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«Entscheidend ist doch das wirtschaftliche Ergebnis»

Weshalb konnte Bio Suisse wieder zulegen, wo gibt es noch Potenzial. Warum ihn Aussagen von Biobauern betrüben, wie man ohne Kraftfutter trotzdem wirtschaftlich produzieren kann und wo Produzenten sich helfen können. Diese und andere Fragen beantwortet Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli im ersten Teil des Interviews mit «Schweizer Bauer».

Reto Blunier |

 

Urs Brändli, wenn Sie zurückblicken auf das Jahr 2023. Was hat Sie am meisten gefreut?

Nach dem starken Wachstum während der Pandemie, wir legten um 20 Prozent zu, habe ich vermutet, dass es länger dauern wird, um wieder zu wachsen. Dass wir das Corona-Hoch halten und letztes Jahr trotz zurückhaltender Konsumstimmung zulegen konnten, hat mich positiv überrascht.

Auf was führen Sie das Wachstum zurück?

Das 30-Jahre-Jubiläum von Naturaplan, der Bio-Marke von Coop, hat sicher dazu beigetragen. Die Detailhändlerin hat sehr viel unternommen. Aber es ist nicht nur das. Wenn ich aktuelle Zahlen höre, beispielsweise von der Bio-Produzentenorganisation Terraviva, die Gemüse und Früchte vermarktet, stimmt mich das sehr optimistisch. Die Nachfrage hat bei ihnen im laufenden Jahr deutlich zugenommen. Das Bewusstsein der Bevölkerung, dass man mit dem Kauf von Bioprodukten sich selbst und der Umwelt etwas Gutes tun kann, steigt. Das freut mich sehr.

 

Erfreulich ist die Marktlage bei der Milch.

Urs Brändli, Präsident Bio Suisse

 

Wo gibt es noch Potenzial für Bio-Produkte?

Konkret haben wir beim Brotgetreide und bei Leguminosen eine gute Nachfragesituation. Erfreulich ist die Marktlage auch bei der Milch. Vor fünf Jahren haben wir noch einen Angebotsüberhang befürchtet. Die erhöhte Nachfrage hilft uns, neue Ackerbaubetriebe für eine Umstellung zu überzeugen. Denn viele produzieren auch noch Fleisch und/oder Milch. Für gemischte Betriebe ist es nun optimal, wenn sowohl pflanzliche wie tierische Produkte gut nachgefragt werden.

 

Das Marktvolumen der Bio-Produkte lag 2023 bei knapp über vier Milliarden Franken. Der Umsatz mit Bio-Produkten wuchs um knapp sieben Prozent. Davon gehen gemäss Bio Suisse vier Prozent auf die allgemeine Preissteigerung zurück. Der Marktanteil von Bio im Detailhandel liegt bei 11,6 Prozent.

 

Was hat Ihnen 2023 weniger Freude bereitet?

Nun, das betrifft nicht nur Biobauern, sondern die gesamte Landwirtschaft: Die Wetterextreme. In diesem Jahr ist es die Nässe, 2023 war es die Nässe und der abrupte Wechsel zur langanhaltenden Trockenheit. Ein wenig betrübt haben mich zudem Aussagen von Biobauern aus dem Berggebiet. Sie sagen, dass sie mit den neuen Richtlinien bei der Fütterung von Milchkühen (Red. 100% Schweizer Futter. Ausnahme bei Knospe-Eiweiss-Komponenten bis 2029) nicht mehr wirtschaftlich produzieren können.

Halten Sie diese Aussagen für falsch?

Auf unserem Betrieb auf rund 900 Metern verfüttern wir seit 2012 kein Kraftfutter mehr. Und mein Sohn hat dank einer guten Nutzung der Grünflächen die Milchleistung erhöht. Aber es ist schon so: Füttern wir weniger Eiweiss, sinken die Milchleistungen tendenziell. Aber weil wir weniger Ausgaben haben, um einen Liter Milch zu produzieren, und der Milchpreis gut ist – er ist in den beiden vergangenen Jahren deutlich gestiegen – verdient der Produzent am Schluss mehr. Entscheidend ist doch das wirtschaftliche Ergebnis, nicht nur die schöne Kuh im Stall.

 

Ich habe sehr grossen Respekt vor Renzos Leistung.

Urs Brändli, Präsident Bio Suisse

 

Die Kritik von Bauern ist also übertrieben?

Nein, ich kann sie ein Stück weit nachvollziehen. Ich weiss, dass die Viehzucht für einige Betriebe einen hohen Stellenwert hat und Traditionen damit verbunden sind. Schlussendlich geht es aber darum, dass ein Landwirt mit seinem Betrieb langfristig existieren und Investitionen tätigen kann.

