Schon als Oberstufenschüler schor Remo Feldmann für Bauern Schafe. Nach einer Lehre als Fahrzeugschlosser und als Landwirt ging er vier Mal nach Neuseeland. Dort lernte er das Schafscheren von der Pike auf. (Mit Video)
Sein Griff ist fest, aber nicht grob. Mit der linken Hand hält er den Kopf des Schafes, mit der rechten ergreift er das rechte Vorderbein. Ein Ruck und das Tier sitzt auf seinem Hinterteil, den Körper angelehnt an die Beine von Remo Feldmann. Die Technik hat der 30-Jährige in Neuseeland gelernt. Insgesamt vier Mal war er während der Saison von Dezember bis März am anderen Ende der Welt, hat in Kursen die Anatomie der Schafe gelernt und wie man die Tiere schert.
Zwei Angestellte
Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn begleitete er als Mitarbeiter andere Schafscherer. Seit vier Jahren ist er sein eigener Chef und hat im Frühling und im Herbst zwei Angestellte unter Vertrag. Die restliche Zeit des Jahres ist er allein unterwegs. «Ohne Mitarbeiter würde ich das Pensum während der Saison nicht schaffen», erklärt Remo Feldmann.
So ist er auch an diesem Tag mit einem seiner Mitarbeiter, Gilles Granges, einem ausgebildeten Schafscherer aus Frankreich, unterwegs. Während zweier Tage scheren die beiden Männer die Schafe auf dem Hof von Heidi und Patrick Schmidiger im luzernischen Rain. «Gilles war im letzten Jahr an der Schafschurweltmeisterschaft in Frankreich unter den Top 10 platziert», sagt Remo Feldmann.
Ein Kraftakt
Gemeinsam gilt es für die zwei Profis innert zwei Tagen rund 730 Schafe zu scheren. Verteilt auf zwei Personen, bedeutet das pro Tag über 180 Tiere. Gerechnet wird pro Tier zwischen 3 und 5 Minuten. Das bedeutet über 9 Stunden täglich Staub, Lärm und eine gebückte Haltung. 180 Mal hintereinander ein 60-Kilo-Schaf packen und auf den Hinterteil legen. Ein Kraftakt. Rückenschmerzen habe er keine, sagt Remo Feldmann.
Denn er sorgt vor: Wöchentlich geht er ins Fitness, macht Dehnungsübungen und trainiert Ausdauer. Ebenfalls gehören Besuche bei einem Masseur zu seinem Programm. Wichtig, so Feldmann sei auch gute Kleidung. Die Niere muss abgedeckt sein, oft trägt er sogar einen Nierengurt. Ebenfalls wichtig ist ein gutes Schuhwerk. Remo Feldmann hat über seine Arbeitsschuhe eine Art Lederschuh, der an einen Mokassin der Indianer erinnert, übergestreift. «Dieser verhindert das Ausrutschen», so der Fachmann.
Angefangen als Hobby
Seine ersten Schafe geschoren hat Remo Feldmann, der gemeinsam mit seinem Vater in Ursenbach BE 80 Spiegelschafe hält, als Achtklässler. Gemeinsam mit zwei Kollegen hat er es hobbymässig gemacht. Nach der Schule lernte er Fahrzeugschlosser, machte die Ausbildung zum Landwirt und hat die Betriebsleiterschule abgeschlossen.
Sein Wissen als Fahrzeugschlosser brachte ihn auch dazu einen sogenannten Schafschuranhänger zu bauen. Mobile Gitter sorgen dafür, dass die Schafe in Einerkolonne anstehen. Ganz vorne am Anhänger steht ein Lockschaf. Dieses sorgt dafür, dass die eingereihten Schafe nicht nervös werden. Hinter dem Lockschaf hat es beidseitig eine Schiebetür, diese bedeckt nur die obere Hälfte des Gitters. Unten, auf Fusshöhe, hat es einen Tritt. Betätigt man diesen, gleitet die Schiebetüre nach unten, Remo Feldmann kann das Schaf ergreifen. So viel er wisse, sei diese Konstruktion schweizweit einzigartig, sagt er.
Übernimmt Pachtbetrieb
Viele Kilometer legt er jährlich zurück. Die meisten Kunden hat er dank Mundpropaganda. Noch wohnt er zeitweise in Ursenbach BE und in der Ostschweiz bei seiner Freundin Rivana Heussi. Auf Anfang Mai übernimmt das Paar in Lützelflüh BE einen Pachtbetrieb für Muttersauen. Ändern wird sich trotzdem an seiner Arbeit als Schafscherer nicht viel. Während der Saison wird Rivana Heussi daheim bauern, Remo Feldmann wird unterwegs sein.
Obwohl das Herumfahren anstrengend ist, hat es für ihn auch positive Seiten. «Das Schönste an meinem Beruf ist, wenn ich beispielsweise im Appenzell an einer Wiese vorbeifahre und dort Schafe weiden, die ich geschoren habe», so Remo Feldmann.
Eiszapfen im Winter
Weniger Freude indessen macht ihm die Tatsache, dass immer mehr Wolle an Beinen und Kopf der Schafe gezüchtet wird. In Winter können sich dort Eiszapfen bilden, die Tiere erkranken. Und der Scherer muss noch vorsichtiger arbeiten als sonst, damit er das Tier nicht an der dünnen Kopfhaut oder an den Augen verletzt.
Hof Schmidiger
Heuer war der Schafscherer Remo Feldmann bereits zum vierten Mal auf dem Hof von Heidi und Patrick Schmidiger im Rain LU. Das Ehepaar hat vor vier Jahren die Milchkühe verkauft, seither hält es ungefähr 730 Spiegel- und Engadinerschafe mit eigener Remontierung. Das Fleisch der Lämmer geht an Zentralschweizer Lamm. Die Wolle der Tiere, ungefähr 1,5 Tonnen, wird an die Firma Wollreich Meiringen BE verkauft. jgr