Die Entrechtung ausländischer Pächter von Landwirtschaftsflächen in Ungarn hat die Europäische Kommission auf den Plan gerufen. Sie startete vergangene Woche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ungarische Vorschriften, die Niessbrauchverträge zur Nutzung landwirtschaftlicher Flächen beenden.
Wie die Kommission mitteilte, hält sie einen Verstoss gegen das EU-Recht zum freien Kapitalverkehr und zur Niederlassungsfreiheit für möglich. Budapest hat zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe der Kommission zu antworten. Lenkt die Regierung nicht ein, droht ihr in einem mehrstufigen Verfahren am Ende eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Nutzung auf unbestimmte Zeit
Begrüsst wurde der Brüsseler Vorstoss vom österreichischen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. „Mit ihrem Mahnbrief stellt die EU-Kommission klar, dass Ungarn die Niessbrauchverträge österreichischer Bauern nicht einfach für nichtig erklären kann. Ich bin froh über diese dringend notwendige Unterstützung aus Brüssel gegen diese Entrechtung“, betonte Rupprechter. Jetzt benötige man rasch eine konstruktive Lösung für die betroffenen Bauern.
Wie das österreichische Landwirtschaftsministerium erläuterte, überlässt mittels eines Niessbrauchvertrags der Eigentümer eines Grundstücks dessen Nutzung auf bestimmte Zeit einer anderen Person. Der Unterschied zu einem Pachtvertrag besteht neben der Langfristigkeit darin, dass das Entgelt für den Niessbrauch in der Regel bei Begründung des Vertrags im Voraus bezahlt wird.
Gerichtsverfahren begonnen
In Ungarn konnten solche Niessbrauchverträge für landwirtschaftliche Grundstücke nach Angaben des Ministeriums bis Ende 2001 legal abgeschlossen werden. Das entsprechende Nutzungsrecht wurde auch ins Grundbuch eingetragen. Das jetzt strittige, am 1. Mai 2014 in Kraft getretene Gesetz sieht vor, dass alle bestehenden Nutzungs- und Pachtverträge von agrarwirtschaftlichen Flächen mit Ausländern aufgehoben und neu ausgeschrieben werden müssen.
Ungarischen Medienberichten zufolge haben gerichtliche Verfahren, mit deren Hilfe ausländische Pächter von Landwirtschaftsflächen entschädigungslos aus dem Grundbuch getilgt werden, bereits begonnen. Offenbar sind mehrere tausend Verträge betroffen. Laut Budapester Zeitung musste ein österreichischer Landwirt Anfang Oktober zusehen, wie der ungarische Bodeneigentümer sein Maisfeld aberntete, obwohl er selbst als Nutzniesser der Fläche im Register des Bodenfonds eingetragen war. Seine Anzeige sei von der Polizei zurückgewiesen worden mit dem Argument, es handle sich bei der Ernteaktion des Bodeneigentümers nicht um eine strafrechtliche Handlung.