 

 

Ein Landwirt, der Bio Suisse kritisiert, ist Renzo Blumenthal. Er spricht teilweise von «absurden Regeln» und vielen Vorschriften. Das rechne sich für ihn nicht mehr.

Richtlinien wie eine 100-Prozent-Bio-Fütterung kommen ja nicht von Bio Suisse. Diese stammen von der Bio-Verordnung aus den 2000er-Jahren. Sie wurden gesetzlich vorgeschrieben. Ich habe sehr grossen Respekt vor Renzos Leistung. Unter seiner Marke setzt er seine Produkte vom Hof ab. Sein Name ist sein eigenes Label. Aber Sie müssen sehen: Die meisten Betriebe verfügen über keine eigene Marke. Die Knospe als Label zeigt Mehrwerte auf, aber sie schränkt auch ein. Die strengeren Richtlinien werden aber von den Konsumenten in Form eines höheren Milchpreises honoriert.

 

Ende 2023 waren 7362 Landwirtschaftsbetriebe mit der Knospe zertifiziert. Sie bewirtschafteten gemäss Biosuisse eine Fläche von 190’280 Hektaren. Die Anzahl der Betriebe hat sich im Vergleich zum Vorjahr mit 21 Neuzugängen kaum verändert. Mit fast zwei Dritteln hat der Kanton Graubünden den grössten Anteil an Bio-Betrieben. Bern bleibt mit total 1370 Betrieben der Kanton mit den meisten Bio-Höfen. Der Weinbau lag mit einem Bio-Anteil von einem Fünftel erstmals über jenem der übrigen Landwirtschaft.

 

Der Boom bei den Umstellern ist aber vorbei. Immer weniger Betriebe wollen die Knospe erlangen. Macht Ihnen das nicht Sorgen?

Wenn wir es mit der gesamten Landwirtschaft vergleichen, jedes Jahr nimmt die Anzahl Betriebe um 1 bis 2 Prozent ab, nahm die Anzahl Knospe in den vergangenen 10 Jahren immer zu. Auch 2023 war das Wachstum da, wenn auch mit 21 Betrieben auf einem sehr tiefen Niveau. Das hat verschiedene Gründe.

Welche?

Nach dem starken Wachstum während der Pandemie flaute die Nachfrage nach Bio-Erzeugnissen ab. Das führte dazu, dass Bio Suisse die aktive Suche nach neuen Betrieben stark heruntergefahren hat.

 

Es ist schade um jeden Betrieb, der aussteigt.

Urs Brändli, Präsident Bio Suisse

 

Sind Sie optimistisch, dass wieder mehr Betriebe umstellen werden?

Das beste Zeichen, auf Bio umzustellen ist, wenn Zug im Markt ist. Dann haben die Betriebe die Sicherheit, dass ihre Produkte auch abgenommen werden. Vom Bio-Ackerbautag Ende Juni in Aubonne VD verspreche ich mir einiges. Ich hoffe, dass sehr viele konventionelle Betriebe dort über das Potenzial von Knospe-Produkten informieren werden.

Bio Suisse sucht also vor allem Ackerbaubetriebe aus dem Talgebiet?

Ja, das ist so. Die Nachfrage nach pflanzlichen Erzeugnissen steigt. Bio-Konsumenten essen in der Tendenz weniger tierische Produkte. Es erstaunt mich deshalb nicht, dass wir beim Fleisch einen tiefen Marktanteil haben. Da der Trend zur pflanzlichen Ernährung vor allem im Biosegment weiter zunehmen wird, brauchen wir mehr Ackerbaubetriebe.

 

 

Im Berggebiet steigen aber Betriebe aus der Knospe-Produktion, so auch im «Bio-Vorzeigekanton» Graubünden, aus. Macht Ihnen das keine Angst?

Angst nicht, aber es tut weh. Wir von Bio Suisse haben den Bauern im Kanton Graubünden angeboten, «ProBio»-Beratungsanlässe (Red. früher Provieh) durchzuführen. Dort wird informiert, wie man beispielsweise ohne Kraftfutter wirtschaftlich Milch produzieren kann. Aber das Angebot wurde nicht genutzt. Es ist schade um jeden Betrieb, der aussteigt. Der Entscheid, auf Kraftfutter zu verzichten, ist langfristig gesehen richtig. Die Knospe sollte der Entwicklung 10 bis 15 Jahre voraus sein, sonst macht sie etwas falsch. Aber wenn zu viele Betriebe aussteigen, wird es gefährlich.

Können Sie das ausführen?

Es besteht die Gefahr, dass Käsereien oder Molkereien aussteigen, weil die Milchmenge zu klein ist. Bauern und Verarbeiter in den Tälern müssen hier gemeinsam einen Weg finden, um solche Situationen zu verhindern.

 

Betriebe, die vor Herausforderungen stehen, können nach Partnern suchen.

