnlich starker Mann – was spätestens beim Lesen des Abschnitts über den Transport des Sennkessis von Stafel zu Stafel klar wird. Als Jakob Schnyder 2004 im Alter von 76 Jahren verstarb, hatte Hans Schnyder noch in der Kirche die Idee, über seine Zeit als Knabe auf Aueren zu schreiben. Stichwortartig notierte er sich nach der Beerdigung seine Erinnerungen, die er dann sukzessive anfing zu schreiben. Was ursprünglich nur für ihn und die Familie gedacht war fand aber schon bei den engsten Freunden so grossen Anklang, dass er sich zu einer Veröffentlichung überreden liess. Ganz ohne fremde Unterstützung – sogar das Lektorat wurde familienintern erledigt – kam so das Buch «Abendweide» zustande. «Ja, ich war überrascht, dass sich das Buch so gut verkaufte, denn ich bin selbstkritisch» räumt Hans Schnyder, der 2015 eine zweite Auflage druckte, ein.
Mit Vater und Vetter
Seit den prägenden Sommern, die der damals kleine Junge alleine mit dem Vater und dem Vetter auf Aueren verbrachte. ist die Welt – obwohl der Vater sich lange gegen jegliche Art der Modernisierung wehrte – auch auf der heute mit einer Pipeline versehenen, aber nach wie vor schwer zugänglichen Alp nicht stehen geblieben. Und auch wenn Hans Schnyder als Kind oft mit der harten Arbeit und dem Entzug jeglicher Freizeit haderte, begleiten ihn vor allem schöne Erinnerungen: «Ich vermisse den sennischen Alpgeschmack, wenn ich auf Aueren komme, und Alpabfahrten lösen bei mir immer Gänsehaut aus.»