Während den Festtagen präsentieren wir euch in regelmässiger Folge Artikel, die 2023 auf reges Interesse gestossen sind. Dieser Artikel wurde am 4. August 2023 erstmals publiziert.
Gilbert Clément verrichtet heute natürlich nicht mehr dieselbe Arbeit wie früher, als er täglich 30 Kühe gemolken hat. Der 86-Jährige hat die Arbeiten seinem hohen Alter entsprechend angepasst. Und doch ist er immer noch aktiv. Die Freiheit, die er auf der Alp verspüren könne, sei für ihn mit das Wichtigste. Und mit einem West-Highland-Terrier als Begleiter hätte er auch jemanden gefunden, der charakterlich zu ihm passe, wie er im Bericht erzählt.
Nur mit Geländewagen zugänglich
Im Geländewagen fährt Raymond Bapst an einem wunderschönen Sommertag von Ependes über Broc in das enge und auf beiden Seiten steil aufsteigende Vallé de Montélon. Das Strässchen führt entlang eines romantischen Bachs, und knapp einen Kilometer vor der Pinte du Pralet geht es links, steil bergauf. «Ab hier geht es nur noch mit einem adäquaten Geländewagen weiter», sagt Bapst, der Neffe von Gilbert Clément. Die Steigung beträgt teilweise 30%, streckenweise ist betoniert.
Diese Verbesserung der kurvenreichen Zufahrt zu den drei Alphütten in der Gegend habe mehrere Jahre Arbeit beansprucht. Zudem sei es nicht leicht gewesen, die zuständigen Institutionen und Behörden von deren Notwendigkeit zu überzeugen, meint Raymond Bapst während der Fahrt. Auf 1342 mü.M. erreicht man eine Krete. 40 Meter weiter unten auf einer flachen Geländepartie stehen die Hütte und der Stall der Alp Les Craux, angeschmiegt an den Wald.
Der Grossvater war Älpler
Gilbert Clément empfängt den Besuch auf der Veranda und bittet zu einem Kaffee mit einem Bérudge in die Küche der um 1800 erbauten Hütte. Im Gespräch erzählt er, dass sein Grossvater mit der Alptradition angefangen und Les Craux gekauft habe. Sein Vater hingegen sei vierzig Jahre Gemeindepräsident von Ependes gewesen und immer auf dem Landwirtschaftsbetrieb in Ependes geblieben, erklärt Clément. Heute habe die Alp 38 Normalstösse, und es würden 70 Rinder gealpt.
Bereits als Bub sei er im Sommer bei seinem Onkel auf der Alp Vi-Châlet gewesen, und ab dem 24. Lebensjahr habe er eigentlich ohne Unterbruch jeden Sommer auf verschiedenen Alpen gelebt und gearbeitet. In jungen Jahren habe er dabei täglich 30 Kühe gemolken. Er zeigt seine Hände, die deutliche Spuren dieser Arbeit zeigen. Jetzt ist die Arbeit hier oben seinem Alter entsprechend reduziert und angepasst. Um sieben Uhr sei er auf den Beinen, frühstücke und kontrolliere danach den Füllstand der Tränkebassins.
Wasser gebe es genügend hier für Tier und Mensch, erklärt der 86-jährige Jubilar. Die Qualität der Gräser und Kräuter ist an diesem trockenen, kalkhaltigen Standort gut, und der Älpler betont, dass hier kein feuchtes Fliesch-Gebiet sei.
Die Alp Les Craux in den Freiburger Voralpen.
Christof Lüthi
Freiheit und Einsamkeit
Auf die Frage, was für ihn das Spezielle sei am Leben auf der Alp und ob ihn das Alleinsein nie bedrücke, erklärt er, dass für ihn die Freiheit und die Einsamkeit auf der Alp das Wichtigste seien. Furcht verspüre er hier oben nicht. Für die Tiere drohe keine ausserordentliche Gefahr, denn bis jetzt gebe es hier nur den Luchs, aber keinen Wolf. Ganz allein ist Gilbert Clément jedoch nicht.
Seit einigen Jahren ist ein West-Highland-Terrier sein Begleiter. Dieser Hund passe zu ihm, denn er mache immer, was er wolle, und man könne ihn nicht erziehen, sagt Clément. In jüngeren Jahren sei er im Sommer jedoch nicht so allein gewesen, denn er habe damals während Jahren rund 30 Alpgehilfen (Garçons du Châlet) ausgebildet. Nach zwei bis drei Alpsommern hätten diese dafür von der Société des Ar-maillis de la Gruyère ein Diplom erhalten.
Einst hat Gilbert Clément täglich rund 30 Kühe gemolken. Heute geht es der 86-Jährige etwas ruhiger an.
Christof Lüthi
Zu Fuss ins Tal
Es wird Zeit für die Rückfahrt. Ein Zivildienstleistender, der mit hochgefahren ist, bleibt auf der Alp, um während einiger Tage notwendige Arbeiten zu verrichten. Die Abfahrt von der Alp ist beeindruckender als die Auffahrt. Der Wagen fährt automatisch im Schritttempo nach unten.
Bis zu seinem siebzigsten Geburtstag hatte es noch Geissen auf der Alp, und Gilbert Clément trug damals noch jede Woche seine Ziegenkäse zu Fuss ins Tal hinunter und stieg anschliessend mit neuem Proviant versehen wieder hinauf.
Kommentare (2)