Urs Brändli, Präsident Bio Suisse

 

Können Sie das von Bio Suisse nicht Gegensteuer geben?

Das haben wir ja gemacht, indem wir beim Kraftfutter eine Ausnahmebewilligung bis 2029 erteilt haben. Einige Betriebe wurden auch auf dem falschen Fuss erwischt. Zwar war seit 2018 klar, dass wir nur noch 5 Prozent Kraftfutter verfüttern dürfen. Damit können die meisten Betriebe umgehen, wenn diese 5 Prozent Eiweisskonzentrat sind. Aber wir werden auch in fünf Jahren, wenn die Ausnahmeregelung mit den Eiweissimporten ausläuft, zu wenig Protein in der Schweiz haben. Denn die Soja, die hier produziert wird, wird mehrheitlich für die menschliche Ernährung genutzt.

Gibt es dann überhaupt eine Lösung?

Betriebe, die hier noch vor Herausforderungen stehen, können nach Partnern suchen. Seit 2018 sind mindestens zwei Trocknungsanlagen für Luzerne entstanden. Nun wird kritisiert, dass Schweizer Luzerne viel zu teuer ist. Aber es ist doch richtig, wenn wir eben auch Futter aus hiesiger Produktion beziehen. Und dass Biobauern im Talgebiet, die Futter produzieren, einen fairen Preis benötigen, ist nachvollziehbar. Am besten ist, wenn Bio-Landwirte im Tal- und Berggebiet zusammenspannen.

Produzenten kritisieren aber, dass so die Produktion immer teurer wird. Können diese Mehraufwände am Markt in Form von höheren Preisen abgewälzt werden?

Nun ja, bei der Milch zeigt sich ja, dass es möglich ist. Futter aus der Schweiz ist ein Argument, dass die Konsumenten verstehen. Im März 2022 haben wir 4 bis 5 Rappen am Markt lösen können. Im Sommer gab es noch einmal, vor allem wegen den steigenden Energiepreise, 4 Rappen mehr. Und am 1. Juli 2024 steigt der Preis noch einmal um 3 bis 4 Rappen je Kilo.

Im zweiten Teil des Interviews äussert sich Urs Brändli zu den Discountern und der Knospe, wie sich Bio Suisse auf den Ausfall von Lizenzgebühren von der Migros vorbereitet, was er von den Margendiskussion hält und wie er über den Preisüberwacher denkt. Teil 2 wird am Sonntag veröffentlicht.

 

Kommentare (2)

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  • Bündner | 22.06.2024
    Den bündner Biobauern, die über die neuen Fütterungsrichlinien jammern geht es eben nicht um die Biomilchproduktion, sondern um die Braunviehzucht. Auch bei Renzo ist das so. Jetzt kann er sogar legal ET machen. Dass aber solche Kühe in den Bergen auch unter konventionellen Bedingungen nicht standortgerecht sind, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Diese Braunviehzüchter fokussieren nur auf die Schauzucht und als Koppellprodukt fällt halt Milch an. Bei Brown Swiss immer mehr Milch. Und diese muss immer teurer produziert werden. Darum haben auch viele gedacht, dass man bei Bio mit einem höheren Milchpreis die Kosten eher decken kann. Und nun diese neuen Vorschriften! Und weniger Eiweiss! Und tiefere Gehalte beim Kraftfutter! Eine Katastrophe!!!
    Ich meine, eher das Gegenteil ist wahr. Mit weniger Eiweiss im Futter geben die Kühe zwar weniger Milch, aber dank gleicher Energieversorgung sind sie gesünder, sehen den Tierarzt weniger und werden schneller wieder trächtig! Bei etwas tieferer Milchleistung werden sie auch älter und somit rentabler.
    Zu guter Letzt kann man von solchen Kühen auch einen grösseren Ertrag an wertvollem Alpkäse erwarten.
    • Ein Alter Bauer | 24.06.2024
      guten Abend, ich sage immer wenn wir in der Humanmedizin die Chemie verbieten würden , könnte Bio funktionieren. Die Weltbevölkerung würde reduziert weil die Lebenserwartung geringer wäre und unsere Kläranlagen nicht mit solch grossen Chemie Rückständen zu kämpfen hätten , aber wenn es um die Gesundheit geht da will man das ganze Programm.
      Bei der momentanen Wettersituation kann ohne Fungizid der Kartoffelbau nicht funktionieren , in unserer Region wurden die Kartoffeln der Biobauern durch die Krautfäule fast zu 100% vernichtet und wurden bereits ausgehackt,
      beim Raps und den Erdbeeren sieht es nicht besser aus. Ich glaube wir Konventionellen Bauern sind auf dem richtigen Weg ,sicher war früher nicht alles gut aber wir haben nur das gemacht was uns an den Landwirtschaftsschulen erzählt wurde und das von den Studierten Agronomen .
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